Die Datenmonopolisten: Wie Google, Facebook, Amazon & Co regulieren?

25. Februar 2019

Wenngleich Internetkonzerne ganz unterschiedliche Geschäftsmodelle verfolgen, so verbinden sie doch viele gemeinsame Charakteristika. Eine zentrale Rolle kommt hierbei dem Sammeln, Verknüpfen und der Nutzung personenbezogener Daten zu. Die Wettbewerbspolitik ist gefordert, der zunehmenden Marktmacht von Google, Facebook, Amazon & Co Grenzen zu setzen. Dafür gibt es bereits verschiedene Ansätze, Internet-Giganten zu beschränken.

Charakteristika der Internetkonzerne

Das herausragende Merkmal digitaler Märkte bzw. digitaler Geschäftsmodelle stellt die hohe Bedeutung von personenbezogenen Daten dar. Mit der Nutzung der Angebote ist regelmäßig die Preis- und Weitergabe von Informationen verbunden. Datenmengen von unbekannter Größe werden erfasst, gespeichert, kombiniert sowie analysiert und bieten den Unternehmen vielfältige Möglichkeiten zur wirtschaftlichen Verwertung. Daten sind in der digitalen Ökonomie sozusagen der „Rohstoff“ für das Funktionieren des Geschäftsmodells.

Die Verwendung der Daten erlaubt die Bereitstellung einer qualitativ hochwertigen Dienstleistung für die „nichtzahlenden“ NutzerInnen. So hängt etwa die Qualität von Suchergebnissen stark von der Berücksichtigung verfügbarer NutzerInnendaten ab. Die Attraktivität sozialer Netzwerke steigt nicht nur durch die Anzahl der NutzerInnen, sondern auch mit der Menge der Informationen, die über andere NutzerInnen zur Verfügung stehen (z. B.: Facebook, LinkedIn). Die Auswertung persönlicher BenutzerInnen-Profile ermöglicht kundenspezifische Werbung, wofür Werbekunden wiederum mehr bezahlen. Und je mehr AnwenderInnen sich auf der Plattform befinden, desto interessanter wird es auch für Unternehmen, Werbung zu platzieren.

Hoher Preis für Gratis-Service

Viele Vorteile, die allerdings einen hohen Preis haben. Durch das Verknüpfen von Daten verschiedener – teils zuvor getrennter – Quellen kommt es zu einer zunehmenden Informationsasymmetrie zwischen den privaten NutzerInnen eines Internet-Angebots und den Anbietern. Viele KonsumentInnen sind über die Nutzung der Daten nicht ausreichend informiert und sich beispielsweise der Möglichkeit zur Preisdifferenzierung im Internet anhand beobachteter Charakteristika nicht bewusst (z. B. Individualisierung von Versicherungstarifen aufgrund besserer Verfügbarkeit von Daten, höhere Preise für NutzerInnen hochwertiger Hardware – z. B. Apple).

Preisalgorithmen können die Koordinierung von Preisen automatisieren und beschleunigen, was einem kartellierten Preis gleichkommt.

Doch es gibt noch mehr, was Internetkonzerne verbindet:

