Eine Wirtschaft der Zukunft wird eine digitale und klimaneutrale sein. In einer Welt, in der wir unseren Umgang mit Ressourcen neu denken müssen, effizienter und schonender produzieren, wird die digitalisierte Informationsverarbeitung ein Schlüsselfaktor für die Transformation hin zu einer Kreislaufwirtschaft sein.
Die Prinzipien einer Kreislaufwirtschaft
Kreislaufwirtschaft ist mehr als Abfallwirtschaft. In einer Kreislaufwirtschaft geht es im Grunde um eine Neuorientierung gesamter Wertschöpfungs- und Produktionsketten. Dabei geht es nicht nur darum, Abfall über Wiederverwendung und Recycling zu vermeiden oder den Einsatz von Ressourcen zu reduzieren, sondern auch darum, im Produktionsprozess entstehende Nebenprodukte produktiven Verwendungszwecken zuzuführen. Das Nebenprodukt des einen kann der Rohstoff für den anderen sein. Eine echte Kreislaufwirtschaft muss nicht nur großen Wert auf den effizienten Umgang mit Energie und Ressourcen legen, sondern oft auch die Potenziale für Sektorkoppelung beachten. Ein Beispiel dafür ist das Nebenprodukt „Wärme“, welches bei Produktionsprozessen entstehen kann und selbst wiederum für Energiegewinnung oder die Wärmeversorgung in der Region herangezogen werden kann; beispielhaft über die Wärmegewinnung aus Kläranlagen, wie das Projekt der Großwärmepumpe im 11. Wiener Gemeindebezirk zeigt. Darüber hinaus müssen Produkte auch so entworfen werden, dass sie einfach zerlegt, repariert, recycelt oder einer anderen Verwendung zugeführt werden können. Damit sollen nicht nur Abfälle reduziert, sondern ebenso die Lebensdauer von Produkten verlängert und Material immer wieder genutzt werden, um Rohstoff- und Materialverbrauch sowie damit verbundene Umweltbelastungen drastisch zu senken.
Digitalisierung und Kreislaufwirtschaft in perfekter Symbiose
Digitalisierung und Kreislaufwirtschaft bedingen sich nicht nur, sondern verstärken sich auch gegenseitig. Digitale Technologien machen es erst möglich, Material- und Produktflüsse präzise zu überwachen, neue Geschäftsmodelle zu entwickeln und Ressourcen effizienter einzusetzen. Die Anwendungsmöglichkeiten digitaler Technologien sind dabei vielfältig und setzen auf den unterschiedlichen Stufen der Wertschöpfungskreisläufe an.
- Optimierung von Ressourcen- und Energieeffizienz: Innerbetrieblich erlauben eine gute Datenqualität und neue Methoden des Machine-Learnings, Effizienzpotenziale weiter auszuschöpfen, Stichwort „Predictive Maintenance“. Internet-of-Things-(IoT)-Sensoren leisten hier Unglaubliches. Vernetzte Sensoren überwachen Energieverbrauch, Maschinenzustände und Materialflüsse in Echtzeit. Dadurch wird eine präzisere Steuerung von Produktionsprozessen und des Energieverbrauchs ermöglicht. Sensoren und die Analyse von Daten helfen dabei Ausfälle vorherzusagen und Wartungspläne zu optimieren und sogar „digitale Zwillinge“ von Produktionsprozessen anzulegen. Damit wird es möglich, Prozesse zu simulieren und diese gezielt zu verbessern, ohne physische Änderungen an den Anlagen selbst vorzunehmen. Optimierungspotenziale können so leichter, schneller und kostengünstiger entdeckt werden. Auch dies hilft dabei, Energie und Ressourcen zu sparen sowie die Lebensdauer von Maschinen und Anlagen zu erhöhen. Auch helfen vernetzte Systeme, beispielsweise im Energiebereich, Angebot und Nachfrage flexibel anzupassen, um Spitzen zu vermeiden und damit die Infrastrukturanforderungen und den ökologischen Fußabdruck dieser zu reduzieren.
