In der Güter- und Personenbeförderung auf Straße und Schiene fehlen qualifizierte Arbeitskräfte – vor allem aber fehlt es an Frauen! Warum gibt es auch 2024 immer noch so wenig Frauen hinter dem Lenkrad eines Busses, Lkws oder im Führer:innenstand einer Lok? Welche Ursachen hat die männliche Dominanz in diesem Sektor? Welche Maßnahmen sind erforderlich, um mehr Frauen für diese Berufe zu gewinnen und die Arbeitsbedingungen dieser Branche insgesamt attraktiver zu gestalten?
Die US-amerikanische Feministin Audre Lorde drückte die Grundschwierigkeit sehr eindrucksvoll aus: „Es sind nicht unsere Unterschiede, die uns trennen. Es ist unsere Unfähigkeit, diese Unterschiede anzuerkennen, zu akzeptieren und zu feiern.“ Der Kampf um Gendergerechtigkeit in der Verkehrsbranche kann nur erfolgreich geführt werden, wenn die Gründe deutlich werden, warum dieser starke Aufholbedarf bei der Beschäftigung von Frauen besteht. Und dies, obwohl die Branchen generell dringend Arbeitskräfte suchen und viele Unternehmen gezielt versuchen, insbesondere Frauen anzuwerben. Die Klimakrise fordert einem ökologischen Umbau unserer Gesellschaft und hierbei wird der Verkehrssektor eine entscheidende Rolle spielen. Deshalb müssen angemessene Arbeitsbedingungen für Arbeitnehmer:innen geschaffen werden, damit sie mitarbeiten können, durch den Umstieg auf öffentliche Verkehrsmittel den Anteil des Individualverkehrs zu senken, der für einen Großteil des C02-Ausstoßes in Österreich verantwortlich ist. Der Raubbau an der Natur findet seine nahtlose Fortsetzung in der Ausbeutung der Menschen. Es lassen sich nur deshalb so viele Güter konkurrenzlos günstig per Lkw transportieren, weil die Arbeitsbedingungen in der Branche vergleichsweise schlecht sind. Menschenwürdige Arbeitsbedingungen machen somit unsere Welt gerechter und zugleich ökologischer. Für einen sozialen und ökologischen Umbau muss bei Bus oder Bahn der Beruf für Frauen attraktiver werden.
Busse: alltägliche Schwierigkeiten und Imagefragen
Die Ursachen, warum die Attraktivierung des Berufsbildes der Busfahrer:in bisher nur unzureichend gelang, sind vielfältig. Selbstverständlich spielen die Arbeitsbedingungen, wie insbesondere die Schichtarbeit, aber auch das Arbeitsumfeld eine große Rolle. Der Beruf der Busfahrerin ist physisch und psychisch anspruchsvoll. Oft sind lange Fahrten, unregelmäßige Arbeitszeiten und sogar Übernachtungen im Bus erforderlich. Diese Aspekte wirken auf viele Frauen abschreckend, da sie eine starke Belastung für das Privat- und Familienleben darstellen. Für Frauen, die oftmals immer noch einen größeren Teil der Familienarbeit übernehmen, kann es schwer sein, die langen Arbeitszeiten und auswärtigen Übernachtungen mit familiären Verpflichtungen zu vereinbaren. Im Verkehrsbereich gibt es bisher nur wenige flexible Arbeitszeitmodelle oder Teilzeitangebote, die es einfacher machen würden, die Familie mit dem Beruf in Einklang zu bringen.
