Die Covid-19-Krise wirkt sich negativ auf die Gemeindefinanzen aus, die Steuerreform verursacht Mindereinnahmen. Zwei Gemeindepakete kompensierten teilweise die krisenbedingten Einnahmenausfälle. Doch die Nettoinvestitionen sanken im Jahr 2020. Ein Investitionsstau – wie nach der Finanzkrise – würde zu erheblichen langfristigen Problemen im Bildungs-, Pflege- und Klimabereich führen. Weiterführende Maßnahmen sind zu setzen, um die Gemeinden bei wichtigen Investitionen und Zukunftsausgaben in diesen Kernbereichen zu unterstützen. Eine zentrale Rolle spielt dabei der kommende Finanzausgleich.
Covid-19-Krise und Steuerreform verschlechtern die Finanzsituation der Gemeinden In meiner neuen Studie analysiere ich die Einnahmen und Ausgaben der österreichischen Gemeinden im Kontext der Covid-19-Krise mit besonderem Augenmerk auf Bildung, Pflege und Klima. Die Covid-19-Krise hat erhebliche negative Auswirkungen auf die Finanzen der österreichischen Gemeinden zur Folge. So gingen die laufenden Einnahmen laut den vorliegenden Prognosen im Jahr 2020 deutlich zurück – mit starken Einbußen bei den Ertragsanteilen, also dem Anteil der Gemeinden an den vom Bund eingehobenen Steuern wie Umsatz-, Lohn- und Körperschaftssteuern. Die Ertragsanteile sind eine zentrale Einnahmenquelle der Gemeinden, ihr Rückgang wird über mehrere Jahre nachwirken. Dazu kommt, dass die „Ökosoziale Steuerreform“ zu weiteren Mindereinnahmen der Gemeinden (inklusive Wien) führt. Aktuell werden verringerte Einnahmen von 1,9 Milliarden Euro im Zeitraum von 2022 bis 2025 geschätzt.
Der Saldo aus laufenden Einnahmen und Ausgaben verschlechterte sich im Pandemiejahr 2020 im Vergleich zum Vorkrisenjahr 2019. Die laufenden Ausgaben der Gemeinden bleiben auch während der Covid-19-Krise relativ stabil: Die wichtigsten Ausgabengrößen sind Personal, Betriebs- und Verwaltungsaufwand. Da insbesondere Personalausgaben und Fixkosten weiterhin laufend zu bestreiten sind, fallen dem Spardruck angesichts einer verschlechterten Finanzsituation zuerst die Investitionen zum Opfer, die relativ einfach gestrichen oder zumindest auf die lange Bank geschoben werden können. Österreichs Gemeinden weisen einen Anteil von rund 30 % an den gesamtstaatlichen Investitionen aus. Damit ist klar, dass die Investitionstätigkeit der Gemeinden von gesamtstaatlicher Bedeutung ist.
Rückgang der Investitionen führt zu langfristigen Problemen Obwohl der Bund zwei Gemeindepakete auf den Weg brachte, um den Einnahmenentfall der Gemeinden teilweise zu kompensieren , verweisen Daten für das Jahr 2020 auf einen Rückgang der Nettoinvestitionen der Gemeinden:
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Es wird deutlich, dass die Nettoinvestitionen der Gemeinden als Folge der Finanzkrise aus dem positiven in den negativen Bereich rutschten. Im Jahr 2011 betrugen die Nettoinvestitionen -105 Millionen Euro, im Jahr 2012 -34 Millionen. Danach erholten sie sich nur langsam und schrittweise; von 2015 auf 2016 war neuerlich ein leichtes Absinken zu verzeichnen. Bis 2019 stiegen die Nettoinvestitionen dann auf 834 Millionen Euro an, was 0,2 % des Bruttoinlandsprodukts entspricht. Im Jahr 2020 war ein erheblicher Rückgang um rund ein Drittel auf 561 Millionen Euro zu verzeichnen. Der Blick auf die Nettoinvestitionen zeigt damit für 2020 negative Auswirkungen der Covid-19-Krise. Diese werden in den kommenden Jahren nachwirken bzw. sich fortsetzen, wenn es nicht zu weiterer Unterstützung vonseiten des Bundes kommt.
Die Auswirkungen ausbleibender Investitionen mögen in vielen Fällen nicht sofort ersichtlich sein: Unterbleiben sie im Bildungs-, Klima- und Pflegebereich – etwa bei der infrastrukturellen Versorgung mit Betreuungsplätzen, im öffentlichen Verkehr oder bei Pflegesachleistungen –, wirkt sich dies mit zeitlicher Verzögerung negativ auf die Qualität der öffentlichen Leistungserbringung aus. Angesichts eines großen Investitionsbedarfs in den Gemeinden – etwa beim Ausbau von Schulen und Kinderbetreuungseinrichtungen, bei der thermischen Gebäudesanierung, beim Ausbau des öffentlichen Verkehrs und der Fahrzeugflottenumstellung sowie bei der Infrastruktur für Sachleistungen in der Langzeitpflege – ist ein Investitionsstau unbedingt zu vermeiden.
Politische Handlungsoptionen Meine Studie diskutiert politische Handlungsoptionen, um die Finanzsituation der Gemeinden langfristig zu stärken und dadurch Zukunftsausgaben und Investitionen zu ermöglichen.
