Frauengesundheit: Frauen brauchen gleiche Chancen auf Gesundheit

04. März 2025

Mehr als die Hälfte aller in Österreich lebenden Menschen sind Frauen, insgesamt 4,6 Millionen. Daher ist das Thema Frauengesundheit – beginnend bei der medizinischen Forschung über die Ausbildung der Gesundheitsdienstleistenden bis zur Versorgung – eine gesellschaftspolitische Agenda. Doch Frauen sind auch im Bereich Gesundheit strukturell benachteiligt. Das könnte durch die richtigen Maßnahmen verändert werden. 

Diskriminierung macht nicht vor der Gesundheit halt 

Geschlecht und Gender sind wesentliche Faktoren für Gesundheit und Krankheit. Frauen unterscheiden sich häufig in ihrem Gesundheitsverhalten und ihren Krankheitsverläufen von Männern. Die Lebenserwartung von Frauen liegt zwar über der von Männern, aber Frauen verbringen im Schnitt 19,3 Jahre in mittelmäßiger bis schlechter Gesundheit (Männer: 16,2 Jahre). Es ist erwiesen, dass Frauen bei etlichen Erkrankungen andere Symptome aufweisen als Männer. Obwohl im Hinblick auf z. B. Herzinfarkte die geschlechtsspezifischen Unterschiede bereits seit 1991 bekannt sind, werden aufgrund fehlender Verbreitung dieses Wissens die Herzinfarkte von Frauen häufiger fehlinterpretiert und Frauen bekommen dadurch später Hilfe. Und tatsächlich ist die Sterblichkeitsrate von Frauen höher als jene von Männern. Nicht nur Symptome unterscheiden sich, Frauen benötigen oft zudem eine andere Behandlung bzw. Medikation. Auch hier führen mangelnde Forschung und Bewusstsein in der medizinischen Praxis zu Fehlbehandlungen. Die medizinische Praxis und Forschung, genauso wie das Gesundheitswissen der Bevölkerung, orientieren sich noch immer stark am männlichen Körper als „Normmenschen“, weshalb Krankheiten, die nur Frauen betreffen, unterforscht sind. Hinzu kommt die Erfahrung von Frauen, dass ihre Schmerzen, insbesondere wenn es sich um genderspezifische Beschwerden wie Menstruationsbeschwerden, Beschwerden nach einer Geburt oder im Rahmen der Menopause handelt, von Mediziner:innen nicht ausreichend ernst genommen werden. Dadurch vergeht oft viel Zeit bis zur Diagnose, was die Heilungsmöglichkeiten reduzieren kann und zu einem verlängerten Leiden von Frauen führt. Dieses Zusammenspiel führt etwa bei Endometriose dazu, dass die Erkrankung sieben bis neun Jahre verspätet diagnostiziert wird, oft erst bei unerfülltem Kinderwunsch, obwohl davon rund 10 Prozent der Frauen im reproduktiven Alter betroffen sind. 

Frauengesundheit in Wechselwirkung 

Es darf nicht übersehen werden, dass der Gesundheitszustand von Frauen in einem Zusammenhang zu anderen sozioökonomischen Faktoren, wie Alter, Armut, Migrations-/Rassismuserfahrung, Behinderung, Bildungsstand und sexuelle Orientierung, steht. Hier kommt es zu Wechselwirkungen: Zum einen reduziert die gesundheitliche Benachteiligung von Frauen, beispielsweise Schmerzen aufgrund einer nicht diagnostizierten Endometriose, die Chancen von Frauen in sämtlichen Lebensbereichen, etwa im Erwerbsleben. Zum anderen sind Frauen aufgrund ihres sozialen Geschlechts und in Intersektion zu sonstigen Diskriminierungsmerkmalen besonderen gesundheitlichen Risiken ausgesetzt. Frauen mit niedrigem Einkommen (= armutsgefährdet) geben beinahe doppelt so häufig an, in schlechter bzw. sehr schlechter Gesundheit zu sein, als die Gesamtbevölkerung im gleichen Alter (15 Prozent vs. 8 Prozent). Frauen sind insgesamt häufiger armutsgefährdet als Männer, bei Ein-Eltern-Haushalten (meist bestehend aus Mutter und Kind) und alleinlebenden Pensionistinnen ist dies noch eklatanter. Ein Teil der strukturellen Benachteiligung von Frauen und Mitgrund für die erhöhte Armutsgefährdung ist das hohe Ausmaß an unbezahlter Sorgearbeit, das Frauen leisten. Dieses führt im Zusammenspiel mit – oft schlecht bezahlter – Erwerbsarbeit und der damit einhergehenden prekären finanziellen Situation zu psychischer Belastung und anderen Gesundheitsrisiken. 

