Abfertigung Neu als gutes Geschäft für die Eigentümer der Vorsorgekassen

09. Januar 2020

Seit 2003 gibt es in ÖsterreichAbfertigungskassen. Bei einer Beendigung eines Arbeitsverhältnisses bekommt maneine Abfertigung nicht mehr direkt vom Arbeitgeber, sondern von einer sogenanntenVorsorgekasse ausbezahlt. Während diese Unternehmen ein gutes Geschäft machen,führen geringe Veranlagungserträge, hohe Verwaltungskosten und ein bescheidenerBeitragssatz der Arbeitgeber dazu, dass die Leistungen für dieArbeitnehmerInnen niedriger als in der alten Abfertigung ausfallen.

Abfertigung Neu: Alle ArbeitnehmerInnen erfasst

Die Reform der Abfertigung hatzwei wichtige Zielsetzungen erfüllt: Erstens wurden alle ArbeitnehmerInnen indas neue System einbezogen und zweitens wurde die Mobilität derArbeitnehmerInnen erhöht. Die alte Abfertigung verfiel, wenn Beschäftigteselbst kündigten, und galt nur für Dienstverhältnisse, die länger als dreiJahre gedauert haben. Die Abfertigung Alt war zwar höher als die neueAbfertigung, wurde aber nur bei einer geringen Anzahl von Beendigungen tatsächlichausgezahlt. Die zunehmende Dynamik am Arbeitsmarkt hätte dazu geführt, dassimmer seltener ein Anspruch auf Abfertigung entstanden wäre. Die neueAbfertigung ist diesbezüglich fairer. Ansprüche hängen davon ab, wie lange undnicht bei wie vielen Dienstgebern man gearbeitet hat.

Aber: Mit der Reform derAbfertigung wurden gesetzlich obligatorische arbeitsrechtliche Ansprüche angewinnorientierte Unternehmen ausgelagert, die die Beiträge an denFinanzmärkten veranlagen. Und das schafft Probleme. Geringe Veranlagungserträge,hohe verrechnete Verwaltungskosten und der bescheidene Beitragssatz derArbeitgeber von 1,53 % des Entgelts bewirken, dass die Leistungshöhe deutlichunter der alten Abfertigung bleibt.

Hohe Kosten, hohe Gewinne

Die Veranlagungserträge der Vorsorgekassen fielen insgesamt eher bescheiden aus. Die durchschnittliche jährliche Verzinsung lag zwischen 2004 und 2018 bei 2,3 %. Diese bezieht sich allerdings nur auf jenen Teil der Beiträge, der tatsächlich veranlagt wird. Nicht berücksichtigt sind hier die Verwaltungskosten, die die Kassen vorab von den laufenden Beiträgen für die Administration abziehen. Das heißt, für die meisten Anspruchsberechtigten liegt die Nettoverzinsung ihrer Beiträge nicht über, sondern unter der Inflationsrate. Wichtig ist, dass für die Abfertigung Neu eine Kapitalgarantie gilt. Das bedeutet, dass niemand weniger an Abfertigung bekommen darf, als in Form von Beiträgen einbezahlt wurde.

Für die Vorsorgekassenfunktioniert das System aber gut. Da sie relativ hohe Verwaltungskosten verrechnen,machen sie hohe Gewinne und schütten sich beträchtliche Dividenden aus. Für dieEigentümer der Vorsorgekassen ist das ein gutes und praktisches Geschäft. DerGesetzgeber sorgt dafür, dass die Arbeitgeber monatlich 1,53 % der Entgelte indie Vorsorgekassen einzahlen. Diese Beiträge werden von der Krankenversicherungeingehoben und überwiesen. Die Abfertigungskassen führen dann die Veranlagung,die Kontoführung und die Auszahlung von Ansprüchen durch. Sie ziehen sowohl vonden Beiträgen als auch vom gesamten veranlagten Vermögen Mittel für ihreVerwaltungskosten ab. Diese verrechneten Kosten machten zwischen 2003 und 2018 eineSumme aus, die 46 % der Veranlagungserträge entspricht. Das ist für die Kassenprofitabel, für die ArbeitnehmerInnen aber nicht effizient. Die Kassenverrechnen wesentlich mehr an Gebühren, als der Betrieb des Systems tatsächlichkostet. Daher steigen die Gewinne für die Eigentümer und dieEigenkapitalrendite laufend an. Diese misst die Gewinne in Relation zumEigenkapital und liegt seit zehn Jahren sehr hoch bei ca. 20 %.

Dekoratives Bild © A&W Blog
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Die hohen Kostensätze mögen zu Beginn des Systems gerechtfertigt gewesen sein, als die Beitragszahlungen und das veranlagte Volumen noch viel geringer gewesen sind. Mittlerweile machen die verrechneten Kosten aber über 100 Millionen Euro aus. Dem stehen reale Betriebsaufwendungen von nur 51 Millionen Euro gegenüber. Folglich stiegen die Gewinne für die Aktionäre immer stärker.  Zuletzt schütteten sie sich Dividenden von 13 Millionen Euro aus. Von den über 100 Millionen Euro an Verwaltungskosten, die den Anspruchsberechtigten verrechnet wurden, flossen also 13 Millionen Euro als Dividenden an die Eigentümer der Kassen, im wesentlichen Banken und Versicherungen.

