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Fallen Jugendliche einmal aus dem System „Schule oder Ausbildung“ heraus, bedarf es enormer Unterstützungsleistungen, um sie wieder in Bildung oder Beschäftigung zu integrieren.
Hohe Anforderungen des Berufslebens stehen heute einer durch Krisen gebeutelten Jugend gegenüber. Während der Corona-Pandemie stieg die Jugendarbeitslosigkeit in ganz Europa an. Gerade war die Pandemie überstanden, prasselten neue Krisen auf die Jugendlichen ein. Internationale Konflikte, Teuerungen und die steigende Inflation begleiten junge Menschen und prägen ihre Entwicklung. Mängel im Schulsystem, in der Ausbildungsqualität und den Arbeitsbedingungen sowie Berichte von Ausgrenzung und Gewalt in der Lehrausbildung tragen ferner zur prekären Arbeitsmarktsituation der Jugendlichen bei.
Jugendarbeitslosigkeit & „Hard Politics“
Auf nationalstaatlicher Ebene gibt es Unterstützungsangebote für von Arbeitslosigkeit gefährdete und betroffene Jugendliche. Die Gesetzgebung ist oft unzureichend und greift zu kurz, um den multiplen Problemen zu begegnen, vor denen Jugendliche am Übergang von der Schule in die Arbeitswelt stehen. Die Förderungen unterliegen der Entscheidungskompetenz und den Machtverhältnissen der aktuellen Regierungskonstellation und der vorangestellten Parteiprogrammatiken. Wirtschaftliche Überlegungen, die in Förderungskürzungen münden, sind keine Seltenheit, so auch nicht in Österreich: So wurde zum Beispiel das Budget des Arbeitsmarktservices (AMS) im Jahr 2023 um 15 Prozent gekürzt – trotz Inflation und negativer Konjunkturprognosen.
Politischer Wandel durch Soft Power, Vernetzung und Kooperation
Die Bekämpfung von Jugendarbeitslosigkeit muss über wirtschaftliche Erwägungen und eine bloße Gegenüberstellung sofort verfügbarer Lehrstellen mit den Lehrstellensuchenden hinausgehen. Jugendliche sind vielfach Mehrfachbelastungen (wie z. B. Pflegeaufgaben in der Familie) oder gesundheitlichen Herausforderungen (psychische Erkrankungen oder Suchtproblematiken) ausgesetzt. Dazu kommt, dass die Teuerungen Jugendliche besonders stark belasten. Diese sozialen und gesundheitlichen Faktoren erschweren die Arbeitsmarktintegration immens und finden in der Politik wenig Anklang.
Um dem entgegenzuwirken, ist es wichtig, neue Wege zu beschreiten. Netzwerke, der Austausch von Multiplikator:innen, politischen Verantwortlichen und Betroffenen sowie Kooperation regen politischen Wandel und Lernprozesse an. Durch die Vernetzung und den Austausch guter Praktiken von europäischer bis zur lokalen Ebene wird deutlich, dass vielerorts vergleichbare Probleme vorhanden sind, die Lösungswege jedoch sehr vielfältig und durch den Austausch bewährter Praktiken transferierbar sind.
EU-Strategien
Die EU hat eigens eine Jugendstrategie entwickelt, die sich elf ambitionierte Ziele vorgenommen hat, darunter auch eine gute Arbeit für alle jungen Menschen. Europäische Beschäftigungsinitiativen sollen die Jugendarbeitslosigkeit abfangen. Dennoch ist sie weiterhin auf hohem Niveau. Daher setzen sich auf nationalstaatlicher Ebene diverse Akteur:innen für eine Jugendgarantie ein, welche allen Jugendlichen unter 25 Jahren ein qualitätsvolles Angebot für Beschäftigung, Bildung oder Schulung garantieren soll.
