Ohne Wasserversorgung kein Leben. Der Ressource Wasser kommt daher im Bereich der öffentlichen Daseinsvorsorge ein ganz besonderer Stellenwert zu. Die Versorgung der Menschen mit Trinkwasser und die Entsorgung des Abwassers liegen in Österreich größtenteils in öffentlicher Hand. Investitionen in die Siedlungswasserwirtschaft bringen einen hohen Anschlussgrad an öffentliche Netze der Ver- und Entsorgung. Auch diese Netze müssen regelmäßig erneuert und erneuert werden. Die öffentliche Hand leistete dazu bislang einen guten Beitrag der auch künftig abzusichern ist.
Vor zwei Wochen wurden hier im Blog öffentliche Investitionen als zentrales Element einer sozial-ökologischen Erneuerung hervorgehoben. Dazu gehört auch, die öffentliche Daseinsvorsorge zu sichern und bedarfsgerecht auszubauen. Die Versorgung mit Trinkwasser und die Reinigung des Abwassers sind dabei Kernelemente.
Aufgrund seiner Topografie und des Klimas ist Österreich reich an Wasser. Von einem jährlichen Gesamtdargebot von ca. 84 Milliarden Kubikmetern werden gerade einmal 3 % in den Bereichen Industrie, Landwirtschaft und privaten Haushalten verbraucht. Der Trinkwasserbedarf macht dabei nicht einmal 1 % aus. Die Herausforderungen der österreichischen Siedlungswasserwirtschaft liegen daher weniger im Wasserangebot, als vielmehr im Transport dorthin, wo es gebraucht wird, beziehungsweise in der Entsorgung des Abwassers.
Struktur der österreichischen Siedlungswasserwirtschaft
Die Versorgung der Bevölkerung mit Trinkwasser sowie die sichere Entsorgung des Abwassers werden in Österreich als öffentliche Dienstleistung von Kommunen, Wasserverbänden und Genossenschaften erbracht. Es gibt 1.900 kommunale Anlagen, 165 Wasserverbände und rund 3.400 zumeist sehr kleine Wassergenossenschaften. Die 14 größten Unternehmen mit mehr als 50.000 KundInnen versorgen rund 4 Mio. Menschen mit Trinkwasser. Die Abwasserentsorgung in Österreich wird von über 1.840 kommunalen Kläranlagen sowie tausenden Kleinkläranlagen gewährleistet. Rund 9 Prozent der Bevölkerung versorgt sich über Hausbrunnen und 5 Prozent mit eigenen Kläranlagen. Im internationalen Vergleich ist der Zustand der Infrastruktur der Wasserversorgung sehr zufriedenstellend. So gelten beispielsweise Wasserverluste im Rohrnetz gemeinhin als Gradmesser für die Höhe der Investitionstätigkeit in die Wasserinfrastruktur sowie als Indikator für die Qualität der Trinkwassernetze. In Österreich sind diese Verluste im Rohrnetz im europäischen Vergleich gering und liegen bei rund 11 Prozent.
Handlungsbedarf in der österreichischen Siedlungswasserwirtschaft
Seit den 1950er Jahren wird kontinuierlich in die Wasserver- und Abwasserentsorgung investiert. Daher liegt der Handlungsbedarf heute vor allem in der Sanierung bestehender Anlagen. Insbesondere bei Anlagen, die vor 50 bis 60 Jahren errichtet wurden sind die Rohrleitungen zu erneuern. Wien weist österreichweit das älteste Kanalnetz auf und investiert daher seit einigen Jahren intensiv in die Erneuerung der Wasserrohre, aber auch hier gibt es noch viel zu tun. Aufgrund der demografischen Entwicklungen sind Neuinvestitionen vor allem in Ballungsräumen erforderlich. Die Studie Technische Herausforderungen in der Siedlungswasserwirtschaft (Auftraggeber BMLFUW, 2012) geht davon aus, dass die jährlich durchgeführte Austausch der Anlagenteile in der Trinkwasserversorgung von 1 bis 1,5 Prozent nicht ausreichend ist, da Anlagen, die vor 50 bis 60 Jahren errichtet wurden, dringend saniert werden müssen. Die Studie errechnet einen Gesamtinvestitionsbedarf für die Trinkwasserversorgung in der Höhe von 5,4 Mrd. Euro bis 2021. Davon wären 4,2 Mrd. Euro für die Reinvestition aufgrund der Alterung und Abnutzung der Rohre notwendig und 1,2 Mrd. Euro für Neuinvestitionen aufgrund von demografischen und sozioökonomischen Entwicklungen (Stichwort Urbanisierung). Mit dem prognostizierten Bevölkerungszuwachs für Österreich sind diese Investitionen insbesondere in den Ballungsräumen des Ostens erforderlich.
