Ob und wie sich der digitale Wandel auf berufliche Geschlechterstereotype auswirkt, wurde im EU-Projekt „DigiTyps“ von L&R Sozialforschung, dem Institut für höhere Studien (IHS), der bab Unternehmensberatung und dem Netzwerk österreichischer Frauen- und Mädchenberatungsstellen untersucht. Die Ergebnisse sind ernüchternd: Geschlechterstereotype halten sich auch in der digitalisierten Arbeitswelt hartnäckig. Mitarbeitende, Unternehmen, junge Menschen bei der Berufswahl und Berufsberater:innen schreiben soziale digitale Kompetenzen eher Frauen und technische digitale Skills eher Männern zu.
Unter der Oberfläche: stereotype Zuschreibungen liegen häufig im „Detail“
Stellt man jungen Menschen die Frage, ob das Geschlecht eine Rolle bei der Berufswahl spielt, dann wird – zumindest in unseren Fokusgruppen – meist einstimmig mit Nein geantwortet. Egal ob Frau, Mann oder abseits der Binarität – alle können machen, was sie wollen. Bei näherer Betrachtung zeigt sich allerdings recht schnell, dass Berufe und das Interesse nach wie vor ein „Geschlecht“ haben: Frauen „interessieren“ sich mehr für die Pflege, Männer eher für handwerklich-technische Berufe. Damit einher geht auch die Zuschreibung von Kompetenzen: Männer können Technik, Frauen haben soziale Kompetenzen.
Auch in Unternehmen bleiben stereotype Zuschreibungen bestehen
Im Einklang mit traditionellen Geschlechterstereotypen werden soziale und kommunikative Kompetenzen branchenübergreifend (schulische Bildung, Gesundheit und Pflege, Produktion, Informations- und Kommunikationstechnologie/IKT) weiterhin eher bei Frauen verortet, generelle technische Kompetenzen und umfassende Kenntnisse zu Informations- und Kommunikationstechnologien eher bei Männern. Einerseits werden dabei von den Respondent:innen Kenntnisse und Fähigkeiten, die vermehrt Frauen zugeschrieben werden, als für zunehmend digitalisierte Arbeitsabläufe besonders wichtig erachtet. Andererseits wird vielfach eine Tendenz dazu beobachtet, dass Planung, Entwicklung und Wartung im Zusammenhang mit neuen Technologien häufiger durch Männer erfolgt, während bei der Nutzung neuer Technologien kaum Geschlechterunterschiede beobachtet werden.
Haben digitale Kompetenzen ein Geschlecht?
Neben den bestehenden Stereotypen kommen bezogen auf den digitalen Wandel neue alte Stereotype hinzu: Sowohl junge Menschen als auch Bildungs- und Berufsberater:innen schreiben ausgewählte digitale Kompetenzen entlang stereotyper Geschlechtervorstellungen weiter. Dies entspricht dem traditionellen Bild: Bei sozial-digitalen Kompetenzen (z. B. Umgang mit Sozialen Medien) werden Frauen besser eingeschätzt, bei technisch-digitalen (z. B. Programmieren) hingegen Männer. Bei den befragten jungen Menschen sehen wir darüber hinaus, dass junge Frauen verstärkt zu einer vergeschlechtlichten Zuschreibung tendieren.