Was lehrt uns das Panama Leak? Die Regulierung der Branche zum Vermögensschutz und der Staaten, die sie beherbergen, muss von Grund auf neu überdacht werden. Wenn man eines aus der Finanzkrise und den wiederholten Skandalen lernen kann, dann ist es, dass ein Teil der Finanzakteure kaum Skrupel haben, gegen das Gesetz zu verstoßen, wenn man damit genug Geld verdienen kann. Der Ansatz, den Offshore-Finanzplätzen dahingehend zu vertrauen, dass sie das Gesetz auch umsetzen, reicht nicht aus. Es ist für die Finanzplätze einfach zu lukrativ, Betrüger und Geldwäscher zu unterstützen, und sie haben ohne konkrete internationale Sanktionen zu wenig zu verlieren. Eine der wichtigen Herausforderungen der Finanzregulierung und des Kampfs gegen Ungleichheiten besteht darin, die tatsächlichen Begünstigten dieser Reichtümer zu identifizieren. Ein europäisches und amerikanisches Finanzregister wäre ein globales öffentliches Gut. Hierum geht es in erster Linie beim Kampf um finanzielle Transparenz.
Was lehrt uns das Panama Leak? Das Unternehmen Mossack Fonseca, von dem die Dokumente stammen, die von dem Internationalen Konsortium für investigative Journalisten aufgedeckt wurden, ist ein Bindeglied in einer riesigen Branche, die in New York, London oder Singapur Tausende von jungen Absolventen der weltweit besten Universitäten beschäftigt: die Branche, die sich den Schutz großer Vermögen zur Aufgabe gemacht hat.
Die Lehre aus dem Panama-Leak ist einfach: die Regulierung dieser Branche und der Staaten, die sie beherbergen, muss von Grund auf neu überdacht werden. Das ist eine wesentliche Baustelle, um die Verschärfung von Ungleichheiten zu begrenzen und die Gefahr zu vermeiden, weltweit in eine Oligarchie abzurutschen.
Schon seit Jahrhunderten werden große Vermögen geschützt. Seit den 1980er Jahren ist aber ein besonderer Aufschwung zu verzeichnen. Der Umbruch in dieser Branche bestand darin, dass eine besondere Art des Vermögensschutzes in allen Facetten ausgelotet wurde: nämlich die Steuerhinterziehung. Hierzu stehen entweder legale Steuertricks zu Verfügung – wie etwa Steuerschlupflöcher — und auch andere, illegale – wie undeklarierte Offshore-Konten — oder aber Methoden, die sich einer großen Grauzone befinden und manchmal illegal sind und manchmal nicht; oft kann man das gar nicht so genau sagen.
Die Enthüllungen der Panama Papers haben die Welt in Aufruhr versetzt, denn sie legen schonungslos diese Strategien offen. Und dies zu einer Zeit, in der die Ungleichheit wächst und das Wachstum schrumpft. Die Enthüllungen zeigen, dass nur eine kleine Elite Zugang zu ausgeklügelten, vielseitigen und immer umfangreicheren Mitteln hat, ihr Kapital zu vermehren und gleichzeitig Steuern zu vermeiden, während die große Mehrheit der Bevölkerung hohe Steuerabgaben leisten muss. Sie brachten die unerbittliche Mechanik der oligarchischen Gesellschaft ans Tageslicht, die auf der Verteidigung des geschaffenen Reichtums basiert, wie von Jeffrey Winters in seinem Meisterwerk Oligarchy untersucht wurde.
Den Offshore-Finanzplätzen vertrauen?
Aber es gibt einen noch größeren Anlass zur Besorgnis. Im Herzen der Finanzregulierung liegt eine grundlegende, wenn auch etwas uneindeutige Unterscheidung zwischen legalen Vermögen und solchen, die es nicht sind. Die Vorschriften zur Vermeidung von Geldwäsche verlangen von Finanzinstituten, dass sie die Identität ihrer Kunden feststellen. Sie untersagen ihnen, das Geld von Drogenhändlern, Kriminellen, korrupten Beamten und Geldwäschern gewinnbringend anzulegen.
Das Panama-Leak enthüllt, dass sich eine beispiellose Anzahl von in den Steuerparadiesen niedergelassenenen Institutionen kaum um diese Unterscheidung kümmern: Ihnen ist jeder Kunde recht. Mossack Fonseca kannte 2015 von 14.086 von ihnen in den Seychellen gegründeten Scheinfirmen nur in 204 Fällen den tatsächlichen Eigentümer.
Mit anderen Worten: nicht nur ist eine kleine Elite in der Lage, ihren Reichtum durch Steuerflucht zu vermehren, sondern zusätzlich ist durch nichts garantiert, dass sie in irgendeiner Weise legitimiert ist. Man kann dieser Vermögensschutz-Branche kaum vertrauen, dass sie zu Beginn ihrer Kundenbeziehungen diese Unterscheidung macht.