Auch das Image der Branche ist nicht mehr zeitgemäß. Der Beruf des Busfahrers wird immer noch oft als „Männerberuf“ angesehen. Dadurch fühlen sich Frauen abgeschreckt oder haben das Gefühl, dass sie sich in dieser männerdominierten Umgebung nicht wohlfühlen würden. Traditionelle Rollenvorstellungen und gesellschaftliche Erwartungen spielen hier eine wesentliche Rolle. Ein weiterer wesentlicher Punkt betrifft Sicherheitsbedenken. Übergriffe durch gewalttätige Fahrgäste nehmen zu, auch weil die zunehmende Hitze die Aggressionsbereitschaft steigert. Diese Gefahren stellen eine zusätzliche Hürde für den Beruf dar. Obwohl aktuell konkrete und belastbare Zahlen fehlen, gehen Schätzungen in der Branche davon aus, dass der Frauenanteil bei Busfahrer:innen österreichweit bei bis zu 20 Prozent liegt. Regional bestehen erhebliche Unterschiede, auch ein Stadt-Land-Ungleichgewicht ist feststellbar. Für einen Imagewandel in der Branche braucht es Werbung und Förderung, die zeigt: Frauen können das, Frauen sollen sich sicher fühlen und Frauen sind hochwillkommen.
Konkrete Verbesserungen müssen her
Die Verbesserung der Arbeitsbedingungen könnte den Frauenanteil erhöhen. Bisher ist es leider so, dass das Fehlen sozialer Infrastruktur wie Pausen- und saubere Sanitärräume dazu führt, dass Frauen nicht einmal in Erwägung ziehen, in diesem Sektor arbeiten zu wollen. Viele Busse, Triebwägen sowie Lkw-Raststätten und Einrichtungen an den Bahnhöfen sind häufig für Frauen, aber auch für Männer nicht adäquat ausgestattet. Beispielsweise gibt es häufig keine getrennten Sanitäranlagen oder Umkleidemöglichkeiten. Viele Unternehmen haben erkannt, dass Frauenbeschäftigung Potenzial hat, aber es gibt oft zu wenig greifbare Maßnahmen, um Frauen zu ermutigen oder ihnen die Ausbildung finanziell zu erleichtern.
Mittlerweile gibt es allerdings schon einige Firmen, die sich gezielt dafür einsetzen, Verkehrsberufe für Frauen attraktiver zu gestalten. Sei es durch die Anpassung von Lkw-Ausstattungen, passende Arbeitsschutzbekleidung, gezielte Ausbildungsförderung oder verbesserte Sicherheitskonzepte, um Frauen vor Gewalt und sexueller Belästigung am Arbeitsplatz zu schützen. Planbare Freizeit und gezielte Werbung können langfristig helfen, zukünftig mehr Frauen für den Verkehrssektor zu begeistern. Die Verkehrsbranchen würden von einer stärkeren Diversität in den Reihen ihrer Fahrer:innen jedenfalls profitieren. Unternehmen, die das bereits erkannt haben, sind auch zunehmend bereit, Schritte in diese Richtung zu gehen – doch eine spürbare Veränderung braucht mehr Impulse, Vorbilder und wohl auch einen langen Atem.
Österreich: Bahnland Nummer eins?
Die Bahn ist fraglos ein wichtiges Instrument im ökologischen und sozialen Umbau. Auch die Bahnbranche leidet unter Fachkräftemangel und zu geringer Attraktivität für Frauen. Mit über 1,5 Millionen Eisenbahner:innen in Europa lag der durchschnittliche Frauenanteil im europäischen Bahnsektor im Jahr 2023 bei 21,4 Prozent und damit laut Eurostat-Erhebung weit unter der europäischen gesamtwirtschaftlichen Frauenerwerbsquote von 46,5 Prozent. Während in Österreich die Frauenerwerbsquote mit 70,3 Prozent weit über dem europäischen Niveau liegt, arbeiten in den österreichischen Eisenbahnunternehmen nur 12,8 Prozent und nehmen mit diesem Wert zum wiederholten Mal im Vergleich zu 16 europäischen Ländern den letzten Platz ein, wie der „6. Women in Rail Report 2023“ zeigt. Im Gegensatz zu Österreich weisen Länder wie Schweden mit 40 Prozent und die Slowakei mit 35,8 Prozent die höchsten Quoten aus.
