Mehr als ein Viertel der Energie wird in Österreich im Gebäudesektor verbraucht. Hält Österreich seine Klimaziele nicht ein, sind Kompensationszahlungen in Milliardenhöhe vorprogrammiert. Damit Energie eingespart werden kann, müssen Lösungen her: von alternativen Wohnmodellen bis hin zu strengeren Gesetzen.
Mit Reduktion und Dekarbonisierung Richtung Klimaziele
Die Politik will Österreich mit 2040 klimaneutral machen. Bis dahin ist es allerdings noch ein weiter Weg. Würde jedes Land der Erde so viel Energie und Ressourcen verbrauchen wie Österreich, bräuchten wir fast vier Planeten. Der massive Ausstoß von Treibhausgasen hat zur dramatischen Intensivierung der Klimakrise geführt. Um die Krise zu stoppen und für eine klimagerechte Zukunft sorgen zu können, braucht es eine Dekarbonisierung des Energiesystems. Das heißt: Wir brauchen zu 100 Prozent erneuerbare Energiequellen.
Das große Problem: Energie ist nicht unendlich verfügbar, und seit Jahren stagniert der Energieverbrauch in Österreich. In unseren Flüssen haben kaum noch neue Wasserkraftwerke Platz. Sonnen- und Windenergie kann nicht rund um die Uhr produziert werden, und die Speicherung der Energie ist nur für kurze Zeit möglich. Dekarbonisierung geht also nicht ohne Reduktion. Der jährliche Gesamtenergieverbrauch in Österreich betrug 2019 rund 1.139 Petajoule bzw. 316 Terawattstunden. Davon entfielen 27 Prozent auf den Gebäudesektor.
Staat Österreich keine Vorbildwirkung
Eine Methode, Energie im Gebäudesektor einzusparen, ist, die Bauten thermisch zu sanieren. Laut Gesetzestext scheint die Bundesregierung um die Wichtigkeit einer thermischen Sanierungsrate zu wissen: Pro Jahr müssen drei Prozent der Bestandsgebäude wärmegedämmt werden – so die Vorgabe. In der Realität wird das aber nur zu etwa einem Drittel erfüllt.
Dem Bund kommt dabei eine gewisse Vorbildwirkung zu, doch nicht mal im eigenen Wirkungsbereich der Bundesimmobilien dürfte das Ziel erfüllt werden. Mit mehr als 7 Millionen Quadratmetern, die es zu vermieten und zu verwalten gilt, zählt die Bundesimmobiliengesellschaft (BIG) zu den größten Immobilienfirmen der öffentlichen Hand. Sie ist zu 100 Prozent im Eigentum der Republik Österreich. Am Papier präsentiert sich die BIG als ökologisches Unternehmen: Nachhaltigkeitsberichte, Auszeichnungen und Gütesiegel lassen die Website in grünem Glanz erstrahlen. Bei genauerem Hinsehen bröckelt aber die Fassade: Die Vorzeigeprojekte der BIG machen nur einen geringen Teil des gesamten Bestandes aus. Zudem ist ein Großteil schlecht sanierter Altbau. Darüber hinaus ist im Nachhaltigkeitsbericht der BIG keine thermische Sanierungsoffensive verankert, die zeigen würde, dass die gesetzlichen Vorgaben in puncto thermischer Sanierungsrate eingehalten werden.
Gewerkschaft: Höhere Sanierungsrate ein Dreifachgewinn
Für die dringend nötige Klimawende im Gebäudesektor ist eine massive Erhöhung der Sanierungsrate also unumgänglich. Die Gewerkschaft Bau-Holz hält diese Forderung in ihrer Initiative „Umwelt und Bauen“ seit Jahren hoch. Darin heißt es auch, dass Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit Hand in Hand gehen.
Eine Erhöhung der Sanierungsrate bedeute nicht nur weniger Energieverbrauch, sondern auch mehr Arbeitsplätze und somit mehr Aufträge. Das komme letzten Endes auch der stark angeschlagenen Wirtschaft im Zuge der Corona-Krise zugute. Gelingt es nicht, den Energieverbrauch und damit die Treibhausgasemissionen zu senken, drohen bis 2030 Kompensationszahlungen in Höhe von bis zu 8,7 Milliarden Euro für den Ankauf von CO2-Zertifikaten.
Energieverbrauch halbieren wäre leicht möglich
Auch im privaten Sektor besteht bei nicht sanierten Bestandsgebäuden Nachholbedarf, denn auch hier wird die vorgeschriebene Sanierungsrate nicht eingehalten. Im Durchschnitt wurden 2018 in Österreich zum Heizen jedes Jahr 133 Kilowattstunden pro Quadratmeter Wohnfläche verbraucht. In nicht sanierten Häusern im Bestand ist der Heizbedarf deutlich höher. An dieser Stelle ein Gedankenexperiment: Wo könnte man ansetzen, um den Energieverbrauch so schnell wie möglich zu senken? Würden die Eigentümer*innen von nicht sanierten Wohnhäusern in eine thermische Sanierung investieren, könnte man den Energieverbrauch jedes Hauses um einen Großteil senken.
Auf ganz Österreich hochgerechnet hieße das: Man könnte mit dieser Maßnahme etwa die Hälfte des gesamten Energieverbrauchs im Gebäudesektor einsparen. Es drängt sich die Frage auf: Wenn man einen wesentlichen Teil der verbrauchten Energie in Österreich relativ rasch einsparen könnte, warum ist das dann nicht schon längst passiert? Die Antwort ist wie so oft: Es kostet viel Geld.
Warmmieten fürs Klima und für mehr soziale Gerechtigkeit
Viele Menschen können es sich nicht leisten, ihr Haus thermisch zu sanieren. Es braucht Maßnahmen, die auch finanziell Benachteiligten einen klimafreundlichen Lebensstil ermöglichen, wie beispielsweise höhere Förderungen. Hier muss auf Bundes- oder Landesebene Geld in die Hand genommen werden. Ist das Haus in einer Schutzzone oder sogar denkmalgeschützt, kann dies unter Umständen ebenfalls die thermische Sanierung erschweren. Es gibt noch einen weiteren Grund, wieso thermische Sanierungen für Wohnhauseigentümer*innen oft wenig attraktiv sind: Sie profitieren finanziell nicht davon, dass weniger Energie zum Heizen und Kühlen benötigt wird. Denn sie bezahlen nicht für die verbrauchte Energie, sondern die Mieter*innen.
Eine Motivation für die Investition in eine thermische Sanierung könnten alternative Wohnmodelle sein, die das Mieter*in/Vermieter*in-Problem aufheben. Ein Beispiel wäre das schwedische Warmmietenmodell. In der Miete ist auch das Heizen inkludiert: In der Wohnung wird eine gewisse Temperatur nicht unterschritten – um die Gewährleistung kümmert sich der oder die Vermieter*in. Wird mehr verbraucht, zahlt der/die Mieter*in drauf – wird weniger verbraucht, bekommt man eine Rückzahlung. So ist der Anreiz, Energie einzusparen, für beide Seiten gegeben. In Schweden gibt es dieses Modell seit dem Jahr 2000. Kombiniert mit einer hohen CO2-Bepreisung, konnten in den vergangenen 20 Jahren rund 95 Prozent der Treibhausgase im Gebäudesektor eingespart werden.