Auch wenn in Spanien technisch gesehen die Rezession überwunden ist, spürt der Großteil der dort lebenden Menschen vom ausgerufenen Ende der Krise noch nichts. Ihre Perspektive wird von Massenarbeitslosigkeit, schrumpfenden verfügbaren Einkommen, Abbau der Arbeitsmarktstandards, schlechteren öffentlichen Leistungen und politischem Frust geprägt. Wird die schwelende soziale und politische Krise nicht überwunden, so wird auch die wirtschaftliche Situation fragil bleiben.
Ende 2013 verkündete der mit absoluter Mehrheit regierende konservative spanische Ministerpräsident, dass Spanien die Krise mit einer gestärkten Wirtschaft und sinkender Arbeitslosigkeit bereits hinter sich lassen würde. Die harten Sparprogramme, Lohnsenkungen und der Abbau von Arbeitsmarktstandards wären nicht die Ursache für eine Verlängerung der Rezession und weiteren Arbeitsplatzverlusten, sondern vielmehr eine notwendige Bedingung für einen Ausweg aus der Krise. Er ist mit dieser Einschätzung nicht allein. Unterstützt wird er insbesondere von den BefürworterInnen der neoliberalen Spar- und Wettbewerbspolitik, die dringend eine Erfolgsstory brauchen.
Der Fall Spanien ist aber nicht nur für die politische Auseinandersetzung von besonderer Bedeutung, sondern auch aufgrund der volkswirtschaftlichen Relevanz innerhalb der Eurozone: Die Wirtschaftsleistung beträgt etwa das Zweifache aller Länder mit Troika-Intervention (Griechenland, Irland, Portugal und Zypern) zusammen; Und von den knapp 8 Mio zusätzlichen Arbeitslosen in der Eurozone seit Krisenbeginn leben etwa die Hälfte in Spanien.
Massenarbeitslosigkeit als zentrales Problem
Das größte Problem ist nach wie vor die seit Jahren vorherrschende Massenarbeitslosigkeit, die selbst am geplanten Ende der Legislaturperiode 2015 laut Prognosen immer noch nicht wesentlich unter 25 % gesunken sein wird. Zu berücksichtigen ist weiters das starke Gefälle nach Alter und Regionen: So beträgt die Arbeitslosenrate im größten Bundesland Andalusien weit über ein Drittel; bei den Jugendlichen erreicht sie spanienweit rund 55 %.
2013 ging zwar die Arbeitslosigkeit erstmalig leicht zurück – allerdings nur deshalb, weil mehr Arbeitskräfte auswanderten als Jobs vernichtet wurden. Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, wenn die Regierung nun versucht, diesen Rückgang als Erfolg ihrer Politik darzustellen. Sie liegt damit aber nicht ganz falsch. In der Tat dürfte das Prestigeprojekt der Regierung – die Arbeitsmarktreformen – die Auswanderung beflügelt haben. Im Inland vor die Wahl gestellt zwischen Arbeitslosigkeit und schlecht bezahlten Jobs ohne mittelfristig stabile Perspektive, entscheiden sich gerade Jugendliche immer öfter für die Auswanderung.
Die Arbeitsmarktreformen treffen aber auch die Lohnabhängigen insgesamt, da sie Kündigungen bzw. Lohnsenkungen erleichtern und die Gewerkschaften dauerhaft schwächen. So werden die in den drei Jahrzehnten nach der Franco-Diktatur halbwegs etablierten sozialpartnerschaftlichen Strukturen im Rekordtempo demontiert. Insbesondere war das Kollektivvertragssystem Zielscheibe der Reformen, indem beispielsweise der betrieblichen Ebene Vorrang eingeräumt wurde oder nun Unternehmen relativ einfach einseitig die Arbeitsverträge verschlechtern können.
Ignorierte Binnennachfrage, überschätzte Exporte
Eines der makroökonomischen Hauptprobleme besteht darin, dass die Binnennachfrage als Folge der Reformen weit stärker einbricht als von den Exporten kompensiert werden könnte (die durch gewonnene preisliche Wettbewerbsfähigkeit aufgrund sinkender Lohnkosten beflügelt sein müssten). Angesichts folgender Fakten kann dieses Problem jedoch lediglich aus der ideologisch verblendeten Perspektive der Regierung sowie den BefürworterInnen der neoliberalen Spar- und Wettbewerbspolitik auf europäischer Ebene überraschend erscheinen:
- Der Anteil des – im Wesentlichen von Löhnen und Staatsausgaben getriebenen – Inlandskonsums an der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage beträgt knapp das Dreifache der Exporte.