Wirtschaftliche Mit­wirkung: Spannungs­felder im betrieb­lichen Alltag

10. Februar 2025

Wirtschaftliche Mitbestimmung wirkt sich positiv auf das Arbeitsklima und auf die Resilienz von Unternehmen aus. Die meisten Betriebsrät:innen fühlen sich über ihre Mitwirkungsrechte gut informiert und wissen diese auch zu nutzen. Aber: Nicht immer werden ihnen dafür die erforderlichen Unterlagen bereitgestellt. Ein Viertel fühlt sich im Umgang mit Kennzahlen zudem nicht sattelfest. Das zeigt eine IFES-Studie im Auftrag der AK Oberösterreich.

Die wirtschaftliche Mitwirkung durch Betriebsratsgremien in Unternehmen bringt Beschäftigten viele Vorteile. Die wirtschaftlichen Mitwirkungsrechte, die dem Betriebsrat anhand des Arbeitsverfassungsgesetzes (ArbVG) eingeräumt werden, ermöglichen dem Gremium, die wirtschaftliche Entwicklung und Lage des Unternehmens festzustellen und eine fundierte Grundlage für Lohn-, Gehalts-, Prämien- und Sozialplanverhandlungen zu erhalten. Einsicht in die Daten des Jahresabschlusses oder von Quartalsberichten bzw. Forecasts dienen dazu, sich profund auf die sogenannten Wirtschafts- oder Quartalsgespräche vorbereiten zu können.

Mitbestimmte Unternehmen sind wirtschaftlich robuster

Eine Analyse der Böckler-Stiftung legt zudem nahe, dass mitbestimmte Unternehmen wirtschaftlich robuster sind. Diese orientieren sich in Krisenzeiten häufiger an den langfristigen Auswirkungen von strategischen Entscheidungen. Ähnliche Befunde ließen sich auch von der großen Mitbestimmungsstudie von Arbeiterkammer und ÖGB oder aus Auswertungen des European Company Survey ableiten. Umso relevanter wird die Praxis der wirtschaftlichen Mitwirkung in wirtschaftlichen Krisenzeiten.

Mitwirkungsinstrument Wirtschaftsgespräch

Gerade in Krisen können Betriebsrät:innen einen wertvollen Beitrag leisten, indem sie ihren generalistischen Blick auf das Gesamtunternehmen und ihr betriebsspezifisches Know-how einbringen. Wichtig ist, möglichst zeitnah aussagekräftige und umfassende Informationen in Form von Zahlen, Daten und Fakten einzuholen. Hier eignet sich das Wirtschafts- oder Quartalsgespräch nach § 92 ArbVG, wonach dem Betriebsrat sämtliche Daten über laufende Angelegenheiten, über allgemeine Grundsätze der Betriebsführung u. a. in wirtschaftlicher Hinsicht mindestens vierteljährlich, auf Verlangen monatlich zur Verfügung zu stellen sind.

Wirtschaftliche Mitwirkung bisweilen schwierig

Weitere wesentliche Mitwirkungsrechte wie Informations- und Beratungsrechte oder das Recht auf Vorlage des Jahresabschlusses und somit der Einblick in die Bücher von Unternehmen sind im § 108 ArbVG verankert. Betriebsrät:innen haben das Recht, bereits einige Monate vor Veröffentlichung der Jahresabschlüsse beim Firmenbuch einen Einblick in die Jahresabschlüsse zu bekommen. Dennoch: Nicht alle Unternehmen unterstützen ihre Betriebsrät:innen bei diesen Aufgaben so, wie es gesetzlich vorgesehen wäre. Im betrieblichen Alltag gestaltet sich die Realisierung der Mitwirkungsrechte bisweilen schwierig. Innerhalb der Betriebsrät:innen gibt es zudem unterschiedliche Voraussetzungen – auch was die zeitlichen Möglichkeiten anbelangt, Wissen über den Umgang mit Kennzahlen zu erwerben.

Wo Spannungsfelder der wirtschaftlichen Mitwirkung liegen könnten, hat das IFES im Auftrag der Arbeiterkammer Oberösterreich untersucht. Dafür wurden 334 Betriebsratsvorsitzende (BRV) in Oberösterreich, die gemeinsam rund 150.000 Beschäftigte vertreten, im November 2024 online befragt.

