Gestern wurde das neue Langfristgutachten der Alterssicherungskommission (ASK) zu den Pensionen mit den 10 Regierungs- und ÖVP-nahen Stimmen angenommen. Auch wenn die zentralen Ergebnisse neuerlich als klare Entwarnung gelesen werden können, liefert das Gutachten vorprogrammiert auch Material für Alarmismus, denn die Arbeit der ASK beruht nach wie vor auf dem abwegigen „Schüssel-Pfad“, der die drastische Schwächung des öffentlichen Pensionssystems zugunsten privater, finanzmarktbasierter Vorsorge zum Ziel hatte. Obwohl diese Politik bekanntlich längst abgewählt wurde, hat die Kommission auch gut eineinhalb Jahrzehnte danach immer noch Abweichungen von diesen Zielvorgaben und einen sich daraus ergebenden „Handlungsbedarf“ festzustellen, ein österreichischer Anachronismus.
Im Jahr 2000 wurde die „Kommission zur langfristigen Pensionssicherung“ unter der damaligen schwarz- blauen Regierung Schüssel eingerichtet. 2017 wurde sie durch die Alterssicherungskommission (ASK) ersetzt.
Der gesetzliche Auftrag in Bezug auf die langfristigen Finanzierungsperspektiven und die zentralen Bewertungsgrundlagen hierfür blieben jedoch de facto unverändert. Demnach hat die Kommission in ihrem Langfristgutachten (bis 2050) weiterhin Abweichungen von einem 2003/2004 politisch festgelegten Referenzpfad („Schüssel-Pfad“) festzustellen und „Mehraufwendungen“ gleichmäßig auf die Parameter Beitragssatz, Kontoprozentsatz, Anfallsalter, Pensionsanpassung und Bundesbeitrag aufzuteilen. Diese rein mechanistische Vorgabe ignoriert nicht nur völlig die Ursachen möglicher „Abweichungen“, etwa die massiven Auswirkungen der Pandemie, sondern auch die je nach „Parameter“ höchst unterschiedlichen zeitlichen Wirkungsketten und erweist sich dadurch als ohnehin nicht vollziehbar. Vor allem aber wird durch den gesetzlich vorgegebenen „Schüssel-Pfad“ weiterhin eine politisch längst abgewählte Zielsetzung – die drastische Kürzung der öffentlichen Pensionen – als Maßstab für die Arbeit der Kommission vorgegeben.
Abgesehen von inhaltlichen Schwächen – aufgrund deutlich zu pessimistischen Annahmen weicht etwa die Entwicklung des realen Bruttoinlandsprodukts bereits 2026 um sechs Prozentpunkte vom Wert der aktuellen WIFO- Mittelfristprognose (und um knapp fünf Prozentpunkte von jenem des zeitgleich erschienen Mittelfristgutachtens) nach unten ab – basiert das aktuelle Langfristgutachten somit auf einem massiven, bis dato nicht korrigierten Konstruktionsfehler in der Rechtsgrundlage.
Die Umsetzung des Schüssel-Pfades würde Altersarmut statt sicherer Pensionen bedeuten
Ein Pensionssystem hat zuallererst eine Aufgabe: eine gute und verlässliche Absicherung im Alter und damit ein Leben in Würde für die älteren Menschen in unserer Gesellschaft zu gewährleisten und das auch unter sich demografisch bedingt erschwerenden Rahmenbedingungen. Die „finanzielle Nachhaltigkeit“ ist dabei insofern natürlich von Bedeutung, als die Verlässlichkeit der in Aussicht gestellten Leistungen voraussetzt, dass sich deren künftige Finanzierung auch darstellen lässt. „Finanzielle Nachhaltigkeit“ bedeutet dabei nichts Anderes als dass heutige Leistungsversprechen in Zukunft auch eingelöst, d. h. finanziert werden können. Dabei geht es in erster Linie natürlich um eine gesellschaftspolitische Frage.
Angesichts der demografischen Entwicklung sollte man meinen, dass es – wenn man das Schlagwort der Generationengerechtigkeit ernst nimmt – eigentlich auf der Hand liegt, dass für die anteilsmäßig deutlich wachsende Bevölkerungsgruppe der Älteren zukünftig zumindest auch ein etwas größeres Stück des (wachsenden) Gesamtkuchens reserviert werden sollte, um auch den heute Jüngeren gute Sicherungsniveaus gewährleisten zu können und steigende Altersarmut zu vermeiden. Jeden auch noch so moderaten Anstieg öffentlicher Pensionsausgaben als Ausdruck „mangelnder finanzieller Nachhaltigkeit“ zu diskreditieren, hat jedenfalls keine sachliche Begründung, sondern belegt vielmehr eine politische Werthaltung, die angesichts des Ausmaßes der demografischen Verschiebungen nur als widersinnig bezeichnet werden kann.