Die Umstellung auf umweltfreundliche Busse im öffentlichen Nahverkehr wird die Kommunen viel Geld kosten. Der Bund und die Länder sind gefordert, damit dies nicht zulasten des Ausbaus im öffentlichen Verkehr erfolgt. Zudem bedarf die gängige Ausschreibungspraxis, die soziale Errungenschaften zu einem Wettbewerbsnachteil verkehrt hat, einer Kehrtwende. Soziale Kriterien müssen bei der Vergabe von Aufträgen zukünftig berücksichtigt werden.
Die klimapolitischen und sozialen Herausforderungen für die Zukunft des öffentlichen Busverkehrs sind enorm. Die Gebietskörperschaften müssen verstärkt emissionsarme und Null-Emissions-Fahrzeuge beschaffen. Das sind vor allem Antriebe mit Batterie und Brennstoffzellen. Das sieht die EU-Richtlinie (EU) 2019/1161 über die Förderung sauberer und energieeffizienter Straßenfahrzeuge vor. Noch in diesem Herbst wird die Bundesregierung die Umsetzung und die Quotenaufteilung für die Gebietskörperschaften und Kommunen vorlegen. Das betrifft Müllfahrzeuge, Lkw und Pkw der öffentlichen Hand, aber ganz besonders ehrgeizig ist die Vorgabe bei Bussen im städtischen Nahverkehr. Demnach müssen bis 2025 mindestens 45 Prozent aller Busse emissionsarm oder emissionslos sein, bis 2030 erhöht sich diese Quote noch einmal auf 65 Prozent. Inwiefern in den zukünftigen Bundesbudgets für die Finanzierung von emissionsarmen Autobussen im öffentlichen Verkehr Vorsorge getroffen wird, steht derzeit in den Sternen. Im aktuellen Finanzhaushalt des Bundes ist dies völlig unterbelichtet.
Kostenexplosion durch Fahrzeuge mit alternativen Kraftstoffen
Fahrzeuge, die mit Batterie oder Brennstoffzellen betrieben werden, verursachen weder Lärm noch Luftverschmutzung (Feinstaub, Stickstoffdioxid, Ozon). Das ist zweifellos aus Umweltsicht bereichernd für verkehrsgeplagte Menschen in dicht besiedelten Ballungszonen. Weitgehend unbekannt sind dagegen die hohen Anschaffungskosten, geringen Reichweiten und der teure Ausbau einer entsprechenden Ladeinfrastruktur für emissionsfreie Busse. Dies sind große Herausforderungen für die Aufrechterhaltung des öffentlichen Verkehrs und erst recht für den weiteren Ausbau. Zum besseren Verständnis: Ein Standardbus im öffentlichen Verkehr („Solo-Bus mit 12 Metern“), der mit Batterie betrieben wird, kostet derzeit fast zweimal so viel wie ein Dieselbus. Ein Bus mit Brennstoffzellen-Antrieb sogar dreimal so viel. Weil batteriebetriebene Busse eine geringere Reichweite als fossilbetriebene haben, braucht es in der Regel drei E-Busse für einen Dieselbus, um einen engen Taktverkehr zu betreiben. Die Errichtung der speziellen Infrastruktur für die neuen E-Busse (vor allem Ladevorrichtungen entlang der Strecke oder in Betriebsgaragen) ist ebenfalls mit hohen Kosten verbunden.
Wer soll das bezahlen?
Noch stehen die gesetzlichen Regelungen nicht fest, wie die Quotenaufteilung für die öffentlichen Verkehrsbetriebe aussieht. Das deutsche Beratungsunternehmen kcw veranschlagt aber eine Größenordnung von 600 Millionen bis zu 1,1 Milliarden Euro an Beschaffungskosten nur für den öffentlichen Busverkehr in den neun österreichischen Landeshauptstädten bis zum Jahr 2030, wenn die derzeitige Fahrleistung mit der Quote beibehalten werden soll.
Öffentliche Hand zahlt für Versäumnisse europäischer Fahrzeughersteller
Der Grund für forcierte Beschaffungsquoten ist aber nicht nur das Klima, sondern der technologische Rückstand der europäischen Nutzfahrzeughersteller. Während in ostasiatischen Staaten (vor allem China) die Hersteller durch eine langfristige Industriepolitik gezielt mit Quoten an die Elektromobilität herangeführt wurden, wählte die EU eine andere Strategie: Hier wurde dies dem Markt überlassen und damit der Ausbau der E-Mobilität leider verschlafen. Denn die Hersteller setzten bislang auf Dieselbusse. Deshalb müssen die öffentlichen Verkehrsbetriebe jetzt innerhalb kürzester Zeit neue E-Fahrzeuge anschaffen, damit die Produktion von Null-Emissions-Fahrzeugen angekurbelt wird. Ob davon wirklich europäische Hersteller oder doch asiatische Anbieter profitieren, wird die Zukunft zeigen.
Wende beim Antrieb oder bei der Umwelt?
