Trotz dieser Studien und der daran anschließenden gesellschaftspolitischen Auseinandersetzungen hat sich an der deutlichen Schieflage in der Vermögensverteilung kaum etwas verändert, wie die jüngst veröffentlichten, neuen Ergebnisse des HFCS zeigen. Der wohl wichtigste Grund hierfür ist in den gegenwärtigen politischen und ökonomischen Machtverhältnissen zu suchen, die – wie unter anderem der renommierte Ökonom Joseph Stiglitz nicht müde wird zu betonen – eine Politik im Interesse der Vermögenden begünstigen.
Von Seiten politischer AkteurInnen wird jedoch häufig auch auf die Einstellungen in der Bevölkerung verwiesen. Diese würden einer progressiven Besteuerung von Erbschaften und Vermögen oft entgegenstehen, da individueller Reichtum (und dessen familiäre Weitergabe) in der Tendenz als gerecht, weil „selbst erwirtschaftet“, erachtet wird.
Reichtum wird ambivalent beurteilt
Im Zuge einer aktuellen Studie sind Hilde Weiss und ich diesem politischen Einwand wissenschaftlich nachgegangen. Anhand von ausgewählten Fragen des HFCS, die nur in Österreich erhoben wurden, gingen wir der Frage nach, welche Einstellungen zu den Entstehungsbedingungen und gesellschaftlichen Folgen von Reichtum in Österreich tatsächlich präsent sind.
Ein besonderes Augenmerk unsere Studie lag auf der Analyse von Unterschieden in den Einstellungen nach soziodemographischen und sozialstrukturellen Merkmalen der Befragten: Glauben jüngere Menschen eher daran, dass man über eigene Leistung reich werden kann als ältere? Sind Personen, die auf der sozialen Leiter weiter unten stehen, dem Reichtum gegenüber kritischer eingestellt als Personen, die weiter oben stehen?
Wie eine vorangegangene Studie bereits zeigte, sind die Einstellungen zu Reichtum und seinen gesellschaftlichen Folgen in Österreich jedoch höchst ambivalent. Zwar wird große Kritik an den gesellschaftlichen Folgen von „zu großem Reichtum“ geübt: Den Aussagen „Zu großer Reichtum einiger weniger führt zu Problemen in der Gesellschaft“ bzw. „Reiche Menschen genießen im Leben Vorteile, die ungerechtfertigt sind“ wird etwa überwiegend zugestimmt.
Die Entstehungsbedingungen von Reichtum werden aber interessanterweise mehrheitlich durch individuelle Fähigkeiten begründet (d.h. „meritokratisch“ legitimiert). Daneben werden im selben Maße auch strukturelle Privilegien in Form von Erben und Netzwerken, also „zugeschriebene“ (herrschafts- und klassenbezogene) Chancen als Erklärung herangezogen.
Ein bisschen Ungleichheit, aber bitte nicht zu viel!
Analytisch betrachtet ist dieser Befund höchst widersprüchlich: Knapp die Hälfte der Befragten argumentiert scheinbar inkonsistent. Das heißt, der Glaube an das Leistungsprinzip als Entstehungsbedingung von Reichtum erscheint ihnen kaum als Widerspruch zur sozialen Problematik „zu großen“ Reichtums in einer Gesellschaft.
„Zu großer Reichtum ist (un-)gerecht“ und „Reich wird man (nicht) durch Leistung“