Die Wirtschaft klagt permanent über Fachkräftemangel. Trotzdem sinkt die Ausbildungsbereitschaft der österreichischen Betriebe seit langer Zeit. Es ist vor allem der öffentlichen Investition in die überbetriebliche Ausbildung zu verdanken, dass Jugendliche – gerade in Zeiten der Krise – eine Berufsausbildung abschließen können.
Die österreichische Lehrausbildung ist dual aufgebaut. Um berufsspezifische praktische Fertigkeiten und theoretische Fachkenntnisse bestmöglich zu vermitteln, werden die Lehrlinge an zwei Lernorten ausgebildet – in einem anerkannten Ausbildungsbetrieb und in der Berufsschule (ca. im Verhältnis 80:20). In regelmäßigen Abständen bekunden Arbeitgeberverbände öffentlichkeitswirksam ihre Sympathien für das duale Ausbildungssystem. Dem entgegenlaufend ist der Lehrstellenmarkt jedoch seit Langem durch einen deutlichen Rückgang der Ausbildungsbereitschaft gekennzeichnet. Die Zahl der Lehrverträge im ersten Lehrjahr ist allein zwischen 2008 und 2014 um ca 8.700 Lehrlinge, also fast ein Viertel (23%) zurückgegangen – trotz flächendeckender Basisförderung und zahlreicher ergänzender Förderungen für Ausbildungsbetriebe.
Der demografische Wandel und eine – nicht zuletzt aufgrund der stark schwankenden Ausbildungsqualität der Lehrbetriebe – zunehmende Präferenz der Jugendlichen und deren Eltern für vollschulische Ausbildungen haben dazu beigetragen, dass die Zahl der LehranfängerInnen kontinuierlich abnimmt. Dennoch wird es für interessierte Jugendliche immer schwieriger, einen betrieblichen Ausbildungsplatz zu finden.
Schon Ende der 1990er Jahre wurden angesichts der stetig steigenden Anzahl Lehrstellensuchender ohne Ausbildungsplatz erste überbetriebliche Ausbildungsangebote eingerichtet. Ziel dieser Angebote war es, die teilnehmenden Jugendlichen beim Umstieg in ein betriebliches Ausbildungsverhältnis und in Folge bei der Erlangung eines Lehrabschlusses zu unterstützen.
Im Jahr 2008 wurde eine staatliche Ausbildungsgarantie für Jugendliche bis 18 Jahre geschaffen. Diese umfasst ein Bündel unterschiedlicher Angebote, die Jugendliche dabei unterstützen sollen, (schwierige) Übergänge leichter zu meistern und einen Berufsabschluss zu erlangen. Herzstück der Ausbildungsgarantie ist die überbetriebliche Lehrlingsausbildung (ÜBA), die sich an alle beim Arbeitsmarktservice (AMS) vorgemerkten Lehrstellensuchenden richtet, welche ihre Schulpflicht absolviert haben und trotz Suche keinen betrieblichen Lehrplatz finden.
Das Angebot der überbetrieblichen Lehrlingsausbildung (ÜBA) soll Jugendlichen entweder eine betriebliche Lehrstelle vermitteln oder ihnen im Rahmen einer ÜBA-Einrichtung eine Ausbildung zur Facharbeiterin/zum Facharbeiter ermöglichen. Ebenfalls im Rahmen der ÜBA wird auch die sogenannte Integrative Berufsausbildung (IBA) angeboten, die Jugendlichen den Zugang zu einer Teilqualifizierung oder einer verlängerten Lehrzeit eröffnet.
Überbetriebliche Ausbildung bringt dem Staat mehr Geld als sie kostet
Das österreichische Modell der dualen Ausbildung bzw. der Ausbildungsgarantie ist mittlerweile zu einem international diskutierten good practice-Beispiel avanciert. Trotz dieser Entwicklung lagen zur volkswirtschaftlichen und gesellschaftlichen Nachhaltigkeit dieser investiven Maßnahme bislang keine detaillierteren Forschungen vor. Im Rahmen von Modellberechnungen wurde nun versucht, diese Lücke zu schließen und, basierend auf Durchschnittswerten, realistische Entwicklungsszenarien über die volkswirtschaftlichen Auswirkungen der österreichischen Ausbildungsgarantie in Form der überbetrieblichen Ausbildung zu zeichnen. Dabei ist vorauszuschicken, dass die Berechnungen nur jene positiven monetären Effekte abbilden, die auf Basis des gegenwärtig vorhandenen Datenmaterials ermittelt werden konnten. Obwohl sämtliche Annahmen bewusst niedrig angesetzt wurden, konnte durch diese Berechnung nachgewiesen werden, dass sich Investitionen in die Berufsausbildung – neben ihren bekannten positiven gesellschaftlichen und sozialen Effekten – auch monetär rentieren.
Basierend auf statistischem Material von Arbeitsmarktservice und Sozialministerium wurde zunächst ermittelt, wie viele Jugendliche zwischen 2014 und 2024 eine überbetriebliche Ausbildung für einen begrenzten Zeitraum besuchen oder absolvieren werden. Unter Berücksichtigung dieser empirischen Datenlage sowie individueller und arbeitsmarktbezogener Faktoren wurden die möglichen Beschäftigungswege identifiziert: Hilfstätigkeit, Facharbeit oder Arbeitslosigkeit. Aufbauend darauf wurde berechnet, welche Gesamteinkommen die ehemaligen TeilnehmerInnen oder AbsolventInnen der überbetrieblichen Ausbildung zwischen 2014 und 2024 erwirtschaften – und welche Abgabenleistungen daraus resultieren. Diese Investition hat auch direkte Beschäftigungseffekte, so arbeiten in der überbetrieblichen Ausbildung derzeit etwa 650 AusbildnerInnen und 70 Administrativkräfte (ihre Zahl wird ab 2016 etwas sinken).
Die Rückflüsse aus den gesamten Abgabenleistungen (TeilnehmerInnen/AbsolventInnen der überbetrieblichen Ausbildung plus Ausbildungskräfte) wurden den Kosten für die Ausbildungsgarantie gegenübergestellt. Das überraschend positive Ergebnis: Im Idealfall liegt die Höhe der Rückflüsse bereits nach fünf Jahren über der Höhe der Kosten. Selbst in einem pessimistischen Szenario rechnet sich die überbetriebliche Ausbildung, wenn auch erst nach sieben Jahren.