Innovationsformate im Praxistest: Technologischer Fortschritt braucht Gestaltung und Beteiligung

25. August 2023

Technologischer Wandel ist geprägt von bestehenden Werten und Machtverhältnissen und folgt der Profitlogik des Kapitalismus. Für einen technologischen Beitrag zu einer besseren, sozialeren und klimagerechten Welt bedarf es einer Gestaltung, die Menschen und die Umwelt in den Mittelpunkt stellt. Die Frage aber, wie diese notwendige Gestaltung konkret angegangen werden kann, ist keine einfache. Ein Ansatz sind innovative Beteiligungsformate, um technologiebasierte Lösungsansätze für unsere großen Herausforderungen zu entwickeln, die der Gesellschaft dienen.

Formate für soziale Innovation nutzen

Hackathon und Design Sprint sind zwei Formate aus der Produkt- und Softwareentwicklung. Beide haben zum Ziel, das mit Forschung und Entwicklung assoziierte Risiko, kein oder kein relevantes Ergebnis, zu hohe Kosten oder zu lange Entwicklungszeiten, deutlich zu reduzieren. Gelingen soll das, indem schnell testbare Ergebnisse entwickelt und vorgestellt werden, um rasch Feedback zu erhalten, welches über die nächsten Schritte der Weiterentwicklung entscheidet. Damit wird verhindert, dass lange unhinterfragt an tatsächlichen Bedürfnissen vorbei entwickelt wird. Durch die frühzeitige Einbindung von Feedback soll eine Interdisziplinarität sichergestellt werden. Hackathons haben sich in der Industrie als Format etabliert, um über betriebsexterne Expertise zu Lösungen für gegebene Problemstellungen zu kommen. Ein weiteres Format ist das Konzept des Design Sprints zur Strukturierung eines fünftägigen Entwicklungszyklus. Die Problemstellung des Montags wird am Donnerstag zu einem Prototyp, der am Freitag getestet wird und dessen Testergebnisse den Auftrag für den kommenden Montag bilden.

In den vergangenen Monaten wurden diese Formate im Rahmen der Digitalisierungsoffensive der AK Wien weiterentwickelt, um soziale Innovationen zu fördern.

In Kooperation mit dem Center of Technology and Society (CTS) der TU Wien wurde ein erster Hackathon und mit dem Institut für Innovation und Digitalisierung im Recht der Universität Wien ein erster Legal Design Sprint pilotiert. Dabei wurden bereits im Vorfeld Problemstellungen bei der Arbeiterkammer, den Gewerkschaften und zivilgesellschaftlichen Vereinen erhoben. Diese reichten von der Organisierung un(ter)dokumentierter Paketzusteller:innen über die betriebsrätliche Organisierung im Homeoffice und die Organisierung bei Plattformbeschäftigten, Arbeitszeiterfassung, Arbeitszeitkontrolle bis hin zu Arbeitsmarktzugang für Drittstaatsangehörige.

Von ersten Ideen bis zur Umsetzung

An Hackathon und Legal Design Sprint nahmen Expert:innen, Praktiker:innen und Studierende teil, die sich zum Start gemeinsam in Methodik und Themen der Problemstellungen vertieften, wie etwa „Design Thinking“-Methoden oder Arbeits- und Fremdenrecht. Auf dieser gemeinsamen Basis konnten erste Lösungskonzepte erstellt und nach intensiver Auseinandersetzung mit ersten Ideen auch Prototypen entwickelt werden. Diese wurden einer Fachjury vorgestellt, begleitet wurde dieser Prozess von Moderator:innen und Design-Thinking-Methodiker:innen. Die Jury prämierte die besten Lösungsvorschläge in Kategorien, die sich auf die fachliche Exzellenz und Innovationskraft sowie die gesellschaftliche Relevanz bezogen.

Die Lösungsvorschläge und Prototypen umfassten folgende Themen:

  • digitale Rechtsinformations- und Auskunftsplattformen,
  • verschlüsselte Betriebskommunikation,
  • aufsuchende und digital vernetzende Community und Organisationsarbeit sowie
  • Anregungen und Strategien für Gesetze und die politische Interessenvertretung.

Aufgrund der sorgfältigen Auseinandersetzung und Auswahl der Prototypen konnten diese in einem nächsten Schritt zur Projektreife weiterentwickelt werden und werden für die tatsächliche Umsetzung durch den Digifonds der Arbeiterkammer Wien gefördert.

Neue Allianzen und Formate

Die technologischen Auswirkungen auf das Arbeitsleben verlaufen, genauso wie die Potenziale, entlang von Konfliktlinien und Spannungsfeldern. Diese zu fassen und zu adressieren bedeutet auch, sich neuen Allianzen und Formaten zu öffnen, wie etwa dem Zusammenbringen von Problemsteller:innen aus der Zivilgesellschaft mit der Lösungskompetenz junger Studierender aus Informatik und Rechtswissenschaften. Damit kann Technologie für die Gesellschaft partizipativer und inklusiver entwickelt werden, und neue Akzente für die Interessenvertretung und Organisation der Zukunft werden gesetzt.

Die Motivation der Teilnehmenden, die Intensität und Struktur der Formate sowie die klare zeitliche Begrenzung ermöglichen jedoch durchwegs kreative Lösungsansätze für gesellschaftliche Herausforderungen und bieten damit Inspiration für die Arbeit an der tatsächlichen Umsetzung.

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