Ist Wohnraum nur für Mieter:innen teuer? Zusammen­hänge zwischen Einkom­men, Ver­mögen und Wohn­kosten in Öster­reich

06. August 2024

Ob Mietpreisbremse, Leerstandsabgabe oder die Vergabe von Immobilienkrediten – das Thema Wohnen ist in aller Munde und stellt viele Menschen in Österreich vor große Herausforderungen. Zeit, einmal genauer hinzusehen: Wie wohnen die Menschen in Österreich? Wer wohnt zur Miete, wer im Eigentum? Was bedeutet das für die Wohnkosten? Und wer profitiert von den hohen Mieten?

In der Studie „Lebensbedingungen, Armut und soziale Ausgrenzung“, die im Sozialbericht des Bundesministeriums für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz erschienen ist, werden verschiedene Aspekte der Lebensbedingungen in Österreich beleuchtet, etwa Erwerbsarbeit, Bildung oder Gesundheit. Auch die Entwicklung der Wohnverhältnisse nimmt die Studie genauer in den Blick. Dabei zeigt sich: Österreich ist ein Land der Mieter:innen. Innerhalb der EU war der Anteil der Menschen, die zur Miete leben, im Jahr 2022, dem Berichtsjahr der Studie, nur in Deutschland (54 Prozent) höher als in Österreich (49 Prozent). Die andere Hälfte der Bevölkerung wohnt im Eigenheim. Dabei zeigen sich erhebliche Unterschiede zwischen den verschiedenen Einkommensgruppen.

Armutsgefährdete Haushalte wohnen immer seltener im Eigentum

Während Personen mit hohem Einkommen (mehr als 180 Prozent des Medians des Jahresnettoeinkommens bzw. mehr als 50.119 Euro netto pro Jahr) zum größten Teil im Eigentum leben, wohnen über zwei Drittel der Armutsgefährdeten (Jahresnettoeinkommen geringer als 60 Prozent des Medians bzw. geringer als 16.706 Euro netto pro Jahr) zur Miete.

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Insgesamt ist die Zahl der in Eigentum lebenden Menschen seit 2008 von 58 Prozent auf 51 Prozent zurückgegangen. Grund dafür sind Veränderungen bei den niedrigen und mittleren Einkommensgruppen. In der niedrigen Einkommensgruppe (Armutsgefährdete) hat sich der Eigentumsanteil von 33 Prozent im Jahr 2008 auf 23 Prozent im Jahr 2022 verringert. Auch für die mittlere Einkommensgruppe lässt sich eine Verringerung des Eigentumsanteils feststellen, nämlich von 61 Prozent auf 55 Prozent. In der hohen Einkommensgruppe ist der Eigentumsanteil hingegen weitgehend gleich geblieben.

Mieter:innen haben deutlich höhere Wohnkosten

Die wachsende Vermögenskonzentration stellt für Haushalte mit niedrigem und mittlerem Einkommen eine deutliche Verschlechterung dar, denn das Rechtsverhältnis – Miete oder Eigentum – bestimmt die Wohnkosten.

Laut Wohnpublikation der Statistik Austria beliefen sich im Jahr 2022 die monatlichen Wohnkosten (d. h. Mieten, Energie, Betriebskosten, Zinszahlungen für Wohnkredite und Instandhaltungskosten) für Haushalte in Haus- bzw. Wohnungseigentum im Schnitt auf 3,50 Euro bzw. 6,30 Euro pro m². Für Haushalte, die am privaten Wohnungsmarkt zur Miete wohnen, waren die Wohnkosten doppelt so hoch, nämlich 12,10 Euro pro m². Auch Mieter:innen, die in Genossenschafts- oder Gemeindewohnungen lebten, zahlten mit monatlich 10,20 Euro pro m² bzw. 9,60 Euro pro m² deutlich mehr als Eigentümer:innen.


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Wer sind die Immobilieneigentümer:innen?

Einen anderen Blickwinkel nimmt die Studie „Privateigentum und Ressourcennutzung: Wege zu einer egalitären Gesellschaft in Österreich“ ein, die sich mit der Verteilung von Einkommen und Vermögen befasst und ebenfalls im Sozialbericht 2024 veröffentlicht wurde.

Die vielzitierten „kleinen Häuslbauer:innen“ gibt es der Studie zufolge nicht. Die Eigentümer:innen von Immobilien repräsentieren demnach nicht die Mitte der Gesellschaft, sondern sind fast ausschließlich in der oberen Hälfte der Einkommens- und Vermögensverteilung zu finden. Während das durchschnittliche Nettovermögen von Mieter:innen 57.000 Euro beträgt, ist jenes von Immobilieneigentümer:innen mit 463.000 Euro in etwa achtmal so hoch. Darüber hinaus betonen die Autoren die Mietersparnis, die der Hauptwohnsitz im Eigentum mit sich bringt.

