Lichtblicke ohne Leuchttürme – Frauen.Management.Report 2024

03. April 2024

Im Frauen.Management.Report der AK Wien werden jährlich die Geschlechterverhältnisse im Top-Management österreichischer Spitzenunternehmen erhoben. Im Jahr 2024 zeichnen sich erneut besonders zwei Entwicklungen ab: Erstens, immer mehr Frauen gelangen in Spitzenpositionen in der österreichischen Unternehmenslandschaft. Zweitens, dieser Fortschritt passiert im Schneckentempo und hauptsächlich dort, wo gesetzliche Vorschriften geltend werden.

Lichtblicke

Im Fokus stehen dieses Jahr die Best-Practice-Unternehmen, die bereits mindestens 40 Prozent Frauenanteil in der Geschäftsführung haben. Von den 200 größten und umsatzstärksten Unternehmen erfüllen 20 dieses Kriterium; sprich: jedes zehnte Unternehmen. 16 davon weisen ein ausgeglichenes Geschlechterverhältnis im Management von 40 bis 60 Prozent Frauen bzw. Männer aus, sie liegen in der sogenannten „Gender-Balance-Zone“. Im Aufsichtsrat ist der Frauenanteil historisch höher: 2024 können 44 der Top-200-Unternehmen einen Frauenanteil von mindestens 40 Prozent aufweisen. Im Sample jener 32 börsennotierten Unternehmen, die unter die seit 2018 geltende Quotenpflicht im Aufsichtsrat von mindestens 30 Prozent Frauen fallen, sind es bereits 13 (40,6 Prozent), die die 40-Prozent-Schwelle erreichen. Im Vorstand schaffen es von diesen 32 Unternehmen allerdings auch nur vier auf die Best-Practice-Liste.

Leuchttürme

Trotz einzelner Lichtblicke bleiben auch in diesem Jahr Leuchttürme – in Form einer deutlichen strukturellen Verbesserung der Chancengleichheit im Management – aus. Der Frauenanteil in den Vorständen der Unternehmen des Börsenleitindex ATX liegt Anfang 2024 bei lediglich 11,8 Prozent. Das ist auch im europäischen Vergleich erschreckend niedrig. Österreich liegt damit auf dem vorletzten Platz in der europäischen Vergleichsgruppe (EU-Schnitt: 22,2 Prozent), nur in Luxemburg sind noch weniger Frauen unter den Mitgliedern der Entscheidungsgremien mit Exekutivfunktion zu finden. Als Referenz: In Deutschland, wo seit 2022 eine Mindestbeteiligung für Vorstandsmitglieder börsennotierter und paritätisch mitbestimmter Unternehmen von einer Frau und einem Mann ab einem dreiköpfigen Vorstand gilt, ist der Frauenanteil in den DAX-Unternehmen mit 23,5 Prozent doppelt so hoch wie in Österreich. Die Trägheit der Entwicklung zeigt sich auch bei einem Blick auf die Neubesetzungen, die im vergangenen Jahr in die Vorstände und Geschäftsführungen bestellt wurden. In den Top-200-Unternehmen wurden insgesamt 100 neue Geschäftsführungspositionen besetzt, 19 davon, also nicht einmal jede fünfte, mit einer Frau. Im Vergleich zu den derzeit 12,2 Prozent Frauenanteil in den Geschäftsführungen und Vorständen dieser Unternehmen sind 19 Prozent immerhin ein positiver Trend. Etwas besser ist die Lage in den ATX-Unternehmen: Dort waren im vergangenen Jahr bereits 29,4 Prozent der Neubesetzungen im Vorstand weiblich.

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Legislatur

Jahr um Jahr zeigt sich, Fortschritt passiert nur dann, wenn es sein muss. Bereits seit 2018 gilt eine verbindliche Quote von mindestens 30 Prozent Frauen in den Aufsichtsratsgremien großer und börsennotierten Unternehmen. Seitdem kann das Potenzial der Quote klar beobachtet werden: 2017, vor Einführung der Quote, lag der Frauenanteil in den Aufsichtsräten aller börsennotierten Unternehmen im Durchschnitt bei insgesamt 16,1 Prozent.  Anfang 2024 liegt der Anteil unter den quotenpflichtigen Unternehmen nun bei 36,5 Prozent, hat sich also um mehr als 20 Prozentpunkte gesteigert. In den Börsenunternehmen ohne Quotenpflicht sind es 20,3 Prozent und damit lediglich 4,2 Prozentpunkte mehr als vor sieben Jahren. Mit dem Beschluss der EU-Richtlinie zur „Gewährleistung einer ausgewogenen Vertretung von Frauen und Männern unter den Direktoren börsennotierter Gesellschaften und über damit zusammenhängende Maßnahmen“ Ende 2022 wurde eine weitere Maßnahme zur Stärkung eines ausgeglichenen Geschlechterverhältnisses in Führungsgremien erlassen. Bis Ende Juni 2026 sollen mindestens 40 Prozent der Posten nicht geschäftsführender Direktor:innen bzw. 33 Prozent aller Unternehmensleitungsposten vom unterrepräsentierten Geschlecht besetzt werden. Mit der Richtlinie will man nun endlich auch transparente Einstellungsverfahren in Unternehmen erreichen. Dies ist wichtig, da bei der Rekrutierung in Spitzenfunktionen formale Kriterien in den Hintergrund geraten. Vermeintliche Hürden, wie mangelnde Qualifikation (obwohl mehr Frauen als Männer in der EU ein Universitätsstudium abschließen), fehlende Erfahrung oder gar vermeintliche „weibliche“ Eigenschaften, werden vorgeschoben. Rekrutiert wird primär nach dem Prinzip der Ähnlichkeit, was bedeutet, dass Führungskräfte nach jüngeren Ausgaben von sich selbst suchen, wodurch der Frauenanteil mit jeder Hierarchieebene systematisch abnimmt: Es resultiert in dem als „gläserne Decke“ bezeichneten Phänomen, das hoch qualifizierte Frauen als unsichtbare Barriere am beruflichen Aufstieg hindert.

Luft nach oben

Dass mit Blick auf die Gleichberechtigung von Frauen in der Wirtschaft hierzulande Aufholbedarf besteht, macht der internationale Vergleich deutlich: Im Global Gender Gap Report 2023 des Weltwirtschaftsforums (WEF) erreicht Österreich in der Frage der wirtschaftlichen Partizipation von Frauen unter 146 Ländern lediglich den 74. Rang, in der Frage des verdienten Einkommens sogar nur den 92. Platz. Während der Frauenanteil in den Aufsichtsräten dank Quotenregelungen sukzessive steigt, bleibt die Geschäftsleitung unverändert eindeutige Männerdomäne. Es waren bisher individuelle Initiativen der europäischen Länder, die den notwendigen nächsten Schritt setzen und das Erfolgsmodell Quote auf den Vorstand übertragen. Der Beschluss der EU-Richtlinie ist ein wichtiger Schritt zur ausgeglicheneren Geschlechterquote in den europäischen Unternehmen. Jetzt ist die österreichische Politik am Zug, um die erforderlichen Maßnahmen für die Gleichstellung der Geschlechter an der Spitze der Wirtschaft zu setzen.

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