Dekoratives Bild © A&W Blog
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Dass hier Handlungsbedarfbesteht, liegt auf der Hand. Nachdem die Kassen die Kostensätze nicht vonselbst senken werden, sollte die Höhe der Mittel für Verwaltungskostengesetzlich stärker begrenzt werden. Denn die Abfertigung Neu soll einvernünftiges Leistungsniveau bringen – und keine Subventionierung derFinanzwirtschaft.

Längere Ansparzeit und Entnahmemöglichkeiten einschränken?

Die Vorsorgekassen wollen dieEntnahmemöglichkeit einschränken und einen Zugriff auf die zustehendeAbfertigung erst bei Pensionsantritt ermöglichen. Das heißt, dass eineAbfertigung nicht mehr zum Zeitpunkt einer Kündigung zustünde, sondern erst beider Pensionierung. Damit würde die Abfertigung aber ihre Rolle alsÜberbrückungshilfe verlieren und zu einer Zusatzpension umfunktioniert. Es istklar, dass die Kassen das Geld länger verwalten wollen, weil dann ein höheresVolumen verwaltet wird. Da die Kassen im Schnitt Vermögensverwaltungskosten vonknapp 0,7 % des veranlagten Volumens verrechnen, würden ihre Einnahmen massivansteigen, wenn das Geld bis zur Pension nicht abgerufen werden kann. Es würdesich dann jedoch die Frage stellen, wozu es neben Pensionskassen eigene Vorsorgekassenbraucht, wenn beide de facto Betriebspensionen organisieren.

Neben den explizit verrechnetenKosten auf die Beiträge und das verwaltete Vermögen fallen auch in den eingesetztenProdukten (den Fonds) Kosten an. Da die meisten Kassen im Eigentum vonUnternehmen der Finanzwirtschaft stehen, ergibt durch den Einsatz vonVeranlagungsprodukten von Eigentümerunternehmen zusätzlicher indirekter Gewinnfür die Aktionäre. Damit das System transparenter wird, sollten dieVorsorgekassen dazu verpflichtet werden, eine Gesamtkostenquote („Total ExpenseRatio“ (TER)) zu veröffentlichen, in die neben den Kostensätze, die dieVorsorgekasse einhebt, auch die Kosten in den eingesetzten Finanzprodukten eingehen.Pensionskassen müssen diese Gesamtkostenquote auf Anfrage bereitsveröffentlichen (§ 19 Abs. 5a Pensionskassengesetz(PKG)).

Übersichtlichkeit erhöhen,  Kostensenken, Beiträge erhöhen

Da der Grundsatz gilt, dass proBetrieb eine Vorsorgekasse zuständig ist, haben ArbeitnehmerInnen nach mehrerenkurzen Arbeitsverhältnissen ihre Ansprüche bei mehreren Kassen. Das istunübersichtlich und aufwändig. Daher wäre es sinnvoll, die Ansprüchegrundsätzlich bei der aktuellen Kasse zusammenzuführen, es sei denn, die/derAnspruchsberechtigte entscheidet anders („opting out“). Das könnte die Anzahlder zu führenden Konten deutlich reduzieren und brächte mehr Übersichtlichkeit.

Der vom Dienstgeber zu zahlendeBeitrag von derzeit monatlich 1,53 % sollte angehoben werden, um das Ziel zuerreichen, dass nach einem Arbeitsleben eine Abfertigung von einem Jahresgehaltzusteht. Die Kapitalgarantie muss zudem beibehalten werden, niemand darfweniger an Abfertigung bekommen als an Beiträgen einbezahlt wurde. Niemand kannplanen, ob man die Beschäftigung verlieren wird, daher muss beiAuszahlungsanspruch zumindest so viel zustehen wie eingezahlt wurde.

Für die Anteile an den Beiträgen,die die Vorsorgekassen für Verwaltungskosten einbehalten, sollte eineHöchstgrenze festgelegt werden. Sinnvoll wäre eine schrittweise Reduktion derhöchsten gesetzlich zulässigen Kostensätze für die Vermögensverwaltung auf 0,5%. Die Kassen behalten alleine vom verwalteten Vermögen pro Jahr meist 0,7 %ein. Das Vermögen lag Ende 2018 bei 11,5 Milliarden Euro.

Eine genaue Analyse der Bilanzen der Vorsorgekassen findet sich in einer ausführlichen Studie und einem zusammenfassenden Artikel.

Einen Vergleich der Vorsorgekassen (Kosten, Leistungen etc.) findet sich hier.

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