Österreich ist im internationalen Vergleich bekannt für seinen hohen Anteil an erneuerbarem Strom. Derzeit werden in der Stromproduktion rund 70 Prozent aus Wasserkraft, Wind, Biomasse und Sonnenenergie gewonnen. Jedoch reicht dies im Kampf gegen die Klimakrise nicht aus, um die Klimaziele tatsächlich zu erreichen. Aus diesem Grund hat sich Österreich in seiner Klima- und Energiestrategie zum Ziel gesetzt, bis ins Jahr 2030 Strom zu 100 Prozent (bilanziell) aus erneuerbaren Energieträgern zu gewinnen. Dazu braucht es einen raschen Um- und Ausbau unserer erneuerbaren Stromproduktion. Jedoch ist mit einem solchen Wandel auch das Verschwinden und Entstehen von Arbeitsplätzen verbunden. Neue Qualifikationsprofile werden gebraucht, und die Arbeitszusammenhänge ändern sich mit den neuen Aufgaben. Dies hat auch Auswirkungen auf Arbeitsbedingungen im Sektor, denen sich dieser Beitrag am Beispiel der Windenergiebranche widmet. Exemplarisch zeigt sich an diesem Sektor, dass die Arbeitsbedingungen oftmals auch von einem hohen Kosten- und Konkurrenzdruck geprägt sind. Der rasche Ausbau von Windenergie braucht aber hoch qualifizierte und motivierte Beschäftigte. Um die Arbeitsplätze attraktiv zu gestalten, sind daher gute und qualitativ hochwertige Arbeitsbedingungen von besonderer Bedeutung.
Bedeutung erneuerbarer Energieträger
20 der letzten 22 Jahre zählten zu den wärmsten seit Beginn der Temperaturaufzeichnungen. Die Bedrohung durch das sich aufheizende Klima und der daraus resultierende Handlungsbedarf finden in Österreich langsam Einzug in das Bewusstsein der Bevölkerung und der Politik. Um unkontrollierbare Folgen zu verhindern, müssen Treibhausgasemissionen radikal gesenkt werden. Die österreichische Regierung plant im Zuge dieser klimapolitischen Verpflichtungen mit der „#mission2030“ und dem „Nationalen Energie- und Klimaplan“ (NEKP) den Anteil der erneuerbaren Energien deutlich zu erhöhen. Dies führt zu veränderten Ansprüchen an die Energieversorgungsunternehmen und ihren Beschäftigten. Die (Beschäftigungs-)Potenziale dieses Umbaus der Stromerzeugung werden gerne hervorgehoben, während mögliche Nachteile, vor allem für Beschäftigte, nicht in die Debatte einfließen. Gerade Entwicklungen und Dynamiken hinsichtlich der Arbeitsbedingungen werden oftmals nicht bedacht.
Im Folgenden wird der Fokus auf den Windenergiesektor in Österreich gelegt. Als bedeutender Teil der Erzeugung erneuerbaren Stroms und mit der Aussicht auf einen kontinuierlichen Ausbau der Kapazitäten bietet der Sektor auch in den kommenden Jahren Potenzial für Beschäftigung. Im Rahmen einer Masterarbeit im Programm Socio-Ecological Economics and Policy (SEEP) der Wirtschaftsuniversität Wien und anhand von neun Interviews mit GeschäftsführerInnen, BetriebsrätInnen und VertreterInnen der zuständigen Fachgewerkschaft wurde versucht, ein Bild über die aktuellen Arbeitsbedingungen und zukünftigen Herausforderungen in dieser jungen und wachsenden Branche zu zeichnen. Die befragten Unternehmen betreiben dabei mehr als die Hälfte der installierten Windkraftanlagen in Österreich und bilden damit die Basis für fundierte Aussagen. Grundsätzlich ist das Ziel der Analyse, vor allem Handlungsfelder für eine qualitative Verbesserung der Arbeitsbedingungen zu identifizieren. Denn der Ausbau im geplanten und für einen erfolgreichen Kampf gegen die Klimakrise notwendigen Ausmaß kann nur mit hoch qualifizierten und motivierten MitarbeiterInnen gelingen.