- Förderung von Kreislaufwirtschaft: Eine Kreislaufwirtschaft ist nur mit in Daten ausgedrückten und verarbeitbaren Informationen möglich. Was wiederum Voraussetzung für eine Überwachung von Qualität, Zusammensetzung und Flüssen von Materialien, Rohstoffen und Nebenprodukten in Produktionsprozessen ist. Ziel einer solche Überwachung ist, Recycling, Verwertung und Wiederverwendung zu erleichtern. Stichwort: „digitaler Produktpass“. Damit wird auch ein präziser Blick auf Lieferbeziehungen möglich. Die Digitalisierung kann somit zur Transparenz entlang von Lieferbeziehungen und den Anforderungen aus der Nachhaltigkeitsberichterstattung und damit zur Einhaltung von sozialen und ökologischen Standards beitragen. Für die Unternehmen selbst erlauben Daten über den eigenen „Impact“ und die eigenen Emissionen in Echtzeit die passgenaue Entwicklung von Strategien zur Reduktion von Emissionen und der Erhöhung von Energie- und Ressourceneffizienz. Über den digitalen Produktpass soll dieser innerbetriebliche Fokus auf die gesamte Wertschöpfungskette ausgedehnt werden. Dabei verfolgen die gesteigerten Vorgaben zu Informationserfordernissen nicht die Absicht, neue bürokratische Hürden, sondern die Voraussetzung für nachhaltige Innovationen und Produktivitätssteigerungen zwischen den Betrieben entlang der Lieferbeziehungen zu schaffen. Darüber hinaus können digitale Technologien bereits beim Entwickeln und Entwerfen von Produkten beitragen, dass diese leichter recycelbar oder wiederverwendbar sind. Dabei hat sich KI bereits als System mit unglaublichem Potenzial für die Erforschung neuer Materialien und Materialmixe profiliert, indem es Millionen entsprechender Publikationen durchforsten und Rezepte zur Herstellung neuer Materialien entwickeln kann. Die Digitalisierung wird damit zur elementaren Voraussetzung für die praktische Umsetzung von Kreislaufwirtschaftsansätzen, z. B. der Öko-Design-Richtlinie der Europäischen Kommission. Zentrales Element dieser Richtlinie ist der digitale Produktpass, dessen erste Umsetzung für die Bereiche Batterien (ab Februar 2027), Textilien, Eisen & Stahl sowie den Bausektor (ab 2028) geplant ist.
- Beschleunigung von Innovation: Eine verbesserte Datenqualität und Datenverfügbarkeit erlauben nicht nur die Steigerung von Effizienz, sondern auch die Beschleunigung von Innovation. Simulationen und KI-basierte virtuelle Tests können dabei helfen, Design, Produkt- und Materialeigenschaften zu verbessern und darüber hinaus neue Prozesse und Produkte zu entwickeln. Beispielhaft für die Effizienzsteigerung durch ein verbessertes Design steht das vertikale „Birmingham Blade“-Windrad, welches für den urbanen Raum Windenergie in Elektrizität umwandeln soll und dabei dank des Einsatzes von KI im Designprozess siebenmal effizienter als vorangegangene Designs ist.
Digitalisierung und der Aufbau einer echten europäischen Kreislaufwirtschaft dürfen nicht nur, sondern müssen zusammengedacht werden. Ohne die entsprechende Datenbasis und die rasche Ausbreitung digitaler Technologien in der europäischen Wirtschaft wird die Umsetzung von kreislaufwirtschaftlichen Ansätzen rasch an ihre Grenzen stoßen. Doch der Weg dorthin ist steinig und es warten große Herausforderungen.
Datenverfügbarkeit und -qualität als Voraussetzung und Herausforderung
Die Barrieren und Herausforderungen im Aufbau einer europäischen Kreislaufwirtschaft sind vielfältig. Neben technologischen Barrieren in den Unternehmen aufgrund eines Mangels an erforderlichem Know-how, hohen Investitions- und Technologieintegrationskosten sowie regulatorischen Unsicherheiten spielen Datenverfügbarkeit und Datenqualität eine entscheidende Rolle.
