Digitalisierung: Ge­staltung durch Partizi­pation in Betrieben

17. Januar 2025

Der Anspruch, die „Digitalisierung im Sinne der Arbeitenden zu gestalten“, ist gewerkschaftliches Leitmotiv im Umgang mit der Digitalisierung. Betriebliche Partizipation kann eine wichtige Rolle dabei spielen, diesem Anspruch gerecht zu werden. Darauf weisen Ergebnisse des Partizipations-Digitalisierungs-Monitors (ParDiMon) hin, an dem sich knapp 900 unselbstständig Beschäftigte und Betriebsratsmitglieder beteiligt haben. Um die Potenziale betrieblicher Partizipation voll auszuschöpfen, bedarf es demnach einer partizipationsorientierten, inklusiven Interessenvertretung im Betrieb.

Arbeitsbedingungen und Digitalisierung: zwischen Humanisierung und Rationalisierung

Die Einschätzungen zu Auswirkungen der Digitalisierung auf Arbeitsbedingungen liegen oft weit auseinander. Manche sehen digitalen Taylorismus in Verteilzentren von Online-Versandhändlern oder prekarisierende Geschäftsmodelle plattformvermittelter Essenszustellung als paradigmatisch für die Digitalisierung der Arbeitswelt. Dieses Szenario betrifft aktuell in erster Linie Arbeitende aus marginalisierten Gesellschaftsgruppen. Geht es um Konzepte einer menschenzentrierten, durch Qualifikationen aufgewerteten „Arbeit 4.0“, so betrifft dies Arbeitende in gewerkschaftlich gut organisierten, statushohen Industrieberufen.

Digitalisierung als interessenpolitisches Feld

Die Digitalisierung ist also kein neutraler Prozess, der in jedem Betrieb die gleichen Auswirkungen nach sich zieht. Zentral ist nicht der Einsatz digitaler Technologien an sich, sondern die Form der Arbeitsorganisation, in die sie eingebettet ist. Damit sind bestimmte Auswirkungen der Digitalisierung auf Arbeitsbedingungen kein Naturgesetz, sondern Ergebnis unterschiedlicher Einflussfaktoren. Aushandlungsprozesse um die Ausgestaltung der Digitalisierung rücken damit in den Fokus von Interessenpolitik. Akteure aufseiten von Arbeitenden agieren hierbei jedoch auf einem „schiefen Spielfeld“. Digitalisierungsprojekte sind geleitet von Kapitalinteressen und deren Implementierung im Betrieb unterliegt der (durch das Arbeitsverfassungsgesetz bis zu einem gewissen Grad eingehegten) Entscheidungshoheit von Geschäftsführung oder Management.

Gestaltung der Digitalisierung auf betrieblicher Ebene durch betriebliche Partizipation

Arbeitende stehen Digitalisierungsvorhaben jedoch nicht hilflos gegenüber, sondern können deren Ausgestaltung durch betriebliche Partizipation beeinflussen. Hierunter fallen sämtliche Formen des Einwirkens durch Arbeitende und ihre Repräsentant:innen auf Entscheidungen im Betrieb. Das Forschungsprojekt ParDiMon – gefördert vom DigiFonds der Arbeiterkammer Wien – widmete sich den Potenzialen und Bedingungen betrieblicher Partizipation im Kontext der Digitalisierung. Ein zentrales Ergebnis betrifft das Zusammenspiel zwischen digitalen Technologien und Arbeitsbedingungen: Ausgeprägtere Einflussmöglichkeiten auf Entscheidungen zu Digitalisierungsthemen gehen mit besseren Arbeitsbedingungen einher.


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Betriebliche Partizipation ist kein Selbstläufer

Wie bereits oben angemerkt, findet betriebliche Partizipation nicht im herrschaftsfreien Raum statt. Im Interesse der Arbeitenden auf Digitalisierungsprozesse einzuwirken beruht auf der Fähigkeit, innerbetrieblich Interessen und Standpunkte effektiv durchzusetzen. Mit ParDiMon wurde untersucht, welche Ressourcen hierbei förderlich sind. So zeigt sich in den Ergebnissen etwa ein Zusammenhang zwischen digitalen Kompetenzen und Partizipationsmöglichkeiten betreffend Digitalisierungsthemen. Allein das Vorhandensein eines Betriebsrats beziehungsweise einer Personalvertretung wirkt sich nicht signifikant auf die Partizipationsmöglichkeiten aus. Binden gewählte Repräsentant:innen (sofern vorhanden) die Arbeitenden jedoch aktiv in die Interessenvertretung zu Digitalisierungsthemen ein, so hat dies einen signifikant positiven Einfluss auf die Mitgestaltungsmöglichkeiten.

Betriebliche Partizipation im Kontext der Digitalisierung stärken

Aus den Ergebnissen lassen sich zwei zentrale Leitlinien für die Interessenvertretung im Betrieb ableiten.

  • Es zeigt sich die Relevanz partizipationsorientierter Interessenvertretung. Betriebsrät:innen und Personalvertretungen, die ihre Belegschaften aktiv in Aushandlungsprozesse zur Gestaltung der Digitalisierung im Betrieb einbeziehen, erhöhen die Partizipationsmöglichkeiten jedes bzw. jeder einzelnen Arbeitenden. Eine mobilisierte Belegschaft kann kollektiv für bessere Arbeitsbedingungen im Kontext der Digitalisierung auftreten.
  • Studienergebnisse zum Digital Divide machen deutlich, dass digitale Kompetenzen entlang von Kategorien sozialer Ungleichheit wie Klassenherkunft, Geschlecht oder Migrationshintergrund ungleich verteilt sind. Um etwaige Unterschiede entsprechender Kompetenzen in der Belegschaft auszugleichen, bedarf es inklusiver Interessenvertretung. Erst das Einbinden von allen Belegschaftsteilen, auch jenen mit schlechter Ressourcenausstattung, ermöglicht vollumfängliche, partizipationsorientierte Interessenvertretung.

Demokratisierung als Perspektive

ParDiMon reiht sich in eine Vielzahl an Studien ein, in denen Vorteile demokratischer(er) Betriebe auch abseits der Digitalisierung aufgezeigt werden. So wird etwa auch auf einen Zusammenhang zwischen dem Ausmaß an Demokratie im Betrieb und der allgemeinen Demokratieorientierung von Arbeitenden hingewiesen. Klar ist jedoch, dass der Demokratisierung im Betrieb bei gegebener Betriebsverfassung, deren Ausgestaltung mit einer konstitutionellen Monarchie vergleichbar ist, Grenzen gesetzt sind. Betriebliche Partizipation im Kontext der Digitalisierung kann als doppelter Transformationshebel dazu beitragen, nicht nur eine humane Digitalisierung zu ermöglichen, sondern auch diese Grenzen zu verschieben.

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