Seit dem 24. Februar 2022 herrscht in der Ukraine Krieg. Bis Ende März 2022 berichtete das UNHCR bereits von über 4 Millionen vertriebene Menschen aus der Ukraine. Der größte Teil davon in Polen (2,3 Mio), Rumänien (500.000) und Ungarn (300.000). Es könnte die größte Flüchtlingskrise auf dem Europäischen Kontinent seit dem Zweiten Weltkrieg werden, wenn kein rasches Ende der Kämpfe eintritt. In Österreich allein sind in diesem Zeitraum über 230.000 Menschen angekommen – 42.000 davon hatten bis Ende März einen Antrag auf Vertriebenen-Status in Österreich gestellt. Behörden stehen vor der Herausforderung, mit sich täglich veränderten Zahlen und ungewissen Szenarien des weiteren Verlaufs die Aufnahme und Integration der Vertriebenen bestmöglich zu organisieren. Der folgende Beitrag rechnet bisherige Prognosen auf Kinder und Jugendliche hoch und diskutiert die aktuell dringendsten Maßnahmen für die schulische Integration ukrainischer Vertriebener.
Entwicklungsprognosen: Schwierig aber notwendig für Planung
Nach Ausbruch des Krieges war bereits der März im Zeichen der Vorbereitungen schulischer Einbindung von ukrainischen Kindern und Jugendlichen gestanden. Als Ausblick auf mögliche Szenarien schilderte der im Bundeskanzleramt geschaffene Flüchtlingskoordinator der Bundesregierung, Michael Takács, Mitte März die Prognosen seiner Stabstelle: Dort rechnet man mit insgesamt etwa 200.000 Vertriebenen, die in Österreich längerfristig bleiben könnten. Diese Prognosen übersteigen somit deutlich die Antragszahlen der beiden Fluchtjahre 2015/16, in denen insgesamt rund 130.000 Asylanträge von vorwiegend afghanischen, syrischen und irakischen Flüchtlingen gestellt wurden. Zudem handelt es sich bei den aktuellen Fluchtbewegungen in ungleich höherem Maße um Frauen und Kinder, was direktere Auswirkungen auf das Schulsystem hat. Ob diese Prognosen tatsächlich eintreffen, werden zwar erst die kommenden Monate und der weitere Kriegsverlauf zeigen. Allerdings lässt sich auf Basis erster Prognosen zumindest annäherungsweise vorausberechnen, was ein solches Szenario für das Schulsystem bedeuten würde.
Zieht man zur Einschätzung die Altersverteilung der bis 24. März in Wien registrierten vertriebenen Ukrainer:innen heran, so sind darunter rund 10% Kinder unter 6 Jahren, 22% im Pflichtschulalter (6-14 Jahre) und rund 7% an Jugendlichen, die darüber hinaus noch in die Ausbildungspflicht bis 18 Jahre fallen (15-18 Jahre). Geht man von einer gleichbleibenden Altersstruktur aus, so würde das auf 200.000 Vertriebene hochgerechnet bedeuten, dass rund 20.600 Kinder unter 6 Jahren, 43.650 Kinder und Jugendliche im Alter von 6 bis 14 Jahren sowie weitere rund 14.300 Jugendliche bis zum Alter von 18 Jahren in Österreichs Bildungseinrichtungen aufgenommen und integriert werden müssten (Diagramm 1). Im Vergleich zur Gesamtschüler:innenzahl von 1.142 Mio Schüler:innen des Schuljahres 2020/21 wäre dies ein Zuwachs von 5% an zusätzlichen Schüler:innen.