Hohe Bereitschaft zu wirtschaftlicher Mitwirkung, unterschiedliche Wissensstände

Die Bereitschaft zur wirtschaftlichen Mitwirkung ist bei den Betriebsrät:innen außerordentlich hoch. Über 70 Prozent nutzen ihre Möglichkeiten anlassbezogen oder sogar regelmäßig. Der eigene Wissensstand, wenn es um die rechtlichen Möglichkeiten geht, wird ebenfalls sehr positiv eingeschätzt – auch weil die Angebote von Gewerkschaften und AK zur Weiterbildung gerne angenommen werden, sofern es die Zeit zulässt.

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Freistellung erleichtert Nutzung von Mitbestimmungsmöglichkeiten

Rund ein Viertel zeigt sich hingegen nicht gut informiert, wenn es um wirtschaftliche Kennzahlen, Jahresabschlüsse und Bilanzen geht. Unter den freigestellten BRV beträgt dieser Anteil zwölf Prozent. Unter den nicht freigestellten BRV sind es drei von zehn, die sich nicht sattelfest fühlen. Tendenz steigend, je kürzer man in der Funktion ist. Immerhin: In dieser Gruppe wird häufiger das Beratungsangebot von AK und Gewerkschaften genutzt, um sich auf wirtschaftliche Gespräche mit der Geschäftsführung vorzubereiten. Freigestellte Betriebsratsvorsitzende und jene, die (zusätzlich) einen Sitz als Arbeitnehmervertreter:in in einem Aufsichtsrat innehaben, sind im Vorteil: Ihnen stehen mehr Ressourcen für die Nutzung von wirtschaftlichen Mitbestimmungsmöglichkeiten und von entsprechenden Bildungsangeboten zur Verfügung.

Unterstützung durch Geschäftsführung unterschiedlich

Ein zentraler Aspekt für Betriebsräte ist der Zugang zu entscheidungsrelevanten Informationen. So erhalten nur rund 40 Prozent der befragten BRV den Jahresabschluss unaufgefordert. Ein Drittel muss diesen zumindest einfordern, und etwa ein Viertel bekommt ihn gar nicht oder hat ihn noch nie eingefordert (zwölf Prozent gaben an, dass die Geschäftsführung den Jahresabschluss nicht an den Betriebsrat übermittelt und elf Prozent haben diesen noch nie eingefordert).

Ein differenziertes Bild ergibt sich auch mit Blick auf den regelmäßigen Austausch zwischen Betriebsrat und Geschäftsführung zur wirtschaftlichen Lage. 20 Prozent der Befragten werden zumindest halbjährlich über die wirtschaftliche Lage informiert, 43 Prozent quartalsweise, 20 Prozent seltener und 14 Prozent überhaupt nicht.

Mit der Mitsprache im Zuge von Wirtschaftsgesprächen zeigt sich knapp die Hälfte der Betroffenen (sehr) zufrieden, ein Drittel vergibt einen Dreier und 17 Prozent zeigen sich unzufrieden. Rund ein Fünftel klagt darüber, dass die Unterlagen oftmals nicht rechtzeitig übermittelt werden. Atmosphäre und Ernsthaftigkeit der Gespräche hingegen stoßen auf eine hohe Zufriedenheit. Es ergibt sich also ein differenziertes Bild, was die Verfasstheit der wirtschaftlichen Mitwirkung im betrieblichen Alltag anbelangt.

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Fazit

In der Landschaft der organisierten bzw. mitbestimmten Betriebe sind buchstäblich noch einige blinde Flecken zu verzeichnen, wenn es um die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Mitwirkungsrechte geht – mit großer Sicherheit nicht nur in Oberösterreich.

Gut informierte und gerüstete Betriebsrät:innen können maßgeblich dazu beitragen, wirtschaftliche Fehlentwicklungen rechtzeitig zu erkennen und konstruktive Veränderungsprozesse anzustoßen. Die Ergebnisse unserer Umfrage machen jedoch klar: In manchen Fällen scheitert die aktive Nutzung der Mitbestimmungsrechte mitunter an mangelndem Wissen, fehlender Unterstützung im Unternehmen oder einem unverbindlichen Umgang seitens der Geschäftsführung.


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