Zweiklassenmedizin betrifft besonders Frauen


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Im Jahr 2023 waren in Österreich 19.848 niedergelassene Ärzt:innen gemeldet. 11.548 von ihnen waren ohne Kassenvertrag und sind somit Wahlärzt:innen. Während die Anzahl der Kassenordinationen stagniert und Praxen unbesetzt bleiben, ist die Zahl an Wahlarztpraxen steigend. Besonders deutlich ist der Anstieg der Wahlärzt:innen in den Fächern Kinder- und Jugend- sowie in der Frauenheilkunde. Im Jahr 2011 arbeiteten noch 685 Gynäkolog:innen ohne Vertrag, im Jahr 2023 waren es schon 890. Im selben Zeitraum ist die Zahl jener mit Kassenvertrag von 560 auf 486 gesunken. Nach der Liste der Vertragsärzt:innen der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) gibt es bundesweit lediglich 359 Gynäkolog:innen mit einem Kassenvertrag zur ÖGK, obwohl die ÖGK die größte soziale Krankenversicherung in Österreich ist und rund 7,6 Millionen Menschen versichert. Die Zahl der bei der ÖGK anspruchsberechtigten Frauen (alle Altersklassen) beträgt 3,7 Millionen. Somit errechnet sich – unter Außerachtlassung von Wahlgynäkolog:innen – eine durchschnittliche Patientinnenzahl von 10.473 pro Kassenarzt bzw. Kassenärztin. Eine gute Versorgung kann auf dieser Basis nicht gewährleistet werden. 

Der Rückgang der Zahl der Kassenordinationen führt unausweichlich zu längeren Wartezeiten und zu kurzer Behandlungsdauer in diesem besonders sensiblen Fachgebiet. Auch die Erstellung von Diagnosen ist erschwert. Die Folgen sind sowohl für die Lebensqualität als auch für die Arbeitsfähigkeit der betroffenen Frauen enorm. Es kann zu Arbeitszeitreduzierungen und/oder zyklisch wiederkehrenden Krankmeldungen kommen oder die betroffenen Frauen gehen trotz Beschwerden zur Arbeit. 

Wenn die Nachfrage nach zeitnahen Untersuchungsterminen und längerer Untersuchungsdauer steigt, steigt auch der Preis der angebotenen Versorgung sowohl im Wahlarzt- als auch im Privatarztbereich. Diese Leistungen zahlen die Patient:innen nach individueller Preisgestaltung durch die Ordinationen selbst, wobei eine teilweise Kostenerstattung durch die sozialen Krankenversicherungen im Wahlarztbereich nachträglich erfolgt. Ein einheitliches Tarifsystem gibt es in diesem Versorgungssektor nicht. Aus diesem Grund haben mittlerweile 38 Prozent der Bevölkerung eine private Krankenversicherung abgeschlossen. Diese Entwicklung führt zwangsläufig zur schleichenden Privatisierung des öffentlichen Gesundheitssystems. Dies bedeutet für Frauen, dass die erforderlichen Vorsorgeuntersuchungen (beispielsweise Krebsprävention), aber auch die Behandlung von bestehenden Krankheiten oder die Schwangerschaftsbegleitung, aber auch -verhütung zum Kostenfaktor werden. Eine schleichende Privatisierung der Frauenmedizin gefährdet somit die Verteilungsgerechtigkeit im Rahmen der solidarischen Gesundheitsversorgung und ist somit auch demokratiepolitisch zu hinterfragen. Frauen, die sich eine private Behandlung oder eine private Krankenversicherung nicht leisten können, bleiben unterversorgt oder sogar unversorgt – mit negativen Auswirkungen auf sämtliche Lebensbereiche. 