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Finanzausgleich im Zeichen der Aufgabenorientierung: Der nächste Finanzausgleich muss zwischen Bund, Ländern und Gemeinden so verhandelt werden, dass er der wichtigen Rolle der Gemeinden bei Bildung, Klima und Pflege im Zeichen der Aufgabenorientierung und den daraus erwachsenden Finanzierungsanforderungen Rechnung trägt. Probleme entstehen etwa dann, wenn Gemeinden die Kinderbildungs-infrastruktur und Kinderbetreuungsinfrastruktur ausbauen, aber nicht gleichzeitig adäquate Mittel für die Abdeckung der laufenden Kosten (insbesondere für das Personal) zur Verfügung haben. Dies führt mitunter zu einer kontraproduktiven Zurückhaltung bei Investitionen. Jene Gemeinden, die mehr Plätze für Kinderbetreuung schufen, sollten im Rahmen des Finanzausgleichs auch mehr Geld bekommen, um diese Infrastruktur erfolgreich betreiben zu können. Ähnliches gilt mit Blick auf das Pflegevorsorgesystem in den Gemeinden, wo der Bedarf an Pflegedienstleistungen steigt .Grundsteuerreform: Die Grundsteuer als gemeindeeigene Steuer hat aktuell relativ geringe Bedeutung bei der Generierung von Einnahmen für die Gemeinden. Die Ertragskraft der Grundsteuer ist aufgrund von fehlender Wertanpassung erodiert – die letzte Neufeststellung der Einheitswerte stammt aus dem Jahr 1972 – und die Bemessungsgrundlage ist vielfach nicht mehr in Übereinstimmung mit den tatsächlichen Wertverhältnissen von Liegenschaften. Eine Reform sollte primär dem Ziel dienen, die Einnahmenbasis der Gemeinden zu stärken. Doch vor dem Hintergrund des anhaltenden Flächenverbrauchs für Siedlungen und Zersiedelungen der Landschaft könnten in eine Reform der Grundsteuer auch ökologische Aspekte als wichtiger Nebenpunkt einfließen.Kompensation von Rückgängen der Ertragsanteile in zukünftigen Krisen durch den Bund: Der Bundesgesetzgeber sollte klarstellen, dass der Bund für zukünftige systemische Krisen eine Art „Pufferfunktion“ für die Gemeindefinanzen übernimmt. Das heißt: Der Bund würde bei einem krisenbedingten Wegbrechen der Ertragsanteile und weiterer Einnahmen eine finanzielle Kompensation bereitstellen, um die Resilienz der Gemeindefinanzen zu stärken. Auch in der Covid-19-Krise kompensierte der Bund die Gemeinden für den Rückgang von Ertragsanteilen teilweise. Doch dies ließe sich in einen Dauer-Finanzausgleich überführen , um die Resilienz der Gemeindefinanzen zu erhöhen.Einrichtung eines neuen Klima-Investitionsfonds: Investitionen der Gemeinden spielen eine wesentliche Rolle bei der Sicherung von lokaler Wertschöpfung, Lebensqualität und Arbeitsplätzen. Die Investitionsbedarfe sind groß, insbesondere im Klimabereich. Eine Option, um im größeren Ausmaß Investitionen auf Gemeindeebene zu ermöglichen, besteht darin, dass der Bund einen neuen kommunalen Investitionsfonds für das kommende Jahrzehnt einrichtet. Dabei könnte eine starke aufgabenbezogene Ausrichtung der Investitionen erfolgen, insbesondere um die Erreichung der gesamtstaatlichen Klimaziele zu befördern. Die geförderten Investitionen könnten speziell den Ausbau des öffentlichen Verkehrs, die thermische Sanierung von öffentlichen Gebäuden oder die Fahrzeugflottenumstellung in den Gemeinden vorantreiben. Der Bund hätte eine Steuerungs- und Kontrollfunktion bezüglich der Verwendung der Mittel in den Gemeinden.Reform der Fiskalregeln im Hinblick auf eine Flexibilisierung für mehr Investitionsspielräume: Die im innerösterreichischen Stabilitätspakt festgeschriebene Schuldenbremse gibt den Gemeinden kaum Spielraum für Neuverschuldung, selbst wenn es um gesamtwirtschaftlich sinnvolle öffentliche Investitionen geht. Auch wenn der österreichische Stabilitätspakt für alle Gebietskörperschaften während der Pandemie ausgesetzt wurde, so gelten landesrechtliche Vorgaben bezüglich Darlehensaufnahmen der Gemeinden großteils weiter. Das bedeutet: Die Gemeinden waren und sind trotz des Aussetzens des Stabilitätspakts auch im Kontext der Covid-19-Krise in ihrer Darlehensaufnahme stark eingeschränkt. In den anstehenden Debatten um eine Reform der Fiskalregeln könnten die österreichischen Gemeinden davon profitieren, wenn die Bundesregierung eine Flexibilisierung der Schuldenbremse vorantreiben würde – etwa indem bestimmte Investitionen von der Defizitberechnung ausgenommen werden. Darüber hinaus könnte den Städten und Gemeinden vonseiten des Bundes der Zugang zu noch günstigeren Krediten ermöglicht werden. Fazit Die politischen Diskussions- und Entscheidungsprozesse sollten berücksichtigen, wie wesentlich die Gemeinden in zentralen staatlichen Aufgabenbereichen wie Bildung, Pflege und Klima sind. Was auf Gemeindeebene passiert, hat Auswirkungen auf die regionale Wertschöpfung und die Lebensqualität. In diesem Sinne ist ein Investitionsstau nach der Covid-19-Krise – der ähnlich kontraproduktive Auswirkungen hätte wie jener in den Jahren nach der Finanzkrise – zu vermeiden. Die Rolle der Gemeinden sollte in Debatten über öffentliche Investitionen und Fiskalpolitik vor diesem Hintergrund aufgewertet werden.
Bei diesem Beitrag handelt es sich um eine Zusammenfassung zentraler Aussagen der Studie „Österreichs Gemeinden im Kontext der Covid-19-Krise: Finanzausgleich bei steigenden Investitionsbedarfen und sinkenden Einnahmen“.
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