Die Europäische Union versucht zudem seit Jahren, mittels Sensibilisierungskampagnen Themen aufzugreifen, die von den Nationalstaaten herangetragen werden. Das Europäische Jahr der Jugend setzte sich 2022 zum Ziel, die Teilhabe, Mobilität und vor allem die Inklusion junger Menschen in Europa zu fördern. Beim Jahr der Kompetenzen stand 2023 der Fachkräftebedarf im Fokus, der stark mit der Jugendarbeitslosigkeit in Zusammenhang steht.
Kooperation quer durch Europa: StartNet Europe
Das Projekt „StartNet Europe – Netzwerk Übergang Schule-Beruf“ war von 2017 bis 2024 eine europäische Plattform für den Übergang junger Menschen von der Bildung in den Beruf. Als Kooperationspartner fungierten die Stiftung Mercator und das Goethe-Institut. StartNet Europe verband 18 Initiativen aus zwölf Ländern, die über die Projektlaufzeit hinaus durch diverse neue, geförderte Projekte und Kooperationen weiterhin vernetzt sind und die Arbeitsmarktintegration junger Menschen in ganz Europa zum Ziel haben.
Das Ziel des Netzwerks war es, kollektives Wirken durch den gemeinsamen Aufbau fachlicher Fähigkeiten, den Austausch und das europaweite Verbreiten bewährter Praktiken sowie das Initiieren von Projektpartnerschaften zu schaffen. Sechs Unterprojekte zu früher Bildungs- und Berufsorientierung und zur Förderung von Zukunftskompetenzen für den grünen und digitalen Wandel mit einem Budget von 1,6 Millionen Europa resultierten daraus. Zudem wurden die Erfahrungen und das Fachwissen aus erster Hand an diverse europäische Politikakteur:innen herangetragen. Durch Konferenzen, Round Tables und andere Kommunikations- und Advocacy-Aktivitäten verband das Netzwerk Politik und Praxis, lokale Maßnahmen und europäische Programme (Jugendgarantie, Europäischer Sozialfonds und Erasmus+), um den Übergang junger Menschen ins Berufsleben zu verbessern. Regelmäßige Austauschtreffen in den Partner:innenländern forcierten den europäischen Dialog.
Kooperation durch Koordination auf lokaler Ebene
Im Rahmen der Jugendkoordination der Arbeiterkammer Oberösterreich werden in den Bezirken sogenannte Jugend-Dialogtreffen abgehalten. Dabei tauschen sich regionale Multiplikator:innen zu gegenwärtigen Themen aus, die arbeitslose Jugendliche betreffen. Jugendliche selbst treffen beim Format „Jugend im Dialog“ in Kooperation mit kirchlichen Einrichtungen einmal im Jahr auf Politiker:innen und Entscheidungsträger:innen. 2024 tauschten sich mehr als 160 junge Menschen mit rund 40 Entscheidungsträger:innen aus Politik und verschiedenen Institutionen aus und berichteten aus erster Hand über die Herausforderungen in ihrer Lebens- und Arbeitswelt.
Fazit
Kooperationen und Austausch sind ein wertvolles partizipatives Instrument, um politischen Wandel herbeizuführen. Eine Bottom-up-Politik aus der Zivilgesellschaft und diverser Akteur:innen heraus, die durch Teilhabe und Zusammenarbeit Inhalte an die Politik heranträgt, gewinnt zusehends an Bedeutung. Über diverse Informations- und Zusammenarbeitskanäle wird Vertrauen zwischen Akteur:innen und Institutionen aufgebaut. Informationen werden gestreut, Kommunikationswege verkürzt und Lernprozesse angeregt, die bis in die höchsten Entscheidungsebenen getragen werden. Oft fehlt Politiker:innen und Entscheidungsträger:innen die Sensibilität für die Lebensrealitäten junger Menschen. Hierarchische, unilaterale Entscheidungs- und Arbeitsweisen werden nicht dazu beitragen, die Chancen und somit auch die Lebens- und Arbeitsqualität junger Menschen zu verbessern. Kooperation und Zusammenarbeit sind in Zeiten von schnellem Wandel unabdingbar, so auch bei der Bekämpfung von Jugendarbeitslosigkeit.
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