Daten sind ein zentraler Baustein, um die digitale Transformation der Kreislaufwirtschaft voranzutreiben. Allerdings gibt es mehrere Barrieren, die die Nutzung und den Austausch dieser Daten erschweren. Erstens liegt ein Großteil der Daten in fragmentierten und isolierten Systemen, was eine Integration und Analyse erschwert. Unternehmen arbeiten oft mit eigenen Insellösungen, die nicht miteinander kompatibel sind, was den Überblick über Material- und Datenflüsse behindert. Zweitens stellt die fehlende Standardisierung ein großes Hindernis dar. Unterschiedliche Formate und Protokolle machen den Austausch von Daten entlang globaler Lieferketten schwierig, da sie oft nicht direkt vergleichbar oder interoperabel sind. Drittens Datenschutz und Datensicherheit: Unternehmen sind häufig zurückhaltend, Daten zu teilen, aus Angst vor potenziellem Missbrauch oder wirtschaftlichen Nachteilen. Sensible Informationen wie Materialzusammensetzungen oder Lieferantenbeziehungen erfordern klare Regelungen und technologische Sicherungsmaßnahmen. Zur Überwindung mancher dieser Barrieren wird auch auf föderierte, also verteilte Datensysteme gesetzt. Catena-X ist dabei ein Pionierbeispiel eines solchen Datenökosystems aus Deutschland zur Schaffung eines digitalen Abbilds der Kreislaufwirtschaft in der Automobilindustrie. Aufbauend auf diesen Erfahrungen wurde Manufacturing-X gegründet, das nun weitere solche Datenökosysteme wie zum Beispiel Factory-X für den Maschinen- und Anlagenbau aufbaut. Nicht zuletzt aber fehlt es in einigen Regionen schlicht an der nötigen technologischen Infrastruktur, um große Datenmengen effektiv zu erfassen, zu speichern und auszutauschen.
Schlussendlich entscheidet das Vertrauen der Akteure in Sicherheit vor Missbrauch und Glaubwürdigkeit der Daten zwischen den Akteuren, ob und wie schnell sich digitale Technologien verbreiten und damit zur Errichtung einer Kreislaufwirtschaft beitragen können.
Digitale Technologie und Kreislaufwirtschaft als „power couple“
Die Digitalisierung und die Kreislaufwirtschaft bilden eine starke Symbiose, die das Potenzial hat, die Art und Weise, wie wir Ressourcen nutzen, grundlegend zu verändern. Während die Digitalisierung die Werkzeuge bereitstellt, um Prozesse effizienter, transparenter und innovativer zu gestalten, liefert die Kreislaufwirtschaft das Konzept für eine nachhaltige Nutzung dieser Technologien. Doch das geschieht nicht von allein. Um einer europäischen Kreislaufwirtschaft mithilfe der Digitalisierung zum Durchbruch zu verhelfen, braucht es gezielte Investitionen in Umwelttechnologien, digitale Infrastrukturen und eine Digitalisierung ganzer Wertschöpfungsketten. Datenplattformen und -standards müssen entwickelt und genutzt werden, um Transparenz und Nachverfolgbarkeit entlang der Wertschöpfungsketten zu gewährleisten. Auch soll die öffentliche Verwaltung durch eine kohärente und einheitliche Umsetzung des Data Governance Acts, des Data Acts und des Informationsfreiheitsgesetzes das Anliegen ernst nehmen, Daten unter Wahrung des europäischen Datenschutzes verfügbar zu machen und dabei beispielhaft voranzugehen. Der sichere Austausch von Daten und die Verfolgung von Materialflüssen müssen sicherheitstechnisch und regulativ ermöglicht und gefördert werden. Gleichzeitig sind Förderprogramme und Anreize notwendig, um Unternehmen bei der Implementierung digitaler Lösungen zu unterstützen. Bildungsinitiativen sollten darauf abzielen, digitale Kompetenzen im Bereich der Kreislaufwirtschaft zu stärken, während klare gesetzliche Rahmenbedingungen den Einsatz digitaler Technologien für nachhaltige Prozesse fördern. Nur durch die Kombination dieser Maßnahmen kann die Digitalisierung als Treiber der Kreislaufwirtschaft wirken. Damit aus der Lovestory auch ein Happy End folgen kann.