Angespannte Gemeinde­finanzen: Kommu­nale Daseins­vorsorge und Lebens­qualität zunehmend unter Druck

21. Januar 2025

Ein funktionierendes Miteinander, Orte der Begegnung und das Gefühl, in der eigenen Gemeinde gut aufgehoben zu sein, sind keine Selbstverständlichkeiten, sondern das Ergebnis vieler kleiner und großer Leistungen der Gemeinden und ihrer Bevölkerung. Doch was, wenn das Geld knapp wird? Was bedeutet es, wenn Gemeinden zunehmend unter „Konsolidierungsdruck“ geraten?

Die multiplen Krisen der letzten Jahre sind auch an den Gemeinden nicht spurlos vorübergegangen: Hohe Energiepreise, Inflation, steigende Personalkosten, die dynamische Entwicklung der Gesundheitsausgaben, Unwetterereignisse etc. sind ausgabenseitige Herausforderungen, mit denen die Einnahmen der Gemeinden nicht Schritt halten können. Die Konjunkturschwäche drückt auf die Entwicklung der Kommunalsteuer, und die – ohne Gegenfinanzierung auf Bundesebene durchgesetzte – Steuerreform dämpft die Ertragsanteile. Beides erschwert den Kommunen einnahmenseitig den Haushaltsausgleich.

In der jüngsten Gemeindefinanzprognose vom Dezember 2024 rechnet das Zentrum für Verwaltungsforschung (KDZ) für 2025 österreichweit mit bis zu 45 Prozent an Abgangsgemeinden. Das heißt: Fast die Hälfte der Gemeinden braucht finanzielle Unterstützung, um den laufenden Betrieb aufrechtzuerhalten. Der budgetäre Konsolidierungsdruck macht also auch vor den Gemeinden nicht halt. Leider wird dabei manchmal vergessen, dass es ganz konkret um die Lebensqualität in Österreichs Städten und Gemeinden geht.

Leistungen der Gemeinden sind vielfältig

Erste Berührungspunkte mit der Gemeinde beginnen im Kindesalter: Die Finanzierung der Elementarpädagogik und die Instandhaltung der Pflichtschulen obliegen den Gemeinden. Mit Vollzeitarbeit verträgliche Öffnungszeiten von Kinderbildungseinrichtungen, kleinere Gruppengrößen oder die Sanierung der Volksschulen stehen auf dem Spiel. Bei freiwilligen Leistungen der Gemeinden ist der Kürzungsdruck klarerweise als Erstes zu spüren. Konkret geht es zum Beispiel um soziale Dienstleistungen wie Essen auf Rädern, kleinräumige Mobilitätsangebote in Gemeinden („Mikro-ÖV“) oder öffentliche Treffpunkte wie Parks, Bibliotheken, Freibäder sowie Vereins- und Kulturzentren.

„Third Spaces“ auch demokratiepolitisch wichtig

Es geht also auch um sogenannte „Third Spaces“. Das sind Orte, an denen unser Leben außerhalb des Zuhauses oder des Arbeitsplatzes stattfindet. Begegnungen in „Third Spaces“ sind zentral für sozialen Austausch, zivilgesellschaftliches Engagement, Bildung und ein funktionierendes Miteinander und somit demokratiepolitisch höchst relevant. In Großbritannien konnte beispielsweise eine Korrelation zwischen Schließungen von Pubs und Stimmen für die rechtsgerichtete Partei „UK Independence Party“ (UKIP) festgestellt werden. Es gilt, das Entstehen oder die Verfestigung von abgehängten Regionen zu verhindern.

Ohne Geld keine Musik – aber woher kommt das Geld der Gemeinden?

Einen großen Teil der kommunalen Einnahmen machen die Ertragsanteile aus. Das ist jener Teil an den gesamtstaatlichen Steuereinnahmen, den die Gemeinden über den Finanzausgleich erhalten. Weniger Steuereinnahmen des Bundes bedeuten daher auch geringere Einnahmen der Kommunen. So haben Reformen der letzten Jahre wie die ökosoziale Steuerreform, das Abschaffen der kalten Progression oder die Senkung der Körperschaftsteuer die Gemeindefinanzen nachhaltig geschwächt. Dazu kommt, dass auch eine weitere wichtige Einnahmequelle vieler Gemeinden, die lohnsummenbezogene Kommunalsteuer, von der konjunkturellen Lage abhängig ist. Insolvenzen wie beispielsweise die von Motorradhersteller KTM treffen so direkt die gesamte Gemeinde, in der der Betrieb ansässig ist.