Schon jetzt werden in Österreich 650 Millionen Personen im Buslinienverkehr mit Dieselbussen befördert, davon 373,4 Millionen Fahrgäste auf stadtregionalen Verkehren. Sie leisten damit einen großen Beitrag zur Klimawende. Denn ein Personenkilometer im Bus verursacht im Durchschnitt nur 49,4 Gramm CO2 (Vergleich: Pkw 208,7 Gramm CO2). Werden diese stadtregionalen Verkehre gemäß der EU-Vorgabe mit Null-Emissions-Fahrzeugen durchgeführt, verringert sich der verkehrsbedingte CO2-Ausstoß in Österreich nur um 0,4 Prozent. Mit dem gleichen Geld könnte freilich das ÖV-Angebot mit Dieselbussen verdoppelt und ein verstärkter Umstieg vom Pkw auf den öffentlichen Verkehr sichergestellt werden. Die verkehrsbedingten CO2-Emissionen Österreichs würden dadurch um 18 Prozent verringert. Eine Wende durch Verlagerung auf klimafreundliche Transportmittel ist folglich zielführender, als die Antriebsform zu ändern.
Massiver Kostendruck durch Ausschreibungswettbewerb
Nicht nur der hohe Finanzbedarf für die ökologisch notwendige Umrüstung der Busse setzt den Busbereich unter enormen Druck. Auch die seit der Einführung der im Dezember 2009 in Kraft getretenen Public Service Obligations (EG) Nr. 1370/2007 über öffentliche Personenverkehrsdienste auf Schiene und Straße – kurz „PSO“ – eingeführte Praxis von Ausschreibungen anstelle der traditionellen Tarifbestellungen oder Direktvergaben hat zu einem massiven Kostenminimierungsdruck für die Unternehmen geführt. Im Ausschreibungswettbewerb stehen vor allem niedrige Kosten wie auch ein Maximum an Qualität – vor allem im Sinne technischer Voraussetzungen der Fahrzeuge – im Vordergrund: ein beinahe unmöglicher Spagat für die Busunternehmen. Diese haben durch die gesunkenen Einnahmen (Verlust von lang bedienten Strecken, äußert knapp kalkulierte Angebotslegung, um die Chance auf den Zuschlag zu wahren) nicht nur gravierende Verluste zu verbuchen, sondern auch aufgrund der restriktiven Vorgaben der Verbünde kaum mehr Gestaltungsspielraum. So können beispielsweise noch gut funktionierende Busse nicht mehr eingesetzt werden, da diese den spezifischen und in der Regel am neuesten Stand der Technik orientierten Vorgaben der Ausschreibungen nicht mehr entsprechen. So kann es beispielsweise sein, dass ein vor drei Jahren gekaufter Bus nicht mehr den Vorgaben der Ausschreibungen entspricht.
Die bestellenden Verkehrsverbünde rühmen sich aufgrund des Ausschreibungswettbewerbs der niedrigeren Preise für die vergebenen Linien. So sind die Preise für die Bestellungen der Buslinien tatsächlich seit Beginn der Ausschreibungen um 10 bis 15 Prozent gesunken. Aber ist es tatsächlich billiger für die Verkehrsverbünde und SteuerzahlerInnen geworden? Unberücksichtigt bei der Kalkulation der Auftraggeber bleiben einerseits die Folgen für die Volkswirtschaft infolge von Konkursen, Arbeitsplatzverlust, gestiegenem Zeit- und Leistungsdruck etc. Andererseits wird völlig ausgeblendet, dass die Verbünde im Gegenzug – um die von den Busunternehmen abgezogenen Aufgaben gewährleisten zu können – selbst Personal aufgestockt haben. Es ist daher äußerst fraglich, ob die gepriesene Kostensenkung tatsächlich stattgefunden hat oder die Kosten nur verlagert wurden.
Soziale Errungenschaften kehren sich zu einem Wettbewerbsnachteil!
Personalkosten machen für Busunternehmen rund die Hälfte der Gesamtkosten aus und sind daher die wichtigste Stellschraube im Wettbewerb. Der Kostendruck aufgrund des Ausschreibungswettbewerbs führt dazu, dass etablierte und seriöse Busunternehmen mit ihren Personalkosten nicht mithalten können – mit gravierenden Folgen für die Unternehmen, aber auch für die Beschäftigten im Busbereich. Unternehmen, die für ihre ArbeitnehmerInnen bessere Arbeitsbedingungen schaffen wollen (z. B. höhere Löhne, mehr Weiterbildung etc.), kommen bei den Ausschreibungen nicht zum Zug. Den Zuschlag bekommt das Unternehmen, das am billigsten anbietet. Langjährige MitarbeiterInnen, Lehrlinge, Ausgaben für Weiterbildungsmaßnahmen etc. bleiben auf der Strecke. Viele – vor allem kleinere Unternehmen – sind aus dem Markt ausgeschieden. So haben allein in Oberösterreich durch die Ausschreibungen von 27 Unternehmen etwa die Hälfte ihre Linienkonzession verloren.
