Vermögen in Österreich: stark konzen­triert, gering be­steuert

04. November 2024

Zwei neue Studien zu Vermögensungleichheit zeigen, dass eine Besteuerung von privaten Vermögen und Erbschaften substanzielle Einnahmen erbringen könnte. Dadurch ließe sich der politische Handlungsspielraum für notwendige Zukunftsinvestitionen, etwa in den Klimaschutz, erweitern. Ob eine solche Vermögensbesteuerung die Vermögenskonzentration effektiv reduziert, hängt jedoch davon ab, wie progressiv die Steuer ausgestaltet wird. Das Einnahmenpotenzial einer Erbschaftssteuer ist deutlich geringer, auch hier hängt die Verteilungswirkung von der konkreten Ausgestaltung der Steuer ab.

Vermögen ist in Österreich besonders ungleich verteilt

Die Einführung des Eurosystem Household Finance and Consumption Survey (HFCS) durch die Europäische Zentralbank vor einem knappen Jahrzehnt hat Studien zu Vermögen in der Eurozone wesentlich erleichtert. Seither liegen in regelmäßigen Abständen standardisierte, europaweit verfügbare Befragungsdaten zu privatem Vermögen vor.

In einer aktuellen Studie nutzen wir die neuesten Daten dieses Surveys, um die Vermögensverteilung in Österreich detailliert zu analysieren. Trotz des immensen Informationsgehalts im HFCS-Datensatz besteht bei der Erfassung von Vermögen die Gefahr struktureller Verzerrungen. Einerseits ist die starke Konzentration am oberen Rand mittels Befragungen grundsätzlich schwer zu erfassen, andererseits nehmen insbesondere reichere Haushalte seltener an der Befragung teil. Beides führt zu einer Unterschätzung des Vermögens an der Spitze. Um diesem Problem zu begegnen, erweitern wir die HFCS-Daten mit der Reichenliste, die jährlich im Magazin „Trend“ veröffentlicht wird, mithilfe einer statistischen Rangkorrektur.

Unserer Schätzung zufolge liegt das Gesamtvermögen der österreichischen Haushalte bei 1,8 Billionen Euro – und damit wesentlich höher als in der Rohversion des HFCS-Datensatzes, wo das Gesamtvermögen 1,2 Billionen Euro beträgt. Korrespondierend dazu steigt auch die geschätzte Vermögenskonzentration: Während das reichste Prozent unserer Schätzung zufolge 41 Prozent des Gesamtvermögens besitzt, besitzen die unteren 50 Prozent nur 3 Prozent des österreichischen Vermögens.

Vermögenssteuern als Gestaltungsoption?

Die starke Konzentration privater Vermögen in Österreich ist auch ein wesentlicher Faktor in laufenden politischen Debatten über die Sinnhaftigkeit von Vermögenssteuern in Österreich. Eine Vermögenssteuer könnte nicht zuletzt für mehr Steuergerechtigkeit sorgen, da sie dem grundlegenden Prinzip der steuerlichen Leistungsfähigkeit Rechnung trägt und – bei entsprechend progressiver Ausgestaltung – auch dazu beitragen kann, einen weiteren Anstieg in der Vermögenskonzentration zu verhindern oder zumindest zu verlangsamen.

Anhand unserer adaptierten Daten schätzen wir unterschiedliche Vermögenssteuermodelle. Grundsätzlich gilt: Je progressiver die Tarifgestaltung ist, desto höher sind die zusätzlichen Steuereinnahmen. Mit Blick auf derzeit öffentlich diskutierte Modelle, die zumeist eine Freibetragsgrenze von einer Million Euro und Steuersätze zwischen 0,5 und 2 Prozent vorsehen, ergibt sich nach unseren Berechnungen ein mögliches Aufkommensvolumen von 6 bis 8 Milliarden Euro. Bei einer ambitionierten Gestaltung des Steuertarifs sind freilich auch höhere Aufkommen denkbar. Die Effizienz einer solchen Steuer hängt dabei von der konkreten Ausgestaltung ab, die Möglichkeiten zur Steuerhinterziehung und Steuerumgehung beeinflusst. Um das Einnahmenpotenzial bestmöglich auszuschöpfen, sind bei der Gestaltung von Vermögenssteuern vor allem drei Punkte wichtig: eine breite Definition der Bemessungsgrundlage, konzise Bewertungsmethoden für einzelne Vermögensbestandteile und die Vermeidung von Schlupflöchern, etwa durch die Erfassung von Auslandsvermögen und die Einführung einer Exit-Steuer. Auf einer solchen Basis ließe sich die Erhebung mittels stichprobenartig zu kontrollierenden Selbstauskünften durchführen.

