Vermögen ist in Österreich enorm stark in den Händen weniger Personen und Familien konzentriert. Wie hier rechtliche Rahmenbedingungen und Graubereiche ausgereizt werden und warum Superreichtum ein großes gesellschaftliches Problem darstellt, zeigt eine neue Studie zu den Netzwerken der Superreichen in Österreich.
Die zunehmende Konzentration von Einkommen und Vermögen auf nationaler und internationaler Ebene ist angesichts der damit verbundenen gesellschaftlichen Herausforderungen (z. B. die sozialen und ökologischen Auswirkungen von Ungleichheit) ein drängendes gesellschaftspolitisches Problem. Die Vermögenskonzentration unter dem obersten 1 Prozent der Vermögensverteilung ist in Österreich im Vergleich zu anderen OECD-Ländern besonders hoch. Der reichste Haushalt besitzt in etwa so viel wie die „ärmste“ Hälfte Österreichs. Angesichts dieser Relation ist ein besseres Verständnis der strukturellen Dimensionen der Netzwerke unter den Superreichen und der institutionellen Dynamiken der Vermögenskonzentration und -akkumulation entscheidend, um die blinden Flecken in der politischen Ökonomie der Superreichen in Österreich aufzudecken. Allerdings gibt es weiterhin kaum Daten und wenige Studien zu sogenannten „High-net-worth“-(HNW-)Individuen bzw. Familien (einfach ausgedrückt, den Superreichen).
Mit unserer Studie möchten wir einen Beitrag leisten, um diese Wissenslücke zu schließen. Auf Basis eines umfangreichen Datensatzes, der die Unternehmensbeteiligungen der rund 60 reichsten österreichischen Haushalte umfasst, haben wir mittels der Methode der Netzwerkanalyse die Netzwerke von Unternehmensbeteiligungen dieser Superreichen untersucht. Wir heben typische Verbindungsmuster sowie mehrere Besonderheiten der Netzwerke des Überreichtums hervor. Ein zentrales Ergebnis unserer Studie ist, dass zahlreiche Superreichennetzwerke eine Vielzahl unterschiedlicher und spezieller Rechtsformen umfassen, was eine komplexe und undurchsichtige Kontrollstruktur schafft, die die Nachverfolgung wirtschaftlichen Eigentums erschwert.
Superreichtum in Österreich: extrem konzentriert, männlich und untereinander gut vernetzt
Bereits ein erster Blick auf unsere Daten offenbart die großen Unterschiede auch innerhalb der Gruppe der Superreichen Österreichs: Die reichsten fünf Haushalte in unserer Stichprobe besitzen nämlich fast die Hälfte (44 Prozent) des gesamten Vermögens der Stichprobe; der reichste Haushalt darin (die Familie Porsche & Piëch) besitzt wiederum mehr als ein Fünftel (22 Prozent). Weiters finden wir 7,5-mal mehr männliche* als weibliche* Individuen in unserer Stichprobe. Das heißt: Superreichtum in Österreich ist gekennzeichnet durch stark patriarchale Strukturen. Schlussendlich sind die Superreichen Österreichs auch stark untereinander vernetzt: Nur ein Unternehmensnetzwerk von Superreichen wies keine Verbindungen zu den Unternehmensnetzwerken der anderen Superreichen auf.
Strukturen des Superreichtums: dicht verbunden und stark verschachtelt
Ein weiteres zentrales Ergebnis unserer Studie ist die Existenz von dicht verbundenen und stark verschachtelten Unternehmensstrukturen. Durch die Nutzung verschiedener Rechtsformen mit beschränkten Haftungen (GmbH und GmbH & Co KG), oft über verzweigte Strukturen von Holding- und Beteiligungsgesellschaften, Immobiliengesellschaften und Privatstiftungen verbunden, bleiben Vermögens- und Unternehmensbesitzstrukturen oft undurchsichtig, nicht zuletzt für Steuerbehörden. Dies gilt insbesondere für Privatstiftungen. Wie eine Steuerberaterin in einem Artikel über die Vorteile von Privatstiftungen im österreichischen Wirtschaftsmagazin „Trend“ formuliert, ermöglicht die Privatstiftung Unternehmen, „ihre Vermögensverhältnisse vertraulich zu halten und ihre Geschäftsaktivitäten diskret zu gestalten“. Es ist daher bezeichnend, wenn von den schätzungsweise 3.000 in Österreich registrierten Privatstiftungen fast die Hälfte (1.389 Privatstiftungen) in unserer Stichprobe von rund 60 Superreichen-Netzwerken vorkommen. Ebenfalls scheint der Immobiliensektor von zentraler Bedeutung für das Halten und die weitere Akkumulation von Vermögen zu sein. So umfassen fast alle von uns untersuchten Netzwerke einen erheblichen Anteil an Immobiliengesellschaften.
