Die Zukunft des wenig bekannten, aber hochriskanten Energiecharta-Vertrags (ECT) wurde von den EU-Staaten in den letzten Jahren kontrovers diskutiert: Reformieren oder aussteigen? Der ECT gibt ausländischen Investor:innen die Möglichkeit, Staaten auf Schadenersatz zu klagen, wenn ihre Geschäftsinteressen etwa durch eine Übergewinnsteuer eingeschränkt werden. Neben vielen europäischen Ländern steigt nun auch die EU aus. Österreich schweigt und bleibt. Das bringt viele Probleme mit sich – und könnte teuer werden.
Zuletzt haben das Vereinigte Königreich, Spanien und Portugal ihren jeweiligen Ausstieg aus dem in der Zivilgesellschaft als Klimakiller bekannten Vertrag erklärt. Damit reihen sie sich in eine lange Liste von europäischen Ländern ein, die nach eingehender Risikoabschätzung einen Ausstieg aus dem ECT als einzig valide Option erkannt haben. Nach einem zweijährigen Patt wurde nun auch auf europäischer Ebene ein Kompromiss gefunden: Die EU steigt aus dem Vertragswerk aus, während es den EU-Mitgliedsländern offengelassen wird, in einem modernisierten Vertrag zu bleiben.
Die Rolle der EU-Kommission: dafür, dagegen, let’s get it over with!
Die EU-Kommission hat rund um den ECT einige Volten hinter sich: Als Initiatorin einer Modernisierung des ECT galt sie zunächst als glühende Verfechterin eines reformierten Vertrags. Die Modernisierung wurde jedoch nicht von der notwendigen Anzahl an EU-Mitgliedsstaaten unterstützt und scheiterte im November 2022 im EU-Ministerrat. Nach mehreren Monaten der Lösungssuche nahm die EU-Kommission dann eine 180-Grad-Wende vor und präsentierte als rechtlich sauberste Lösung einen Vorschlag, der den koordinierten Ausstieg der EU und aller EU-Mitgliedsstaaten vorsah. Genau das hatten Gewerkschaften und Zivilgesellschaft jahrelang gefordert! Leider fanden sich auch für diese Lösung nicht ausreichend viele Unterstützer:innen unter den Mitgliedsstaaten. Nach zähem Ringen wurde jetzt ein politischer Kompromiss erreicht, der für viele offene Fragen und so manches rechtliche Problem sorgen wird: Während die EU und EURATOM aus dem ECT aussteigen, wird es den EU-Mitgliedsstaaten freigestellt, im Vertrag zu bleiben, wenn sie einer Modernisierung des Vertrags nicht im Wege stehen.
Die österreichische Bundesregierung: ISDS-freundlich und stumm nach außen
Während Österreich im gesamten Verhandlungsverlauf eine aktive Rolle einnahm, blieb es in der Öffentlichkeit auffallend stumm. Nur kein Thema daraus machen, dass die österreichische Bundesregierung Wirtschaftsinteressen über die Interessen der Allgemeinheit stellt; dass das Risiko horrender Strafzahlungen auf dem Rücken der Steuerzahler:innen in Kauf genommen wird. Während sich Klimaschutzministerin Gewessler im Jahr 2023 eindeutig für den Ausstieg Österreichs aus dem ECT positionierte, bleibt das mitzuständige Arbeits- und Wirtschaftsministerium stumm. Wirtschaftsminister Kocher unterstützte die Modernisierung des ECT und ließ lediglich nach dem Scheitern der Modernisierungsverhandlungen verlauten, die Mitgliedschaft Österreichs im Vertrag einer Prüfung zu unterziehen. Seither ist das Wirtschaftsministerium jedoch auf Tauchstation, um eine öffentliche Debatte zum ECT zu vermeiden. Das Arbeits- und Wirtschaftsministerium sieht Investor-Staat-Schiedsverfahren (ISDS) sehr positiv. Bis dato wurde Österreich nur einmal aufgrund eines bilateralen Investitionsschutzabkommens geklagt, konnte jedoch das Verfahren gewinnen. Dennoch durften die österreichischen Steuerzahler:innen für Verfahrenskosten in Höhe von rund 5 Millionen Euro aufkommen.