Es ist höchste Zeit, die Konsequenzen zu ziehen. Seit der Gründung der Arbeitsgruppe Financial Action Task Force (FATF) 1989 hat der Kampf gegen Geldwäscherei darin bestanden, Regeln zu schaffen, sicherzustellen, dass ihr möglichst viele Staaten beitreten und von Zeit zu Zeit einige Inspektoren zu entsenden. Die Anti-Geldwäsche-Vorschriften und -systeme wurden mit der Zeit sehr perfektioniert; die jüngsten Enthüllungen zeigen jedoch, dass die grundlegenden Regeln — die Identifizierung der wirtschaftlichen Eigentümer und insbesondere von politisch exponierten Personen — weiterhin regelmäßig verletzt werden.
So notwendig er auch sein mag, so reicht der Ansatz , den Offshore-Finanzplätzen dahingehend zu vertrauen, dass sie das Gesetz auch umsetzen, nicht aus. Es ist für die Finanzplätze einfach zu lukrativ, Betrüger und Geldwäscher zu unterstützen, und sie haben ohne konkrete internationale Sanktionen zu wenig zu verlieren.
Ein neuer Ansatz
Ein neuer, ergänzender Ansatz ist erforderlich. Es ist allgemein bekannt, dass Panama, die Britischen Jungferninseln, die Kaiman-Inseln und andere Hunderttausende von Briefkastenfirmen beherbergen. Warum akzeptiert man, dass eine derart entwickelte Finanzindustrie auf den Britischen Jungferninseln existiert, besonders wenn man weiß, dass sie zumindest teilweise für kriminelle Zwecke benutzt wird? Die Vereinigten Staaten und die Europäische Union müssten sofort Sanktionen gegen diese Gebiete verhängen, und diese solange aufrecht erhalten, bis diese Gebiete nachweisen können, dass sie die tatsächlichen Eigentümer aller dieser Scheinfirmen, die sie beherbergen, korrekt identifiziert haben.
Wenn man eines aus der Finanzkrise und den wiederholten Skandalen lernen kann, dann ist es, dass ein Teil der Finanzakteure kaum Skrupel haben, gegen das Gesetz zu verstoßen, wenn man damit genug Geld verdienen kann. Ein auf Sanktionen basierender Ansatz könnte das Verhalten von Grund auf ändern, indem Betrug und Geldwäscherei kostspieliger werden, als sie es heute sind.
Schließlich befindet sich der Reichtum der Scheinfirmen nicht in Panama oder auf den Jungferninseln: er wird in Londoner und New Yorker Immobilien, in französische Aktien oder deutsche Anleihen investiert. Eine der wichtigen Herausforderungen der Finanzregulierung und des Kampfs gegen Ungleichheiten besteht darin, die tatsächlichen Begünstigten dieser Reichtümer zu identifizieren.
Zwei Ansätze sind hier möglich: Europa und die Vereinigten Staaten können die Schweizer Banken, die Luxemburger Investmentfonds oder die Gründer von Scheinfirmen in Panama höflich bitten, ihnen diese Informationen zur Verfügung zu stellen. In diesem Sinne werden unter der Federführung von OECD und G20 derzeit Bemühungen unternommenen, um ein globales Informationsaustauschsystem für das Bankenwesen einzuführen. Manche Finanzakteure kommen ihren Verpflichtungen sehr wohl nach; andere, im Lichte der jüngsten Skandale, nicht oder nur schlecht.
Ein europäisches Finanzregister
Es gibt aber noch einen anderen Ansatz: Europa und die Vereinigten Staaten könnten selbst versuchen, herauszufinden, wer diese Reichtümer besitzt, die sich auf ihrem Territorium befinden — die Gebäude in Manhattan und in Chelsea, die an der Pariser Börse gehandelten Aktien und die deutschen Anleihen. Konkret besteht dieser Ansatz darin, Liegenschafts- und Finanznachweise zu erstellen, die die wirtschaftlichen Eigentümer der Gebäude, der Grundstücke und der europäischen und amerikanischen Finanztitel listet. Diese Registerauszüge würden von aktuellen Immobilienkatastern ausgehen und sich auf Aktien, Anleihen und auf Anteile in Investmentfonds ausweiten; sie könnten die finanzielle Intermediärkette bis zu den tatsächlichen Eigentümern zurückverfolgen.
Solche Register kämen nicht nur unserer Wirtschaft zugute, sondern noch mehr den Entwicklungsländern, die zurzeit nicht in der Lage sind, die verschleierten Reichtümer ihrer Eliten in den westlichen Ländern in Erfahrung zu bringen — was sich in der nahen Zukunft auch nicht ändern wird, denn für sie steht ein automatischer Informationsaustausch im Bankenwesen kaum zur Debatte. Ein europäisches und amerikanisches Finanzregister wäre ein globales öffentliches Gut. Hierum geht es in erster Linie beim Kampf um finanzielle Transparenz.
Dieser Artikel wurde für diesen Blog aus dem Französischen übersetzt.