Für die Abwasserableitungen sind geschätzte Investitionen bis 2021 von rund 9 Milliarden Euro notwendig, davon rund 2,4 Mrd. Euro Neuinvestitionen und rund 6,6 Mrd. Euro Reinvestitionen. Diese Zahlen zeigen, dass die Wasser- sowie Abwasserinfrastruktur erheblichen Investitionsbedarf hat.
Die Branche der Abwasserversorger selbst geht von einem Investitionsbedarf von mehreren hundert Millionen Euro pro Jahr aus, um die Funktionsfähigkeit und den Werterhalt des Anlagenbestandes in Österreich aufrecht zu erhalten. Laut ihren Erhebungen sind 28 Prozent der bestehenden Kanäle dringend innerhalb von 13 Jahren zu sanieren. Bei durchschnittlichen Sanierungskosten von etwa 290 Euro/Laufmeter Kanal und zu sanierenden 2.100 km Kanal/Jahr müssten pro Jahr 610 Millionen Euro in Sanierungsmaßnahmen investiert werden.
Das Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO) errechnet in seiner Studie „Evaluierung der Umweltförderungen des Bundes 2011-2013“ (Auftraggeber BMLFUW, Endbericht 2014) einen Beschäftigungseffekt von 10,2 Beschäftigten pro Mio. Euro Investitionen in die Siedlungswasserwirtschaft (Auftraggeber BMLFUW). Diese Investitionen betreffen insbesondere die Sektoren Bau (Hochbau, Tiefbau, Bauinstallations- u. sonstige Ausbauarbeiten), elektrotechnische und maschinentechnische Ausrüstung, Planungsdienstleistungen) sowie der zuliefernde Sektor Glas, Keramik, bearbeitete Steine und Erden.
Rückläufige Investitionen und Förderungen
Seit 1959 wurden in Summe bereits 58 Milliarden Euro in die Siedlungswasserwirtschaft investiert. Diese Investitionen wurden aus Finanzmitteln des Bundes, der Länder und der Gemeinden aufgebracht. Eine Analyse des WIFO unter Verwendung Daten der Jahre 2002-2011 zeigt einen rückläufigen Trend der Investitions- und Fördertätigkeit in die Siedlungswasserwirtschaft. Im Laufe der letzten Jahre wurden die Förderungen in diesen Umweltsektor laufend reduziert. Wurden in den Jahren 2008 und 2009 jährlich 215 Mio. Euro an Bundesförderungen aufgewendet, sind diese bis zum Jahr 2016 auf 100 Mio. Euro Bundesförderung gesunken. Investitionen in die Siedlungswasserwirtschaft setzen starke Impulse für die Wirtschaft und den Arbeitsmarkt und sind zudem wichtig für Versorgungssicherheit und Qualität. So ermöglichten allein öffentliche Investitionen in die Siedlungswasserwirtschaft in den Jahren 2011 – 2013 die Sicherung bzw. Schaffung von fast 8.000 Arbeitsplätzen jährlich. Das Erfolgsmodell „Förderungen in der Siedlungswasserwirtschaft“ sollte jedenfalls auch in den nächsten Jahren ohne finanzielle Einbußen verfolgt und die dafür notwendigen Förderungsmitteln seitens Bundes zur Verfügung gestellt werden.