  • „Zweiseitige Märkte“: Die Plattform führt als Vermittler (Intermediär) verschiedene NutzerInnengruppen (KäuferInnen, VerkäuferInnen, NutzerInnen und Werbetreibende) zusammen und bietet den AnwenderInnen vielfältige Möglichkeiten der Suche, Information, Kommunikation oder Durchführung von Transaktionen.
  • Internetkonzerne konkurrieren um beide KundInnengruppen: In ihrer Funktion als Intermediäre können sie KundInnen (hier z. B Werbetreibende) erst gewinnen, wenn auch die andere Marktseite (NutzerInnen des sozialen Netzwerkes) ausreichend entwickelt ist. Preis- und Investitionsstrategien berücksichtigen so nicht nur eine Marktseite. In der Praxis werden Dienstleistungen für KonsumentInnen oftmals „unentgeltlich“ angeboten (Suchmaschinen, Vergleichs- oder Handelsportale), während es aufgrund von Netzwerkeffekten zu einer gewissen Preissetzungsmacht gegenüber der anderen Marktseite kommt (z. B. Werbetreibende, Verkäufer).
  • Netzwerkeffekt: Die Attraktivität des Angebots steigt mit der Anzahl der NutzerInnen (z. B. Facebook, WhatsApp, LinkedIn). Bei indirekten Netzwerkeffekten ist das Nachfrageverhalten einer KundInnengruppe abhängig von der Größe der anderen Gruppe (steigende Attraktivität für Werbetreibende mit der Anzahl der NutzerInnen; einer großen Käufergruppe steht eine große Verkäufergruppe gegenüber z. B. eBay).
  • Starke Skaleneffekte und Lock-ins erschweren Markteintritte: Hohe Anfangsinvestitionen für den Aufbau der Plattform, die Marktdurchsetzung (z. B. einer Suchmaschine, eines Betriebssystems, eines sozialen Netzwerks) und laufende Mittel (Fixkosten) stehen geringen Grenzkosten bei digitalen Produkten gegenüber (Kosten einer zusätzlichen Suchanfrage, eines zusätzlichen Nutzers bzw. einer zusätzlichen Nutzerin eines sozialen Netzwerks etc.). Zudem werden für NutzerInnen hohe Wechselkosten oder sonstige Wechselbarrieren aufgebaut. Diese Lock-in-Effekte sind zwar auch in der Realwirtschaft verbreitet (z. B. Vielfliegerprogramme der Airlines), bei Facebook, Google und anderen großen Internetkonzernen wirken Lock-ins aufgrund der aufgezeigten Charakteristika aber noch viel stärker. Damit beschleunigt sich ein Konzentrationsprozess bis hin zur Monopolbildung, was sich in den Marktanteilen großer Internetkonzerne widerspiegelt.
    Google verfügt auf dem Suchmaschinenmarkt über einen Marktanteil von 90 Prozent, das Google-Betriebssystem Android über 80 Prozent, Facebook liegt ebenfalls bei 80 Prozent, und Amazon dominiert mit rund 50 Prozent Marktanteil den Online-Handel. Diese „Winner takes it all“-Märkte sind auch Ergebnis einer Vielzahl von Akquisitionen. So soll beispielsweise Google bis April 2015 mehr als 180 Unternehmen erworben haben.
  • Übertragung marktbeherrschender Stellung: Google betreibt nicht nur die mit Abstand wichtigste Suchmaschine, sondern mit „YouTube“ auch die größte Video-Plattform, mit „Chrome“ einen weit verbreiteten Internetbrowser, mit „Gmail“ einen der größten E-Mail-Dienste sowie mit Android das am weitesten verbreitete Betriebssystem für mobile Endgeräte. Amazon ist Marktführer im Internet-Handel und Betreiber des „Amazon Marketplace“, auf dem andere Unternehmen ihre Produkte verkaufen. Zusätzlich bietet Amazon „Cloud-Dienste“, Video-Streaming und forscht im Bereich autonomes Fahren. Facebook kaufte WhatsApp, Instagram ist ebenfalls eine Tochter. Bemerkenswert ist, dass sich die Marktpositionen auf unterschiedlichen Märkten gegenseitig verstärken (Verbundeffekte zwischen Such-, E-Mail-, Video- und Einkaufsangeboten sowie Browsern und Mobiltelefon-Betriebssystemen; zwischen sozialen Netzwerken und Messenger-Diensten). Marktbeherrschung kann so auf weitere Geschäftsfelder übertragen und damit einzementiert werden.

Wettbewerbspolitik mit Fokus auf Datenkonzentration

„Datenmacht“ ist – wie die EU-Kommission in ihrer Freigabeentscheidung Facebook/WhatsApp anmerkt – kartellrechtlich nur relevant, wenn und soweit sie geeignet ist, den Wettbewerb zu beschränken. Mit anderen Worten: Die Konzentration von Daten wäre demnach nicht zwingend ein Wettbewerbsproblem und die Verfolgung allein datenschutzspezifischer Bedenken sei nicht den Wettbewerbsbehörden zugewiesen. Bedenken von DatenschützerInnen gegenüber Datenkonzentration mit negativen Folgen für NutzerInnen wurden von der Kommission zurückgewiesen. Sie gab sich mit unverbindlichen Zusagen von Facebook zufrieden, wonach ein automatischer Datenabgleich zwischen den Benutzerkonten mehrerer Dienste nicht möglich sei.

Kurz nach dem genehmigten Zusammenschluss wurden die Geschäftsbedingungen für WhatsApp geändert und NutzerInnendaten an Facebook übermittelt. Mit dem Abgleich der Nutzerprofile wird Werbung kundInnenspezifischer, was wiederum die Werbeeinnahmen erhöht. Dies widersprach aber eindeutig den Angaben bei der Zusammenschlussanmeldung und wurde mit einer Geldbuße sanktioniert. Angesichts der erzielten Vorteile schmerzt diese allerdings kaum.