Nur die reichsten Eigentümer:innen vermieten auch

Auch unter den Immobilieneigentümer:innen sind die Vermögenswerte höchst ungleich verteilt. Immobilienbesitz erfüllt für die meisten Menschen den Zweck, selbst darin zu wohnen. Nur relativ wenige Haushalte mit relativ großem Vermögen besitzen weitere Immobilien, die sie nicht zur Erfüllung ihres Wohnbedarfs benötigen. Aus der Studie geht hervor, dass die wohlhabendsten 10 Prozent der Bevölkerung über 78 Prozent des Immobilienbesitzes verfügen, der über den eigenen Wohnsitz hinausgeht – also über Immobilien, die vermietet werden könnten.

Dementsprechend ungleich verteilt sind auch die Mieteinnahmen aus privater Vermietung: Einer Analyse des Momentum Instituts zufolge erzielen die unteren 80 Prozent der Haushalte (nach Einkommen) zusammen 46 Millionen Euro pro Monat an Mieteinnahmen. Demgegenüber erhalten die reichsten 20 Prozent 248 Millionen Euro pro Monat. Somit gehen acht von zehn Miet-Euro an das reichste Einkommensfünftel der Haushalte.

Lösungen sollten bei den Mieten ansetzen

Mieter:innen-Haushalte haben höhere Wohnkosten zu stemmen und verfügen über deutlich geringere Vermögen als Haushalte, die im Eigentum wohnen. Zusätzliche Förderungen zum Erwerb von Wohneigentum stellen jedoch keine brauchbare Lösung dar, um leistbares Wohnen für alle Menschen in Österreich sicherzustellen.

Solche Maßnahmen sind kostspielig und weder gesellschafts- noch wirtschaftspolitisch erstrebenswert. Insbesondere sind sie sozial wenig treffsicher, da sie nur von Personen in Anspruch genommen werden können, die zumindest über gewisse Eigenmittel verfügen. In vielen Mieter:innenhaushalten sind die finanziellen Spielräume so gering, dass diese nicht die Möglichkeit haben, das für eine Kreditaufnahme notwendige Eigenkapital aufzubauen, geschweige denn eine Immobilie zu erwerben. Zu betonen ist in diesem Zusammenhang, dass eine weitere Lockerung der 2022 eingeführten strengeren Vergabestandards für Wohnkredite erhebliche systemische Risiken mit sich bringen würde (Stichwort: Blasenbildung am Immobilienmarkt).

Auch eine verpflichtende Kaufoption für Genossenschaftswohnungen hätte langfristig gravierende Folgen für den Wohnungsmarkt und würde strukturelle Verschlechterungen für breite Bevölkerungsgruppen bedeuten. Eine Verknappung des gemeinnützigen Mietwohnungsangebots könnte zu Mietpreissteigerungen für Mieter:innen führen, während vor allem wohlhabende Haushalte profitieren. Der gemeinnützige Wohnungsbestand bringt nämlich nicht nur für jene, die in einer Genossenschaftswohnung wohnen, günstigen Wohnraum, sondern wirkt preisdämpfend auf den gesamten Markt.

Klar ist: Die unteren und mittleren Einkommensgruppen sind auf leistbare Mieten angewiesen. Ob die neu geschaffene Möglichkeit der Einhebung einer Leerstandsabgabe durch die Bundesländer regional mehr Wohnraum bereitstellen kann, wird sich zeigen. Darüber hinaus könnte die Förderung des Baus neuer kommunaler, gemeinnütziger Mietwohnungen, die Wiedereinführung der Zweckbindung der Wohnbauförderungsmittel oder auch eine Ausweitung des Vollanwendungsbereichs des Mietrechtsgesetzes (und eine dynamische Definition des „Altbau“-Begriffs) zur Deckung des Bedarfs an leistbarem Wohnraum für die unteren und mittleren Einkommensgruppen beitragen.

Die beiden Studien sind in den sozialpolitischen Analysen des Sozialberichts 2024 erschienen (Band II). Dieser seit 1967 erscheinende Bericht ist seither zu einer der wichtigsten Publikationen des Sozialministeriums geworden. Er nimmt seit Langem einen festen Platz in der öffentlichen Auseinandersetzung zum Thema Sozialpolitik ein und trägt zum wissenschaftlichen Diskurs in Österreich bei. Die Ergebnisse wurden am 9. April 2024 dem Parlament vorgelegt und werden dort diskutiert.

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