„Nicht überall ist Österreich das Bahnland Nummer eins, denn bei der Frauenbeschäftigung ist die Bundesbahn europäisches Schlusslicht“, analysiert Olivia Janisch, Bundesfrauenvorsitzende der Verkehrsgewerkschaft vida und zeigt sich gleichzeitig zuversichtlich, dass „es mit Blick auf Schweden und die Slowakei jedenfalls möglich ist, mehr Frauen für die Eisenbahnbranche zu begeistern“. Während im Top-Management der österreichischen Bahnen Frauen mit 27,3 Prozent vertreten sind, liegt insbesondere in den eisenbahnspezifischen Berufen, wie beispielsweise in der Fahrdienstleitung (7,9 Prozent), im Lokfahr- (2,7 Prozent) und Zugbegleitdienst (15 Prozent), Österreich im europäischen Vergleich auf dem letzten Platz. Hürden sind wie bei den Busfahrerinnen auch für die Eisenbahnerinnen unregelmäßige Schichtdienste. Die fehlende betriebliche Kinderbetreuung erschwert zudem die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben. Gewalt und sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz sind ebenso schwerwiegende Gründe, weshalb sich Frauen gezwungen sehen, die Branche zu wechseln. Gleichzeitig hakt es auch an vergleichsweise trivialen Arbeitsbedingungen, wie mangelnde Arbeitsschutzbekleidung in passender Größe sowie ausreichende und saubere Sanitäranlagen, wobei Letzteres auch für männliche Eisenbahner ein Problem darstellt. Die Eisenbahner:innen betonen allerdings die – aufgrund des vergleichsweise hohen gewerkschaftlichen Organisationsgrades – gute und transparente Entlohnung.
Bahn frei für Frauen – europäische Sozialpartner einigen sich
Der „Women in Rail Report“ wird seit 2012 erstellt und untersucht 28 Bahnunternehmen aus 21 europäischen Ländern. Er diente als Grundlage für die zähen Verhandlungen zwischen den Sozialpartnern zur Einigung auf verbindliche frauenfördernde Maßnahmen. Ende 2021 wurde das Sozialpartnerabkommen unterzeichnet, das die verbindliche Umsetzung von frauenfördernden Maßnahmen vorsieht. Der Maßnahmenkatalog umfasst die Einführung von Zielquoten, Arbeitszeitflexibilisierung für die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben, Förderung der Karriereentwicklung, Lohntransparenz, Gesundheit und Sicherheit und die Bekämpfung sexueller Belästigung.
Die Bahnbranche ist eine Zukunftsbranche und kann hinsichtlich des demografischen Wandels nicht auf weibliche Talente verzichten. Die Sozialpartner haben nun zwei Jahre Zeit, um die vereinbarten Maßnahmen umzusetzen. Innerhalb der ÖBB wurde mit der „Diversity Charta“ festgelegt, den Frauenanteil im Gesamtkonzern von aktuell 14 auf 17 Prozent bis 2026 zu erhöhen. Als einer der größten Lehrlingsausbildner in Österreich, zeichnet sich hier ein positiver Trend ab. Aufgrund aktiver Anwerbung von weiblichen Lehrlingen konnte seit 2019 der Anteil an weiblichen Lehrlingen von 18 auf 21 Prozent angehoben werden.
Ein weiterer wichtiger Meilenstein für alle Branchen erfolgt nun mit der Umsetzung der EU-Lohntransparenzrichtlinie als wichtiges Instrument, um den Gender-Pay-Gap endlich zu schließen. Nur wenn Politik und Unternehmen den Weg für mehr Frauen in der Transportbranche freimachen, indem sie ihnen eine soziale und faire Beschäftigung ermöglichen, kann der Bus- und Bahnverkehr einen bedeutenden Beitrag zu einer ökologischeren Gesellschaft leisten.
Dieser Beitrag ist in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift Wirtschaft und Umwelt 4/2024 im Schwerpunkt Klima und Gender erschienen.