Finanzspritzen für Unternehmen, katastrophale Bedingungen für die Beschäftigten, Dieselgate und Klimakiller: Der Verkehr wird immer mehr zum Problemfall in Europa. Viele Entwicklungen sind dabei nicht die unmittelbare Folge der Corona-Krise. Sie sind vielmehr Folge eines jahrelangen ruinösen Wettbewerbs, bei dem jene Unternehmen bestraft werden, die sich sozial und ökologisch verantwortungsvoll zeigen. Auf der Strecke bleiben dabei Umwelt, SteuerzahlerInnen und Beschäftigte. Das neue EU-Verkehrskonzept sollte sich daher von eingeschlagenen Wegen verabschieden.
Ökologische Verkehrswende braucht mehr als grüne Schlagzeilen
Geht es nach der Europäischen Kommission (Generaldirektion für Mobilität und Verkehr), soll demnächst der Fahrplan für die Verkehrspolitik der nächsten Jahre vorgestellt werden. Der Verkehr soll „klimafit“ gemacht werden. Die EU-Verkehrsregelungen werden künftig auf ihre Folgen für die Umweltzerstörung geprüft und dem sogenannten „no harm principle“ („Niemandem-schaden-Prinzip“) unterliegen.
Eine härtere Gangart gegenüber einer schrankenlosen, auf fossilen Treibstoffen ausgerichteten Mobilität ist sicherlich erforderlich, denn der Verkehr entwickelt sich mehr und mehr zur Achillesferse der Klimaschutzpolitik. Allerdings bleibt abzuwarten, ob dieser Ankündigung auch die entsprechenden Taten folgen. Schon in den letzten Weißbüchern der Europäischen Kommission (2001 und 2011) wurde die Ökologisierung des Verkehrs in den Fokus gerückt. Entsprechende Maßnahmen wurden aber nicht gesetzt, oder es wurden die ambitionierten Kommissionsziele von den Mitgliedsstaaten verwässert (Dieselgate, Ausnahme von Fahrverboten usw.). Die Bemühungen sind letztlich kläglich gescheitert, Verkehrs- und Wirtschaftswachstum konnten nicht entkoppelt werden, die Belastungen des Verkehrs nehmen stark zu.
Das seit Jahren andauernde Verfehlen der Unionsziele liegt zum einen an der zögerlichen Politik im Bereich der Anlastung der umweltbezogenen Auswirkungen bei der Straße und in der Luftfahrt. Zum anderen liegt das am ebenso zögerlichen Infrastrukturausbau bei Schiene, Wasserstraße, Rad- und Fußverkehr. Die Förderprogramme der EU forcieren zwar allgemein den Bau grenzüberschreitender Schienenprojekte, diese können das Schrumpfen des Netzes durch weitaus bedeutendere Streckenstilllegungen nicht verhindern. Das Straßennetz hingegen wächst stetig. Erschwerend kommt hinzu, dass die boomenden Agglomerationen, gerade abseits der Strukturfördergebiete, kaum von europäischen Förderungen profitieren. Da 80 bis 90 Prozent der Verkehre in den Ballungsräumen entstehen bzw. ebendort ihren Endpunkt haben, entscheidet sich gerade dort die Verkehrsträgerwahl für den gesamten Sektor.
Nichts zu gewinnen für die Bahnen: Diskriminierung mit System
Alle Gründe sprechen für die Bahn: Sie ist Klimaschützer, sicher, platzsparend, günstig, umweltfreundlich, wichtiger Standortfaktor und Rückgrat der Exportnationen. Die Bahn „kann“ schon jetzt Elektromobilität, sorgt allgemein für mehr Lebensqualität und schafft Arbeitsplätze. Trotzdem verliert sie vielerorts an Marktanteilen, vor allem an die Straße. Dies, obwohl Pkw oder Lkw all diese gesellschaftlichen „Goodies“ nicht oder nur zu einem weitaus geringeren Teil aufweisen können.
Hauptpfeiler der EU-Verkehrspolitik ist der Wettbewerb, verknüpft mit der Annahme, die Marktmechanismen würden auch im Verkehr „automatisch“ zum volkswirtschaftlichen Optimum führen. Dabei zeigen die Europa- und EU-Meister (Schweiz und Österreich) ganz klar: Der Erfolg liegt nicht am Grad der Marktöffnung, sondern – ganz im Gegenteil – an der Direktvergabe ohne Ausschreibung und dem klaren politischen Bekenntnis für eine starke Bahn.
Davon völlig unbeeindruckt setzt die EU-Kommission auf weitere Marktöffnungsschritte. Notwendige begleitende Maßnahmen wurden allerdings nicht gesetzt, und so sehen sich Unternehmen, Beschäftigte und ganze Verkehrsträger mit unfairen Praktiken konfrontiert, die ihnen eine Teilnahme am freien Markt unmöglich machen. Insbesondere Luft und Straße tragen keinesfalls ihre verursachten externen Kosten (Lärm, Schadstoffe, CO2, Flächenverbrauch, Klimakosten usw.). Diese werden auf die Allgemeinheit abgewälzt, statt Fairness gibt es unlautere Bedingungen.