Neues Zeitalter der Technologie: das Cloud-Edge-Kontinuum als Herausforderung für die EU

09. November 2023

Europa steht an der Schwelle zu einer technologischen Revolution, die die Art und Weise, wie wir Daten verarbeiten und transferieren, grundlegend verändern wird. Das sogenannte Cloud-Edge-Kontinuum, eine wegweisende Entwicklung in der digitalen Welt zur Auslagerung von Hardware in den virtuellen Raum, erfordert innovative Ansätze und bahnbrechende Technologien, um globale Standards in Bereichen wie CO2-Neutralität, Cybersicherheit, Datenaustausch, Portabilität und Interoperabilität, insbesondere für die Industrie, zu setzen. Wird die EU den Ansprüchen gerecht?

Cloud-(Edge-)Computing und Digitale Dekade der EU

Um heutzutage wettbewerbsfähig zu bleiben, sind Produktionsmodelle, die auf dem extensiven Sammeln, Speichern und Verarbeiten von Daten, einer großen Rechenleistung und IT-Know-how beruhen, unverzichtbar. Wer auf eine höhere Rechenleistung zurückgreift, ist schneller, flexibler und kann beispielsweise auch Fehler schneller beheben als Mitbewerber:innen. Erst solche Produktionsmodelle sind es, die den Einsatz von Spitzentechnologien wie Künstlicher Intelligenz ermöglichen, da hierbei die Speicherung und Verarbeitung großer Datenmengen erforderlich ist. Die Lösung? Cloud-Computing. Bei diesem findet die Datenerfassung und -verarbeitung zentral statt, das heißt: in IT-Umgebungen wie Server- und Rechenzentren. Noch neuere Cloud-Edge-Technologien sind hingegen nahe an der „Quelle“, also den Geräten und Aktivitäten, die Daten generieren, und bieten damit ein darüber hinausgehendes Potenzial für Bürger:innen, Unternehmen und öffentliche Verwaltungen. Sie basieren also auf einem dezentralen Prinzip, liegen „am Rande“ des eigentlichen „Netzwerks“, also zum Beispiel direkt in einem Industriebetrieb oder einer Behörde. Der Vorteil: Es werden Kosten und Ressourcen geschont und durch die Nutzung lokaler Sensoren, Schnittstellen und Netze schnelle Reaktionszeiten ermöglicht. Im Rahmen der Initiative „Digitale Dekade“ der EU, die Europa bis 2030 zu einem globalen Spitzenreiter im digitalen Bereich machen soll, wurde auch ein Plan für die Cloud-Edge-Technologie vorgelegt.

EU präsentiert Industrie-Roadmap für Cloud-Edge

Bereits 2012 stellte die Europäische Kommission ihre erste Cloud-Computing-Strategie vor. Doch wo es vor zehn Jahren bei den Überlegungen zur Cloud noch um erste Schritte der zentralen Datenspeicherung und Vernetzung ging, haben sich seit dem Ausbruch der COVID-19-Pandemie die Use Cases vervielfacht. 2020 waren viele Unternehmen zum schnellen Umstieg auf Remote-Arbeit gezwungen. Seither nutzen einige bereits das volle Potenzial der Cloud und sehen sie als Schlüssel zum globalen Wettbewerb, für andere ist sie nur eine kostensenkende betriebliche Maßnahme. Derzeit geht die EU davon aus, dass 80 Prozent aller Daten in intelligenten Geräten verarbeitet werden, die nahe an den Nutzer:innen liegen. Ein Cloud-Edge-Kontinuum wird als Voraussetzung für effiziente, energieschonende und vertrauenswürdige Datenverarbeitung bewertet. Cloud-Edge-Computing ist damit ein integraler Bestandteil der Digitalen Dekade der EU, wonach bis zum Zieljahr 2030

  • 75 Prozent der europäischen Unternehmen Cloud-Edge-Technologien für ihre Aktivitäten nutzen (aktuell tun dies etwas über 40 Prozent) und
  • der Einsatz von 10.000 klimaneutralen, hochsicheren Edge-Knoten die notwendige Konnektivität bieten sollen. Ein Monitoring erfolgt über das „Edge Observatory“.

Diese ambitionierten Ziele sollen mit der europäischen Daten- und Industriestrategie sowie eigenen Investitionsprogrammen erreicht werden, wobei die Bedeutung von Cloud- und Edge-Computing für Net-Zero-Technologien und damit die Erreichung der Ziele des europäischen Green Deals betont werden. Konkret befördert wird Cloud-Edge durch eine Industrieallianz und eine neue Roadmap.

Ende Juli 2023 präsentierte die Europäische Allianz für industrielle Daten, Edge und Cloud nun eine aktualisierte strategische Industrie-Roadmap, um Investitionsbereiche für gemeinsame europäische Cloud- und Edge-Technologien zu identifizieren. Durch die Entwicklung und Festlegung spezifischer Anforderungen für unterschiedliche Sektoren soll die Position der EU in der weltweiten Cloud- und Edge-Technologiebranche gestärkt und ein wettbewerbsfähiges europäisches Industrieökosystem aufgebaut werden.

Zwar haben auch schon viele europäische Unternehmen Cloud-Technologien eingeführt, jedoch hinken sie globalen Konkurrenten bei fortschrittlichen Cloud-Modellen hinterher. Nordamerika führt hier mit 65 Prozent in der Nutzung/Anwendung von Cloud-Technologien, europäische Unternehmen sind hier noch wesentlich zurückhaltender. Der Cloud-Edge-Markt ist aktuell sehr dynamisch, wiewohl er von wenigen Playern bestimmt wird – sein kurz- und mittelfristiges Wachstum ist, so zumindest die Prognosen, enorm.