Rahmen- und Arbeitsbedingungen in der Stromproduktion
Generell kann festgehalten werden, dass es aufgrund der Liberalisierung im Stromsektor zu einem höheren Kostendruck kam. Um diesem zu begegnen und weiterhin branchenübliche Renditen zu gewährleisten, kam es zu dem Phänomen, dass vermehrt unterschiedliche Kollektivverträge immer häufiger Anwendung fanden, Tätigkeiten komplett ausgelagert oder an Leiharbeitskräfte überlassen wurden. Obwohl der Windenergiesektor durch Förderungen nicht im selben Ausmaß vom Kostendruck betroffen ist, bildet er keine Ausnahme, sondern eher die Regel dieser anzutreffenden Praxis. Der ursprünglich in der E-Wirtschaft vorwiegend angewandte und qualitativ gut ausgestaltete Kollektivvertrag für Elektrizitätsversorgungsunternehmen (EVU) wurde in den EVUs restriktiver angewandt, um Kosten zu sparen. Diese Entwicklung kann als Reaktion auf die Liberalisierung der Energiemärkte 2001 gesehen werden, welche zu einem zunehmenden Konkurrenz- und Kostendruck geführt hat. Beispielhaft zeigte sich die Kostenreduktion in der Anwendung anderer Kollektivverträge, die sich im Kern und im Rahmenrecht (z. B.: Mindestentgelt, Befristungen, Aufstiegs- und Weiterbildungschancen) wesentlich unterscheiden können. Aufgrund der Förderung von Ökostrom mithilfe von regulatorisch festgelegten Strompreisen (Einspeisetarif für 13 Jahre) sind Windkraftanlagenbetreiber nicht direkt von der Liberalisierung und dem damit verbundenen Kostendruck betroffen. Dennoch wird der Kollektivvertrag für Elektrizitätsversorgungsunternehmen im Bereich der Windkraft nur selten angewandt. Die „KV-Flucht“ ist dabei eine Entwicklung, die nicht nur innerhalb von Unternehmen stattfindet. Oft werden dazu Tochterunternehmen gegründet, oder es findet Auslagerungen an externe Unternehmen statt. Zum Beispiel gilt dies für den Windenergiesektor, in dem beispielsweise Montage und Wartung vieler Windparks nicht mehr von Betreiberunternehmen selbst, sondern von den Herstellerunternehmen durchgeführt werden. BetriebsrätInnen aus dem Sektor empfinden diese Vielfalt an KVs innerhalb eines Unternehmens, seiner Töchter und zugekaufter Leistungen als hoch problematisch und als „eklatante Ungleichbehandlung, die zu einer tiefen Unzufriedenheit führt“.
Neben der sogenannten „KV-Flucht“ wird auch die zunehmende Bedeutung von Leiharbeitskräften aus ArbeitnehmerInnensicht problematisch gesehen. Obwohl das Arbeitskräfteüberlassungsgesetz besagt, dass diese Beschäftigten nicht schlechter als reguläre ArbeitnehmerInnen gestellt werden dürfen, müssen sie oftmals trotzdem Nachteile in Kauf nehmen. Dies betrifft überwiegend die entgeltliche Einstufung und ihren Ausschluss von leistungsorientierten Prämiensystemen. Zusätzlich dazu ist ihre berufliche Zukunft ungewiss. Eine VertreterIn der Gewerkschaft bezeichnet sie als „arme Teufel, [sie] werden als Menschen zweiter Klasse behandelt“.
Arbeitsbedingungen im Detail: die Windenergiebranche auf dem Prüfstand
Arbeitsbedingungen sind von vielfältigen und unterschiedlichen Aspekten geprägt. Die diesem Beitrag zugrunde liegende Analyse unterscheidet dabei zwischen nicht-ökonomischen Faktoren, Indikatoren über Anforderungen an Beschäftigte und ökonomischen Aspekten.
