Stimme für Demokratie: nachhaltiger Wandel für ein gerechteres Europa

26. April 2024

Das Superwahljahr 2024 in Österreich geht in die nächste Runde. Die Europawahl am 9. Juni steht vor der Tür. Sie entscheidet darüber, ob die EU ihren in vielen Fragen eingeschlagenen progressiven Weg weiterverfolgen oder ob sie zurück in die Ära der neoliberalen Wirtschafts- und Sozialpolitik fallen wird. Mit der Initiative „Stimme für Demokratie“ wollen ÖGB und AK ein starkes Zeichen setzen und möglichst viele Menschen am 9. Juni zu den Wahlurnen bringen. Aus diesem Anlass startet der A&W-Blog eine Sonderserie, in der in den nächsten Wochen aktuelle EU-politische Themen diskutiert werden.

Was für Arbeitnehmer:innen auf dem Spiel steht

Die derzeitigen Mehrheitsverhältnisse haben dem Europäischen Parlament (EP) eine vergleichsweise fortschrittliche Politik ermöglicht. Dadurch fungierte das EP bei ganz vielen wichtigen Dossiers (z. B. Richtlinien zu den Mindestlöhnen, zur Lohntransparenz, zur Plattformarbeit oder zu den Lieferketten sowie zu den zentralen Aspekten des European Green Deal) als treibende Kraft in der Rechtsetzung. Ohne Übertreibung kann das derzeitige EP als wichtiger Verbündeter der Arbeitnehmer:innen und Gewerkschaften betrachtet werden. Ein Rechtsruck würde dieses Selbstverständnis zum Erliegen bringen. Denn er würde nicht nur wichtige Errungenschaften des Green Deal (z. B. Verbrennerverbot ab 2035) infrage stellen, sondern uns alle zurück in die Ära der Sparmaßnahmen führen und bestenfalls einen Stillstand, wenn nicht gar Rückschritte bei Sozial- und Klimapolitik oder Gleichstellung mit sich bringen.

Damit aber nicht genug. Denn über eine „gewöhnliche“ rechtskonservative Wende hinaus stehen mit einem denkbaren Durchmarsch nationalistischer bis rechtsextremer Kräfte auch Grundpfeiler unserer Demokratie auf dem Spiel. Dem müssen wir uns gemeinsam entgegenstemmen!

Mobilisierung für ein arbeitnehmer:innenfreundliches Europa

Um dem drohenden Schreckensszenario von Rückschritt, Austerität und Demokratieabbau entgegenzuwirken, gilt es, auf eine stabile zukunftsorientierte Mehrheit im EU-Parlament hinzuarbeiten. Das erklärte Ziel aller progressiven Kräfte in Europa muss es sein, ein Europa zu gestalten, das auf Vollbeschäftigung, angemessene Löhne, hochwertige öffentliche Dienstleistungen, Gleichberechtigung und starke Arbeitnehmer:innenrechte setzt. Gleichzeitig gilt es, den Kampf gegen die Klimakrise voranzutreiben und damit anderen Weltregionen als Vorbild zu dienen. Mit einem selbstbewussten Europäischen Parlament können wir schließlich eine starke europäische Gegenmacht bilden, um dem Lobbyismus der großen Wirtschaftskonzerne, der auf eine Durchsetzung neoliberaler Politikmuster gerichtet ist, entsprechend Paroli zu bieten.

Stimme für Demokratie als Leitmotto

Um diese Vision zu verwirklichen, ist eine aktive Teilnahme breiter Bevölkerungsteile an der Europawahl 2024 von entscheidender Bedeutung. Zu diesem Zweck haben ÖGB und AK unter dem Motto „Stimme für Demokratie“ eine breite Mobilisierungsinitiative ins Leben gerufen. Sie zielt darauf ab, Menschen dazu zu ermutigen, ihre Stimme zu erheben und am 9. Juni unbedingt wählen zu gehen. Denn jede abgegebene Stimme trägt dazu bei, eine gerechtere und solidarischere EU zu schaffen und die Demokratie gegenüber autoritären und extremistischen Tendenzen zu stärken.

Grafik: Stimme für Demokratie © A&W Blog
© A&W Blog


Mithilfe von Informationsbroschüren, Diskussionsveranstaltungen, einer eigenen Informations-Webseite und weiteren Kommunikationsmaßnahmen vermittelt die Mobilisierungsinitiative den Bürger:innen die Bedeutung einer hohen Wahlbeteiligung und wirbt für eine gerechtere und solidarischere EU. Über ein Kontaktformular stehen die Expert:innen der AK für die Beantwortung von allerlei Fragen zur EU und den EP-Wahlen zur Verfügung. Genau damit soll auch der grassierenden Verunsicherung durch diverse EU-Mythen, bewusst gestreuten Falschmeldungen bis hin zu Verschwörungstheorien begegnet werden.