Im Rahmen der digitalen Dekade hat sich auch Österreich Ziele für das Cloud Computing gesetzt, so sollen mindestens 75 Prozent der österreichischen Unternehmen Cloud, Big Data und/oder Künstliche Intelligenz bis zum Jahr 2030 einführen – aktuell sind das nur 29 Prozent aller österreichischen Unternehmen. Österreich liegt damit unter dem EU-Durchschnitt.

Dekoratives Bild © A&W Blog
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Der Edge-Computing-Markt ist aktuell – im Gegensatz zum Cloud-Markt – noch fragmentiert und wettbewerbsintensiv, es zeichnet sich jedoch eine Konzentrationstendenz ab. Major Player sind Internet-of-Things-(IoT-)Anbieter wie Microsoft, Google LCC, die IBM Corporation, Huawei und Cisco.“

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Viele Herausforderungen

Dieser Schwerpunkt der EU im Hinblick auf Industrieallianz und Roadmap zur Entwicklung des Edge-Cloud-Kontinuums fügt sich in ihren allgemeinen Schwerpunkt auf digitale Hochtechnologie und ist schon länger zu beobachten. Die Entwicklung künstlicher Intelligenz, der Ausbau hochleistungsfähiger Netzinfrastruktur, die Mikroelektronik-Produktion, das Edge-, Quanten- und Hochleistungs-Computing ist schon länger im Fokus der Union (und anderer Wirtschaftsmächte, allen voran USA und China). Rechenpower ist nämlich nicht zuletzt politökonomische Macht. In diesem Zeichen steht auch das Großprojekt einer europäischen Cloud, deren Entwicklung neben GAIA-X auch durch zwei Important Projects of Common European Interest (IPCEI) vorangetrieben wird. Vorangetrieben werden soll dabei die strategische Autonomie der EU im digitalen Bereich. Die Interessen von Arbeitnehmer:innenvertretungen sowie Konsument:innen- oder Datenschutzorganisationen werden dabei jedoch nicht berücksichtigt, obwohl deren Interessen über die Digitalisierung von Unternehmen und als Endnutzer:innen von Netzwerkindustrien freilich berührt werden.

Eine der größten Herausforderungen besteht darin, die Cloud- und Edge-Technologien nachhaltig zu gestalten. Die CO2-Neutralität in der Netzinfrastrukturgestaltung ist dabei vorrangig, aber aufgrund des Energiebedarfs eine große Herausforderung. Ein weiteres Hindernis ist die mangelnde Harmonisierung bei der Sicherheit und Akkreditierung von Lösungen und Plattformen. Insbesondere im Luftfahrt-, Sicherheits- und Verteidigungssektor, in dem sensiblere Informationen verarbeitet werden, sind hohe Sicherheitsstandards und der Schutz sensibler Informationen von größter Bedeutung. Darüber hinaus gibt es die Notwendigkeit, einen harmonisierten europäischen Ansatz bei der öffentlichen Beschaffung von Datenverarbeitungsdiensten zu gewährleisten. Die Europäische Kommission arbeitet derzeit an einem unverbindlichen Kommissionsleitfaden, der sicherstellen soll, dass beim Einkauf solcher Dienstleistungen einheitliche europäische Standards und Anforderungen verwendet werden.

Fazit

Die Europäische Allianz für industrielle Daten, Edge und Cloud hat ehrgeizige Ziele: Die Stärkung Europas in den Bereichen Cloud- und Edge-Technologien sowie die Schaffung eines wettbewerbsfähigen Industrieökosystems. Gerade ein Ökosystemansatz, der alle privaten und öffentlichen Akteur:innen umfasst, die in einer spezifischen Wertschöpfungskette tätig sind, ist dabei für die Transformation von Wirtschaft besonders nützlich. Die gezielte, vorausschauende Gestaltung einer bestimmten digitalen Technologie wie Cloud-Edge, die eine sektorübergreifende und infrastrukturell relevante Bedeutung hat, schafft Technologieklarheit, an der es etwa im Bereich der Dekarbonisierung der Automotive-Branche noch fehlt – was aus der Branche selbst Kritik erfährt.

Die Beiträge der Allianz und der Interessenträger:innen spielen dabei eine entscheidende Rolle, um sicherzustellen, dass die Leitlinien den Anforderungen der Industrie und der Bürger:innen gerecht werden. Hierfür sind jedoch auch Arbeitnehmer:innenvertretungen sowie Konsument:innen- oder Datenschutzorganisationen miteinzubeziehen. Letztlich geht es auch um gesellschaftlich rückgebundene und verantwortliche Gestaltung von neuen Technologien. Das bedeutet zum Beispiel, dass Datenschutz gewährleistet sein sollte, denn dort, wo große Mengen Daten verarbeitet werden, bestehen trotz strenger Sicherheitsmaßnahmen oft Risiken der Datenschutzrechtverletzung oder des Datenverlusts. Es bleibt abzuwarten, ob diese breiten Interessen Berücksichtigung finden und die EU eine führende Kraft in der sich dynamisch entwickelnden Cloud- und Edge-Technologiebranche werden und ihre Position weltweit stärken kann.

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