Nicht-ökonomische Faktoren
Zu den nicht-ökonomischen Faktoren zählen Rahmenbedingungen wie Mitspracherechte, Weiterbildungs- und Karrieremöglichkeiten, die Sinnhaftigkeit der Arbeit oder die Führungsqualität. All diese Faktoren spielen eine große Rolle für die Arbeitszufriedenheit von Beschäftigten und können daher einen Eindruck über die Dimension der Arbeitszufriedenheit vermitteln. Im Zuge der Erhebung hat sich gezeigt, dass zwar das Recht auf Weiterbildung im EVU-Kollektivvertrag verankert ist, die faktischen Möglichkeiten für Bildung und Aufstieg aber beschränkt und daher einer der häufigsten Fluktuationsgründe sind. Derzeit arbeiten jedoch BetriebsrätInnen und Unternehmen daran, Angebot zu schaffen.
Anforderungen an Beschäftigte
Unter Anforderungen an die Beschäftigten fallen unter anderem die Kategorien Arbeitszeit, Intensität der Arbeit, sowie psychische und physische Belastung am Arbeitsplatz. Wie bereits zuvor angedeutet, veränderte die Liberalisierung deutlich die Rahmenbedingungen, und dies hatte auch Auswirkungen auf die Organisation der Arbeit in der Stromerzeugung. Der zunehmende Konkurrenz- und Kostendruck führt in Kombination mit Personalreduktionsprogrammen bei konstantem oder sogar ansteigendem Arbeitspensum zu einer steigenden Arbeitsintensität und Arbeitsbelastung. Stress und zunehmende mentale Belastungen sind als Folgen dieser Entwicklungen zu betrachten.
Ökonomische Faktoren
Aus einer ökonomischen Perspektive spielt die Höhe des Einkommens und der relative Vergleich mit ähnlichen Berufsfeldern, unter Umständen sogar in derselben Branche, eine bedeutende Rolle. Dabei hängt die Höhe des Einkommens von dem angewendeten Kollektivvertrag ab. Wie zuvor bereits beschrieben, finden innerhalb des Windenergiesektors oftmals unterschiedliche Kollektivverträge Anwendung. Hierbei wird insbesondere von Unternehmensseite betriebswirtschaftlich begründet darauf abgezielt, Kostensenkungspotenziale durch Anwendung für das Unternehmen „günstigerer“ Kollektivverträge zu heben. Folglich führen die im Sektor anzutreffenden Unterschiede, welche durch die unterschiedliche Anwendung von Kollektivverträgen entstehen, zu einer Unzufriedenheit unter den Beschäftigten. Leistungsbasierte Komponenten, die hier ausgleichend wirken können, sind wiederum nur für Stammpersonal anzuwenden. Auslagerungen und Leiharbeitskräfte erhöhen außerdem weiter den Lohndruck.
Fazit
Die Ergebnisse der Analyse zeigen deutlich, dass im Windenergiesektor vermehrt Leiharbeitskräfte eingestellt werden und Auslagerungen stattfinden. Zusätzlich kommt es zur Anwendung unterschiedlicher Kollektivverträge. Dies prägt in weiterer Folge die Arbeitsbedingungen. Bei den nicht-ökonomischen Faktoren zeigt sich Verbesserungspotenzial im Bereich Weiterbildungs- und Karrieremöglichkeiten. Ökonomische Aspekte schneiden deutlich besser ab, da generell die Einkommen als durchaus akzeptabel einzuschätzen sind. Dies hängt allerdings vom angewandten Kollektivvertrag ab. Die Ansprüche an die Angestellten sind sehr hoch, und vor allem die Intensität der Arbeit wirkt sich oft negativ auf die Beschäftigten aus. Dies führt vermehrt auch zu psychischen Belastungen. Gerade mit Blick auf die Klimakrise ist ein Ausbau erneuerbarer Energieträger jedoch unabdingbar, und es bedarf attraktiver und qualitativer Arbeitsplätze, um den wachsenden Bedarf des Sektors und die vor uns liegenden Aufgaben einer raschen Dekarbonisierung voranzutreiben. Hierfür sind auch politische Rahmenbedingungen erforderlich, die verhindern, dass der zunehmende Druck einseitig den Beschäftigten aufgebürdet wird. Denn nur mit qualitativ hochwertigen, sicheren und grünen Arbeitsplätzen wird es uns gelingen, eine nachhaltige, leistbare und sichere Energieversorgung sicherzustellen.