Sonderserie am A&W Blog

Die Initiative „Stimme für Demokratie“ wollen wir mit einer umfassenden A&W-Blog-Serie entsprechend begleiten. Dieser Artikel markiert den Beginn dazu. Auf der Website der Initiative werden viele wichtige Aspekte der EU-Wahl und Forderungen an das nächste Europäische Parlament aufgezeigt. Ergänzend dazu bietet die A&W-Blog-Serie die Möglichkeit, weiter in die Tiefe zu gehen und jene Themenfelder genauer zu markieren, für die es sich in den nächsten fünf Jahren und darüber hinaus in der EU-Politik zu kämpfen lohnen wird.

Vision Europa: 5 Wege in eine gerechte Zukunft

Träumen wir nicht alle von einem Europa, in dem Freiheit, Frieden und Fairness herrschen? Ein Europa, das nicht nur redet, sondern auch handelt: indem es die Säule sozialer Rechte verwirklicht, den ökologischen Umbau vorantreibt und sich dem Einfluss mächtiger Lobbyist:innen entgegenstellt? Wir brauchen ein Europa, das Lohn- und Sozialdumping bekämpft, den Binnenmarkt auf die Bedürfnisse der Arbeitnehmer:innen und Verbraucher:innen ausrichtet und glaubwürdige Klima- und Nachhaltigkeitsabkommen vorantreibt, während es die Länder des Globalen Südens auf gleicher Augenhöhe einbezieht. Ein Europa, in dem das Europäische Parlament als Vertretung der Bürger:innen die bestimmende Kraft ist und auf die Interessen der Arbeitnehmer:innen und ihre Vertreter:innen hört, statt den Forderungen von Lobbyist:innen nachzugeben.

Auf dieser Vision basierend möchte die Initiative „Stimme für Demokratie“ fünf Wege für die kommende Legislaturperiode des Europäischen Parlaments vorzeichnen.

1. Das EU-Parlament als unsere Stimme für einen ökologischen Umbau für alle

Europa steht an einem richtungsweisenden Punkt im Kampf gegen die Klimakrise. Um das Ziel der Klimaneutralität bis 2050 zu erreichen, hat die EU den ehrgeizigen europäischen Grünen Deal ins Leben gerufen. Dies erfordert umfangreiche Investitionen in erneuerbare Energien, die Sanierung von Gebäuden und eine Umstellung auf klimaneutrale Mobilität.

Damit dieser Wandel gerecht und inklusiv ist, müssen angemessene soziale Sicherungen und hochwertige Arbeitsplätze geschaffen werden. Europa befindet sich in einem globalen Wettbewerb um grüne Technologien und es strebt an, bis 2030 40 Prozent des Bedarfs dieser Technologien selbst zu produzieren. Zudem bedarf es entsprechenden qualifizierten Personals.

Eine wesentliche Komponente dieses Umbaus ist die Mobilitätswende. Der Ausbau des öffentlichen Verkehrs, insbesondere des Bahnverkehrs, steht dabei im Mittelpunkt. Um den negativen Einfluss von Liberalisierung und Sparmaßnahmen zu vermeiden, ist ein starkes, arbeitnehmer:innenfreundliches Europäisches Parlament von wesentlicher Bedeutung. Es sollte sich aktiv für eine Verbesserung des Bahnverkehrs in der gesamten EU einsetzen und gegen eigenmächtige Marktöffnungspläne der EU-Kommission vorgehen.

2. Das EU-Parlament als unsere Stimme für einen starken Wohlfahrtsstaat

Das europäische Demokratiemodell basiert auf einem starken Wohlfahrtsstaat, der gute Arbeitsbedingungen und Ungleichheit in verschiedensten Lebenssituationen bekämpft. Das Europäische Parlament hat in der Vergangenheit wichtige Initiativen unterstützt, um die Rechte der Arbeitnehmer:innen zu stärken, wie die Mindestlohn-Richtlinie und die Verbesserung der Rechte von Plattformbeschäftigten.

Ein starkes Europäisches Parlament, gestärkt durch hohe Wahlbeteiligung, ist entscheidend, um für eine gerechtere Gesellschaft einzutreten und Mindeststandards im Arbeitsrecht festzulegen. In der kommenden Legislaturperiode werden Fragen wie der EU-weite Schutz vor unfairen Arbeitsvertragsklauseln und Maßnahmen gegen Scheinselbstständigkeit von zentraler Bedeutung sein.

Die EU-Abgeordneten müssen sich weiterhin für die Stärkung der Gleichstellung und die Überwachung der erkämpften Rechte in der EU einsetzen. Die Förderung leistungsstarker Sozialsysteme ist wichtiger als neoliberale Kürzungspolitik, um soziale Ungleichheiten zu bekämpfen und eine gerechte Gesellschaft zu schaffen, in der gute, fair bezahlte Jobs für alle Menschen Realität sind.