Steigende Umlagenbelastung der Gemeinden

Über Umlagen kofinanzieren Gemeinden eigentliche Landesaufgaben. Dadurch verringern sich die Ertragsanteile, die die Gemeinden tatsächlich bekommen. Die Umlagenbelastung der Gemeinden ist in den Jahren 2012 bis 2022 pro Kopf um mehr als 50 Prozent gestiegen.

© A&W Blog

Laut Berechnungen des KDZ verblieben 2014 den Gemeinden von einem Euro an Ertragsanteilen nach Abzug der Umlagen noch 54 Cent für die kommunale Daseinsvorsorge, 2025 sind es im Österreich-Schnitt nur mehr 47 Cent und bis 2028 dürfte sich die Situation weiter verschärfen. Dann verbleiben den Gemeinden nach Abzug der Umlagen nur mehr 39 Cent pro Euro an Ertragsanteilen. Damit lässt sich unsere gewohnt hohe Lebensqualität nicht finanzieren.

Pro Kopf haben Kärnten und Oberösterreich die höchste Transfer- und Umlagenbelastung. Heuer bleiben den oberösterreichischen Gemeinden nur etwa ein Viertel (26 Prozent) ihrer Ertragsanteile, 2019 war es noch mehr als ein Drittel (38 Prozent). In Oberösterreich schlägt vor allem die Krankenanstaltenumlage stärker zu Buche als in anderen Bundesländern. Die Steiermark verzichtet auf eine Krankenanstaltenumlage, das Land Niederösterreich auf die Landesumlage. Hier sind also klar die Länder gefordert, Lösungen für die starke und steigende Umlagenbelastung zu finden.

Aufgabenorientierter Finanzausgleich ausständig

Vergangenes Jahr wurde der Finanzausgleich neu verhandelt. Die Chance, die Transferverflechtungen zu vereinfachen, die Umlagenbelastung der Gemeinden zu verringern und stärker auf einen aufgabenorientierten Finanzausgleich zu setzen, wurde leider nicht genutzt. Trotz eines weiteren Kommunalen Investitionsprogrammes (KIP) und eines finanziellen Unterstützungspakets des Bundes für Gemeinden ist die finanzielle Lage vieler Kommunen sehr angespannt. Weitere Unterstützungsmaßnahmen sind angesichts des gesamtstaatlichen Konsolidierungsbedarfs fraglich. Ohne gegensteuernde Maßnahmen können Gemeinden nur durch Leistungskürzungen konsolidieren. Gleichzeitig sind viele Herausforderungen unserer Zeit nicht ohne die Gemeinden lösbar.

Gemeinden sind wichtige Investoren

Gemeinden verwalten rund die Hälfte des gesamten öffentlichen Kapitalstocks. Es liegt daher ein großes Investitions- und Dekarbonisierungspotenzial bei den Gemeinden, das es zu heben gilt. Gemeinden sind so auch ein wichtiger Stabilisator für die regionale (Bau-)Wirtschaft.

Die finanziellen Spielräume für Investitionen der Gemeinden sind allerdings eingeschränkt. Es muss damit gerechnet werden, dass die Investitionstätigkeit der Gemeinden in der nächsten Zeit stark zurückgehen wird. Dabei ist sogar die Substanzerhaltung des öffentlichen Vermögens gefährdet. Ein Ausbau der kommunalen Infrastruktur ist in der aktuellen Situation unrealistisch. Dabei könnten die Aufträge der Gemeinden einen wichtigen Beitrag zur Ankurbelung der regionalen Wirtschaft leisten und damit Arbeitsplätze sichern und schaffen. Beispielsweise durch die thermische Sanierung der Schulen, den Heizungstausch im Gemeindezentrum oder das Bauen sicherer Fuß- und Radinfrastruktur. Auch das hat direkte Auswirkungen auf die Lebensqualität. Ein Investitionsrückstau wie in unserem Nachbarland Deutschland ist zu vermeiden.

Fazit

Öffentliche Ausgaben der Gemeinden sind Investitionen in unser aller Vermögen, Zukunft und Lebensqualität. Einschnitte ins kommunale Leistungsangebot spüren wir alle sehr schnell und unmittelbar im täglichen Leben. Gemeinden und Engagement auf kommunaler Ebene kann man als Keimzelle der Demokratie verstehen. Das Aushöhlen der Gemeindeautonomie durch die hohe Umlagenbelastung und die zunehmende Abhängigkeit der Kommunen von den Ländern durch die steigende Anzahl an Abgangsgemeinden stehen dem entgegen. Gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten braucht es aber keinen budgetären Kürzungskurs („Konsolidierung“) mit dem Rasenmäher, sondern mittel- und langfristige Perspektiven. Wir dürfen nicht vergessen: Kommunale (Investitions-)Ausgaben sind auch ein wichtiger Stabilisator für die regionale Wirtschaft.

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