Datenschutz ist Demokratieschutz

Aus wettbewerblicher Sicht stellt Datenkonzentration in der digitalen Wirtschaft eine wesentliche, nicht preisliche Wettbewerbskomponente dar. Datenkonzentration ist aber auch im gesellschaftlichen Kontext zu bewerten. Denn durch die zentralisierte und automatisierte Erhebung, Verfügbarkeit und Nutzung von Daten entstehen Machtpositionen, die Staat, Bürger und Gesellschaft vor neue Herausforderungen stellen. Der Fall Cambridge Analytica zeigte etwa auf, wie persönliche Daten zum Zwecke der politischen Einflussnahme ausgewertet und missbraucht werden.

Die Sicherung des Datenschutzes ist wie die Sicherung der Medienvielfalt für das Funktionieren einer offenen demokratischen Gesellschaftsordnung von eminenter Bedeutung. Kartellbehörden nehmen in Bezug auf die Medienvielfalt bereits wichtige Aufgaben wahr. Es braucht hier aber eine deutliche Ausweitung der Kompetenzen in Bezug auf Datenschutz.

Mehr Kompetenzen für Kartellbehörden

Im Rahmen der Fusionskontrolle könnten Kartellbehörden in Bezug auf Datenschutz und Privatsphäre auch eine demokratiepolitische Verantwortung übernehmen. Nach Umsetzung der Datenschutz-Grundverordnung und damit europaweiter Angleichung von Datenschutzstandards könnte im Rahmen der Fusionskontrolle eine der „Medienvielfalt“ analoge Regelung in Bezug auf den Datenschutz bzw. auf die Datenkonzentration eingeführt werden.

Die Berücksichtigung von Transaktionswerten als Aufgreifkriterium im Rahmen der Fusionskontrolle wurde bereits in Österreich und Deutschland eingeführt, um Internetunternehmen frühzeitig einer Zusammenschlusskontrolle zu unterziehen. Bei der Prüfung von digitalen Zusammenschlüssen sollte den Datenschutzbehörden zumindest die Möglichkeit der Stellungnahme eingeräumt werden. Überlegenswert wären auch Ex-post-Analysen im Rahmen der Fusionskontrolle (z. B. Wirksamkeit von Auflagen).

Marktmacht und Missbrauch neu bewerten

Um missbräuchliches Verhalten sanktionieren zu können, bedarf es im Kartellrecht des Vorliegens einer marktbeherrschenden Stellung. Im Sinne des Wettbewerbsrechts ist diese nicht so einfach festzustellen, da es als Voraussetzung einer Marktabgrenzung bedarf, die sich bei digitalen Plattformen schwierig gestaltet. So braucht eine wettbewerbliche Beurteilung die Einbeziehung unterschiedlicher Marktseiten (direkte und indirekte Netzwerkeffekte, Lock-ins und Skaleneffekte) sowie die Berücksichtigung des Datenzugriffs und die damit verbundenen Möglichkeiten.

Spannend ist dazu der Ausgang des Verfahrens, das vom deutschen Bundeskartellamt gegen Facebook geführt wird. Der Vorwurf lautet, dass Facebook die Nutzung des Netzwerks davon abhängig macht, unbegrenzt jegliche Art von NutzerInnendaten aus Drittquellen zu sammeln und mit dem Facebook-Konto zusammenzuführen. Zu diesen Drittseiten gehören konzerneigene Dienste, wie WhatsApp oder Instagram, ebenso wie Webseiten und Apps anderer Betreiber.

Sollten die geltenden Tatbestände im Missbrauchsrecht nicht für Sanktionen in Bezug auf Datenmissbrauch ausreichen, wäre eine Ausweitung in Richtung Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung und missbräuchlicher Verwendung und Weitergabe personenbezogener Daten überlegenswert.

Als mögliche Sanktionen bei Missbrauch lässt das Kartellrecht ein breites Spektrum verhaltensorientierter und struktureller Maßnahmen zu, bis hin zu einer eigentumsrechtlichen Trennung von Aktivitäten.

Fazit:

Transparenz, Datensouveränität (Recht auf Vergessenwerden) und Datenportabilität sind wichtige Aspekte, um Rechte der NutzerInnen bezüglich ihrer Daten zu stärken. Es braucht darüber hinaus eine breite Debatte über die gesellschaftspolitische Verantwortung im Bereich des Datenschutzes bzw. der Datenkonzentration. Das Wettbewerbsrecht kann bei entsprechender Ausgestaltung und Stärkung einen Beitrag zur Lösung dieser Problematik leisten.