Ein Ausweg aus der wirtschaftlichen Krise in Spanien wird ohne eine Aufwertung des produzierenden Sektors bzw. einer höheren Fertigungstiefe nicht möglich sein. Jedoch sind weder „der Markt“ noch die konservative Krisenlösungsstrategie in der Lage, für eine Modernisierung der Produktion zu sorgen, die auf technologischem Fortschritt, höherwertige Produkte und einem höheren Bildungs- und Qualifikationsniveau beruht. Aktive Industriepolitik ist deshalb von zentraler Bedeutung.
Während die gesamte europäische Industrie zunächst von der Krise schwer getroffen wurde, verlief die anschließende Erholung uneinheitlich: In Österreich hat die Industrieproduktion Ende 2012 bereits das Ausgangsniveau von 2007 wieder erreicht, in Deutschland liegt sie nur noch wenig darunter (-1,4 %); In den anderen drei großen Volkswirtschaften der Eurozone bleibt sie jedoch noch deutlich zurück (Frankreich -13,5 %, Italien -20,8 % und Spanien sogar -27,1 %). Ähnlich schlecht entwickelte sich die Beschäftigung in der Industrie in den Krisenländern.
Die Deindustrialisierung und der Verlust an Produktionspotential gehören somit zu den schwerwiegendsten Problemen, die die spanische Volkswirtschaft zu meistern hat. Als weitere sind die hohe Verschuldung der privaten und öffentlichen Wirtschaftsakteure, die soziale und regionale Ungleichheit, der sehr eingeschränkte Zugang zu Bankkrediten und den internationalen Kapitalmärkten, hohe Finanzierungskosten sowie aus dem Gleichgewicht geratene öffentliche Haushalte bzw. außenwirtschaftliche Salden zu nennen.
Die Senkung der Arbeitskosten ist keine Lösung
Obwohl der Anstieg der Arbeitskosten vor der Krise bemerkenswert war, so sind diese angesichts nach wie vor niedriger Stundenlöhne in der spanischen Industrie immer noch günstig (sie erreichen nicht einmal zwei Drittel des Niveaus in Deutschland bzw. Frankreich und nur 86,5 % von Italien). Insofern überrascht es, dass viele Ökonominnen bzw. Institutionen – aktuell insbesondere IWF und EU-Kommission – sowie die sozialdemokratischen wie auch konservativen Regierungen in Spanien ähnliche Ziele hinsichtlich der Kostensenkung verfolgen, die Einschränkung des Arbeitsrechts, die Schwächung des Kollektivvertragssystems sowie allgemeiner die Beseitigung von Beschränkungen für Unternehmen betreffend der Gestaltung der Arbeitsbedingungen ihrer Beschäftigten umfassen.
Eine Lösung der Krise wird durch eine substanzielle Arbeitskostensenkung jedenfalls nicht möglich sein. Erstens ist anzuführen, dass der angebliche Verlust an Wettbewerbsfähigkeit fraglich ist: In Wahrheit sind die Reallöhne pro Kopf von 1998 bis 2006 gesunken, und zwar deutlich stärker als die Produktivität pro Beschäftigtem. Sucht man nach Gründen für diesen Rückgang, so wird man nicht beim inexistenten Anstieg der realen Lohnstückkosten fündig, sondern beim ausbleibenden technischen Fortschritt, der starken Aufwertung des Euro zwischen 2002 und 2008, dem geringeren relativen Forschungsaufwand sowie der spezifischen Wirtschaftsstruktur in Spanien, die geprägt ist von Klein- und Mittelunternehmen sowie einer historischen Spezialisierung auf Sektoren mit relativ geringer Technologiedichte.
Zweitens ist festzuhalten, dass trotz des angeblichen Verlusts an preislicher Wettbewerbsfähigkeit dieser in Wahrheit keinen oder kaum einen Effekt auf die Exporte hatte, wie der laufende Anstieg der Exporte von Industriewaren bzw. die weitgehend stabilen Exportmarktanteile Spaniens zeigen.