Auch dem Bedürfnis der Fahrgäste nach gut ausgebildeten und ortserfahrenen BusfahrerInnen kann bei einem Ausschreibungsverfahren, das in erster Linie auf eine Kostensenkung abzielt, nicht nachgekommen werden. Versierte langjährige BusfahrerInnen müssen gegen billigere ausgetauscht werden, die geringere Lohnkosten verursachen. Für Weiterbildungen, wie Deeskalationsschulungen, zusätzliche Fahrsicherheitstrainings oder Schulungen, um die sozialen Kompetenzen der MitarbeiterInnen zu stärken, ist kein finanzieller Spielraum vorhanden.
Eine verbesserte Qualität, die über technische Voraussetzungen und optimierte Streckenführungen hinausgeht, ist nur zu erreichen, wenn Beschäftigte Bedingungen vorfinden, unter denen sie ihre Arbeit bestmöglich verrichten können. Dazu gehören beispielsweise die Einhaltung der Pausenregelungen, eine Streckenführung und der Einsatz der MitarbeiterInnen nach Kriterien, die auch den Bedürfnissen der Beschäftigten entsprechen, die Möglichkeit von Weiterbildungen sowie die Möglichkeit für ein Unternehmen, erfahrene und versierte MitarbeiterInnen zu beschäftigen. Zudem ist es von hohem gesellschaftlichem Nutzen, wenn Lehrlinge ausgebildet werden, Frauen gefördert oder Personen mit besonderen Bedürfnissen angestellt werden. Die vorherrschende Ausschreibungspraxis blendet diese sozialen Aspekte weitgehend aus.
Spielraum des Unionsrechts nutzen
Das Unionsrecht würde den Spielraum bieten, verpflichtende Qualitäts- und Sozialstandards verbindlich in den Ausschreibungen zu verankern. Diese Chance wurde aber in Österreich bislang kaum genützt, und so gibt es bis dato keine verpflichtenden sozialen Kriterien. Österreich wurde bei einer Veranstaltung der Arbeiterkammer Wien zur Vergabepraxis daher auch kritisch als „europäischer Musterschüler“ bezeichnet. Das zuständige Ministerium hat lediglich einen unverbindlichen Leitfaden für Qualitätskriterien bei der Vergabe von Busverkehrsdienstleistungen zur Verfügung gestellt und keine verbindlichen sozialen Kriterien umgesetzt.
Verbindliche Qualitäts- und Sozialkriterien würden nicht nur den Beschäftigten, seriösen Unternehmen und der Volkswirtschaft nützen, die ausschreibenden Stellen würden damit auch mehr und dringend nötige Rechtssicherheit schaffen. Eine Vielzahl der Vergaben wird derzeit aufgrund unklarer Auslegungsregeln von unterlegenen Busunternehmen angefochten und verursacht neben erheblichem zeitlichem auch großen finanziellen Aufwand, da nicht selten insbesondere rechtliche Expertise zugekauft werden muss.
Fazit
Der Busverkehr ist eine wichtige Säule eines flächendeckenden öffentlichen Verkehrsangebots. Gerade in Corona-Zeiten hat sich gezeigt, wie wichtig öffentliche Dienstleistungen für die wirtschaftliche und gesellschaftliche Stabilität sind. Auch die BuslenkerInnen im öffentlichen Verkehr haben sich wie andere Beschäftigte in diesem Bereich Anerkennung und Wertschätzung verdient, die sich auch in guten Arbeitsbedingungen und fairen Löhnen niederschlagen muss. Seriöse und etablierte Unternehmen, die sich ihren MitarbeiterInnen verpflichtet fühlen und faire Bedingungen bieten, muss der Bestand am Markt ermöglicht werden. Sie sollen nicht durch Lohn- und Sozialdumping, das durch öffentliche Ausschreibungen befeuert wird, an den Rand gedrängt werden.
Es wäre daher zielführend, gerade jetzt massiv in den Busverkehr zu investieren. Damit das gelingt, müsste der Bund hierfür Förderpläne zur Verfügung stellen: für die Umstellung der Busse auf klimaneutrale Antriebssysteme, für eine Ausweitung des öffentlichen Busverkehrs und vor allem für die Lenkerinnen und Lenker. Der Ausschreibungswettbewerb auf ihren Schultern muss ein Ende haben. Soziale Qualitätskriterien müssen bei den Ausschreibungen verpflichtend verankert werden.
Der Bund und die Länder haben es in der Hand, eine Win-win-Situation zu schaffen: mehr hochwertige Arbeitsplätze und gut ausgebauter öffentlicher Verkehr und damit mehr Klimaschutz.
Zum Nachlesen: Die Arbeiterkammer Wien diskutierte Anfang Oktober mit ExpertInnen, wie die ökologische und soziale Wende im öffentlichen Busverkehr ermöglicht werden kann.