Frauengesundheit braucht bessere Versorgung 

Die Gesundheitsversorgung von Frauen, insbesondere bei frauenspezifischen Indikationen, muss verbessert werden. Dazu sind insbesondere mehr Kassenverträge für Fachärzt:innen für Gynäkologie und eine Attraktivierung unbesetzter Kassenordinationen erforderlich. Es braucht darüber hinaus aber auch einen multidisziplinären Zugang, der verstärkt Geburtshilfe, Psychologie, Diätologie, Physiotherapie und soziale Arbeit für eine adäquate Versorgung zur Verfügung stellt. Eine solche multidisziplinäre Versorgung sollte möglichst an einem Ort stattfinden und die Leistungen auch an den Tagesrandzeiten bzw. Wochenenden erreichbar sein. Es sind daher Frauengesundheitszentren nach dem Modell der Primärversorgungseinheiten verstreut auf das Bundesgebiet zu errichten. Neben Gesundheitszentren sollten auch Kur- und Rehabilitationsangebote für frauenspezifische Indikationen ausgebaut werden, stets unter der Berücksichtigung der Lebenssituationen von Frauen, die beispielsweise Angehörige pflegen oder Kinder betreuen. Wichtig wäre es auch, genderspezifische Gesundheitsvorsorge- und Präventionsprogramme zu entwickeln. Frauenspezifische Indikationen sollten in Vorsorgeuntersuchungen standardmäßig abgefragt werden. Mammografie oder HPV-Impfung sollten für alle Altersgruppen kostenlos sein. 

Frauengesundheit braucht Finanzierung 

Wenn die zwischen Bund, Ländern und Sozialversicherung vereinbarte Gesundheitsreform im Finanzausgleich 2024 umgesetzt werden soll – nämlich die Stärkung der niedergelassenen Versorgung und Entlastung des stationären Bereichs – muss die Finanzierung diesem Systemwandel folgen. Die oben erwähnten Maßnahmen brauchen zusätzlich Geld. Dementsprechend ist die soziale Krankenversicherung dringend mit zusätzlichen Finanzmitteln auszustatten, (auch) um den geplanten Ausbau von spezialisierten Frauengesundheitszentren in den 32 Versorgungsregionen voranzutreiben und um die Erweiterung des Leistungsspektrums der Krankenversicherungsträger mit modernen Therapieformen – auch im Bereich der Frauenmedizin – zu ermöglichen. Eine entsprechende und nachhaltige Finanzierung über die Beitragseinnahmen der Krankenversicherungsträger hinaus ist unumgänglich.

Frauengesundheit braucht Forschung 

Um mehr Wissen für frauenspezifische Erkrankungen zu generieren, sollten genderspezifische Forschungsschwerpunkte in Medizin und Medizintechnik forciert werden. Damit Frauen in der medizinischen Forschung ausreichend berücksichtigt werden und etwaige Unterschiede zu männlichen Körpern überhaupt erst auffallen, sollte ein verpflichtender Mindestanteil an Frauen in klinischen Studien im Verhältnis zur jeweiligen geschlechterspezifischen Prävalenz eingeführt werden. Zu vielen zentralen frauenspezifischen Gesundheitsfragen ist die Datenlage in Österreich schlecht. Es sollten daher verstärkt Daten zu diesen Fragen für Frauen und Mädchen in ihren unterschiedlichen Lebensphasen und Lebenslagen erhoben werden. 

Frauengesundheit braucht Bewusstseinsbildung und Ausbildung 

Sowohl bei Gesundheitsdienstleistenden als auch in der Gesamtbevölkerung sind sensibilisierende Maßnahmen zur Bewusstseinsbildung hinsichtlich Frauengesundheit erforderlich. Dass fast ein Drittel der menstruierenden Menschen in Österreich noch nie von Endometriose gehört hat, zeigt beispielhaft die großen Defizite. Programme zur Stärkung der Gesundheitskompetenz sollten verschiedene Altersgruppen, aber auch verschiedene sozioökonomische Gruppen ansprechen. Gendermedizin sollte als verpflichtender Bestandteil in die Ausbildungen für Ärzt:innen und andere Gesundheitsberufe aufgenommen und zusätzliche Fortbildungen angeboten werden. 

Fazit 

Frauen und Mädchen in Österreich haben heute nicht die gleichen Chancen auf Gesundheit wie Männer und Buben. Vor dem Hintergrund der Verwobenheit von Gesundheit mit einer Vielzahl anderer sozioökonomischer Faktoren und Diskriminierungsstrukturen bedarf es umfassender Bemühungen zur Chancengleichheit von Frauen: im Bereich Gesundheit wie auch in allen anderen Lebensbereichen. 

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