Steigende Bedeutung von Erbschaften und die Rolle von Erbschaftssteuern

Das Aufkommenspotenzial von Erbschaftssteuern ist deutlich geringer als jenes der Vermögenssteuer. Das liegt auch daran, dass in jedem Jahr nur ein Teil des Vermögensbestandes, der von einer Vermögensbesteuerung umfasst wäre, an die nächste Generation weitergegeben wird. Für ein ähnliches Aufkommen müssten die Steuersätze der Erbschaftssteuer deutlich höher und die Freibeträge sehr viel niedriger sein. Während ältere Studien keinen Rückgang der Vermögenskonzentration aufgrund der Erbschaftssteuer fanden, verweisen jüngere Studien auf eine langfristig dämpfende Wirkung auf die Ungleichheit bei den Vermögen.

Es ist evident, dass es in den nächsten Jahrzehnten aufgrund demografischer Entwicklungen zu einem massiven Anstieg des Erbvolumens kommen wird. Gleichzeitig wird das Erben oder Nicht-Erben zunehmend zur sozialen und ökonomischen Trennlinie – ganz abgesehen von der kleinen Gruppe der Nachfolger:innen dynastischer Vermögen in Höhe von mehreren (hundert) Millionen Euro. Auch aufgrund der steigenden gesamtwirtschaftlichen Bedeutung sind Erbschaften als Besteuerungsbasis von immer größerem Interesse (siehe dazu Berichte der OECD und der Europäischen Kommission). Die Polarisierung zwischen Nicht-Erb:innen und Erb:innen verleiht der Besteuerung von Erbschaften zusätzliche wirtschaftspolitische Relevanz.

Im Rahmen eines Projektes über die Verteilung von Erbschaften haben wir Daten zum Nachlassvermögen und Erbschaftsgeschehen auf Basis von Wiener Verlassenschaftsakten erfasst und systematisiert. In Befragungsdaten sind die tatsächlichen Erbschaften um bis zu 80 Prozent unterschätzt, weshalb die neue Studie auf vorhandene Verwaltungsdaten zurückgreift. Im Zuge eines Verlassenschaftsverfahrens wird die Vermögenssituation der Verstorbenen erfasst, wodurch Daten über die zum Todeszeitpunkt vorhandenen Vermögenswerte entstehen. Wenn Eigentümer:innen von Immobilien oder Unternehmen versterben oder der Saldo von Vermögen und Schulden (inklusive Kosten für das Begräbnis) über der Bagatellgrenze von 5.000 Euro liegt, sind die dabei entstehenden Daten besonders detailreich.

Wenig überraschend ist die Konzentration von Nachlassvermögen und Erbschaften in Wien sehr hoch. In unserer geschichteten Stichprobe aus Wiener Verlassenschaftsverfahren entfallen rund 40 Prozent des Verlassenschaftsvermögens auf das reichste Prozent der Verstorbenen. Wenn man alle Verlassenschaftsfälle nach Vermögenshöhe ordnet, in hundert gleich große Gruppen einteilt und das durchschnittliche Vermögen pro Gruppe darstellt, ergibt sich die untenstehende Grafik. Diese zeigt, dass die Hälfte der Verlassenschaften keine nennenswerten Vermögenswerte aufweist, während die durchschnittlichen Vermögen am oberen Ende der Verteilung mehrere Millionen Euro erreichen. Doch dieser Durchschnitt ist täuschend, da die Variation innerhalb des obersten Prozents besonders hoch ist. Entscheidend ist, dass dieses Muster nicht durch Altersunterschiede bedingt ist; alle Altersgruppen sind entlang der Nachlassverteilung ähnlich repräsentiert.


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Zusätzlich ist ein zentrales Fazit unserer Studie, dass der administrative Aufwand für die Erhebung einer Erbschaftssteuer im Verhältnis zum erzielten Steueraufkommen gering wäre. Mit dem bestehenden Verlassenschaftsverfahren liegt bereits eine administrative Grundlage vor, auf deren Basis Nachlässe und Erbschaften erfasst und bewertet werden. Eine Erbschaftssteuer könnte an dieses Verfahren angeknüpft werden, die Umsetzung wäre rasch möglich.

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