3. Das EU-Parlament als unsere Stimme gegen schmutzige Geschäfte im Binnenmarkt

Der EU-Binnenmarkt wird von wirtschaftlichen Interessen getrieben. Umso mehr bedarf es ebenso entsprechender Maßnahmen zum Schutz der Arbeitnehmer:innen. Trotz einiger Fortschritte bestehen weiterhin Probleme wie Lohn- und Sozialdumping bei der Entsendung von Arbeitskräften aus anderen EU-Ländern. Das kommende Europäische Parlament muss aktiv gegen diese Probleme vorgehen und fairere Bedingungen im Binnenmarkt sicherstellen.

Es darf auch nicht sein, dass sich Unternehmen unter dem Vorwand von Bürokratielasten wichtigen gesellschaftlichen Verpflichtungen entziehen können (wie zu Bilanzierungsregeln oder Konsument:innenschutzbestimmungen). Der EU-Binnenmarkt hat sich überdies in Krisen als wenig resistent erwiesen. Daher ist eine Neuausrichtung erforderlich, die die Anliegen der Arbeitnehmer:innen und Verbraucher:innen berücksichtigt. Auch Maßnahmen zur Steuergerechtigkeit müssen fortgesetzt und weiterentwickelt werden.

4. Das EU-Parlament als unsere Stimme für eine gerechte globale Zusammenarbeit

In einer von Krisen gezeichneten Welt braucht es Antworten, die den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts gerecht werden. Das endlich beschlossene EU-Lieferkettengesetz ist ein wichtiger Schritt hin zu gerechterem Handel und fairem Wettbewerb. Jedoch müssen noch weitere Maßnahmen ergriffen werden, um die Arbeitsbedingungen und Produktionsstandards bei global gehandelten Waren zu verbessern.

Handelsabkommen wie EU-Mercosur und EU-Chile dienen oft den Interessen großer Konzerne und stehen im Widerspruch zu den Klimazielen der EU. Es ist höchste Zeit für Klima- und Nachhaltigkeitsabkommen, die soziale und ökologische Ziele in den Vordergrund stellen.

Für den Strukturwandel der europäischen Wirtschaft sind kritische Rohstoffe aus dem Globalen Süden unverzichtbar. Es bedarf neuer Partnerschaften auf Augenhöhe, die gerechte Wirtschafts- und Arbeitsbeziehungen fördern, um den notwendigen Wandel zu ermöglichen.

5. Das EU-Parlament als unsere Stimme für Demokratie

Die Wahlen zum Europäischen Parlament sind entscheidend, um die Demokratie zu stärken und die Interessen der Arbeitnehmer:innen zu fördern. Eine bürgernähere und handlungsfähigere EU ist jenes Ziel, das sich auf längere Sicht auch durch Änderungen der EU-Verträge noch besser erreichen lässt. Das Europäische Parlament sollte als die hauptmaßgebliche Institution unter den EU-Organen fungieren und erweiterte Befugnisse erhalten, um Gesetze zu initiieren und andere EU-Organe (z. B. den Gerichtshof) zu ernennen.

Eine transparentere Entscheidungsfindung im Rat der EU, ein Übergang zu Mehrheitsentscheidungen in wichtigen Bereichen wie dem Steuerrecht und eine Reduzierung der Einflussnahme von Unternehmenslobbys sind ebenfalls zwingend erforderlich.

Eine demokratischere EU wäre nicht zuletzt auch weniger anfällig für Erpressungsversuche durch autoritär regierte Mitgliedstaaten und könnte international überzeugender auftreten. Gerade um die nächsten EU-Erweiterungen erfolgreich zu bewältigen, sind entsprechende Vorkehrungen im Rechtsrahmen der EU notwendig. Ein solides soziales Fundament muss Voraussetzung in allen potenziellen Kandidatenländern sein. Der Stärkung der Gewerkschaften kommt dabei eine zentrale Rolle zu.

Schalt dich auf laut! Unsere Stimme für Europa

Es steht also viel auf dem Spiel und es gibt vieles zu tun – in den kommenden fünf Jahren in Brüssel und Straßburg wie auch in den kommenden Wochen in Österreich und in allen anderen Mitgliedstaaten, wo die Wahlauseinandersetzungen geführt werden. Wendet euch an uns, wenn ihr noch mehr darüber wissen wollt oder auch an Materialien zur Mobilisierung interessiert seid. Lasst uns in diesem Sinne gemeinsam für ein Europa kämpfen, das unseren Werten von Freiheit, Fairness und Frieden entspricht. Verschaffen wir unserer Stimme am 9. Juni Gehör, während wir mutig den Weg zu einer gerechteren und nachhaltigeren europäischen Zukunft einschlagen.

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