Unsere Netzwerkanalyse zeigt zudem typische Verbindungsbereiche innerhalb und zwischen Superreichen-Netzwerken. Einerseits strategische Partnerschaften (z. B. „Speedinvest“), Vermögensverwaltungsgesellschaften und Think-Tanks. Andererseits fungieren auch Personen als zentrale Knotenpunkte: Diese sind dabei meist nicht selbst „superreich“, sondern agieren als Strohmänner* und Verwalter:innen von Superreichtum, mit Geschäftspositionen in Dutzenden bis Hunderten kleinen Unternehmen.
Hürden bei der Regulierung von Überreichtum: rechtliche Rahmenbedingungen, politische und mediale Macht
Die in vielen Fällen intransparente Struktur von Unternehmensbeteiligungsnetzwerken nutzt bestehende Rechtsrahmen rund um Privatstiftungen und verschachtelte Holding- und Immobiliengesellschaften, die es Superreichen potenziell ermöglichen, ihr Vermögen zu verbergen. Nicht zuletzt die im Abschlussbericht des Cofag-Untersuchungsausschusses offengelegten Vorgänge in verschiedenen Steuerbehörden zeigen, dass politische Gestaltungsrahmen und Regulierungsmöglichkeiten bei Superreichen kaum oder nur unzureichend genutzt und etwa Privatstiftungen äußerst selten steuerlich geprüft wurden oder werden.
In vielen Fällen finden wir politisch exponierte Personen in zentralen Positionen innerhalb und zwischen den Netzwerken von Superreichen. Dies weist auf sogenannte „Drehtüreffekte“ als eine direkte Form politischen Einflusses hin. Auch wir fanden in unserer Stichprobe manche ehemalige Bundeskanzler, ehemalige Minister:innen, Abteilungsleiter:innen in Ministerien und Mitglieder des österreichischen Parlaments. Eine direkte Finanzierung von politischen Parteien durch Superreiche sowie mehrere Verbindungen zu Medienkonzernen können wir in unserer Studie ebenfalls offenlegen. Auch ohne direkten Einfluss auf die Berichterstattung von Medien kann eine stark konzentrierte Eigentümerstruktur im Medienbereich problematische Auswirkungen auf die Meinungsvielfalt haben.
Schließlich fanden wir auch wechselseitige Beziehungen zwischen Superreichen-Netzwerken und neoliberalen Think-Tanks in Österreich. Da die Beeinflussung der öffentlichen Meinung und der politischen Entscheidungsfindung eines der Hauptziele erfolgreicher Think-Tanks ist, bieten Verbindungen zu und die finanzielle Unterstützung von Think-Tanks Superreichen eine Möglichkeit, auf öffentliche Debatten, z. B. über die Frage der Vermögenskonzentration und ihrer gesellschaftlichen Implikationen, Einfluss zu nehmen.
Fazit: Der „Code des Kapitals“ vs. Demokratie
Die gesellschaftlichen Herausforderungen, die durch enorme private Vermögensakkumulation auf der einen Seite sowie die Funktionsweise moderner Demokratien und demokratischer Institutionen auf der anderen Seite entstehen, sind enorm. Während die Aufdeckung mehrerer Korruptionsskandale in den letzten Jahren illegale Praktiken der politischen Einflussnahme und von Steuerbetrug in die öffentliche Debatte gebracht haben, bewegen sich die meisten der verschachtelten Unternehmensbeteiligungsnetzwerke im Rahmen des österreichischen Rechtssystems. Angesichts der ungleichen Machtverhältnisse zwischen spezialisierten Vermögensverwaltungskanzleien und individuellen Vermögensverwalter:innen auf der einen Seite und Steuerverwaltungen und Finanzmarktaufsichtsbehörden auf der anderen Seite dient die fehlende Transparenz innerhalb komplexer Unternehmensstrukturen den selbst erklärten Interessen einer diskreten Vermögensverwaltung. Bereits die amerikanische Rechtswissenschafterin Katharina Pistor stellte fest, dass in vielen Bereichen das Rechtssystem für die Reichen gemacht scheint – also als „Code des Kapitals“ wirkt.
Vor diesem Hintergrund könnte die Analyse der Netzwerke der Superreichen auch von hoher politischer und gesellschaftlicher Relevanz sein. In einer kürzlich erschienenen Studie wurde gezeigt, dass auch die spanische Steuerbehörde Netzwerkanalysen verwendet, um Cluster zu lokalisieren, die ein potenzielles Steuerrisiko darstellen. Daher sammelt sie Steuerdaten von natürlichen Personen, deren Familiennetzwerken und den mit ihnen verbundenen Unternehmensnetzwerken. Auch wenn unsere Netzwerkanalyse nicht auf Steuerdaten basiert, ermöglicht unser Ansatz ähnlich, typische Muster von Unternehmensnetzwerken der Superreichen in Österreich offenzulegen, die in Zukunft möglicherweise auch österreichische Behörden nutzen könnten.
Bei diesem Beitrag handelt es sich um kurz zusammengefasste zentrale Beispiele der Studie „Idiosyncrasies of the superrich: On the political economy of wealth concentration in Austria“ von Stephan Pühringer, Matthias Aistleitner, Lukas Cserjan, Sophie Hieselmayr und Jakob Weber.
Weitere spannende Informationen finden sich auf der interaktiven Homepage „Netzwerke der Superreichen“.