Die Notwendigkeit die Dimensionen des Ökonomischen, Sozialen und Ökologischen zusammenzudenken nimmt mit der Ausbreitung und Vertiefung der multiplen Krise stetig zu. Steigende Ungleichheit, Klimawandel, Ressourcenübernutzung sowie eine wachsende politische Instabilität als Ausdruck eines nicht nachhaltigen Wirtschaftsmodells fordern zusehends eine ganzheitliche und stärker auf Nachhaltigkeit setzende Politik. Ein Vorantreiben einer solchen Politik verlangt jedoch auch ein Umdenken in der Verfolgung traditioneller wirtschaftspolitischer Interessen und fordert alle beteiligten politischen Akteure in ihren angestammten Rollen heraus. Aus diesem Grund wurde im Zuge des vom Klimafonds finanzierten Projektes „Trafo Labour“ der Frage nachgegangen in wieweit österreichische ArbeitnehmerInnenvertretungen als zentrale politische Player in der österreichischen Politik selbst eine solche Politik aktiv entwickeln und vorantreiben können.
Als eines der zu untersuchenden Themenfelder diente dem Projekt die Energieproduktion in Österreich, deren Geschichte unter anderem auch durch Konflikte zwischen Umweltbewegungen und den Gewerkschaften gekennzeichnet ist. Zwentendorf und Hainburg gelten in diesem Zusammenhang als besonders prägende Ereignisse, in denen umweltpolitische Anliegen und Interessen des Arbeitsmarktes aufeinanderprallten. Jedoch kam es in den letzten Jahren mit der zunehmenden Verschärfung umwelt- und klimapolitischer Fragestellungen wieder zu einer langsamen Annäherung zwischen Umwelt- und ArbeiterInnenbewegung, welche von beiden Seiten als vorteilhaft erachtet werden kann. Insbesondere hat die Annäherung dazu geführt, dass blinde programmatische Flecken auf beiden Seiten aufgelöst werden können. Während Umweltbewegungen oftmals die sozialen und verteilungspolitischen Konsequenzen umwelt- und klimapolitischer Maßnahmen unterschätzt haben und in der ArbeiterInnenbewegung Umweltfragen nicht im Fokus standen, führte ihre Annäherung zu einer Erweiterung der Perspektiven auf beiden Seiten. Dies zeigt sich unter Anderem am Beispiel des Umbaus des Energiesystems auf erneuerbare Energieträger, die beide gleichermaßen als unabdingbare Notwendigkeit erachten und die Gewerkschaften und Arbeiterkammern diese Form des Strukturwandels als prinzipiell positiv und unterstützenswert ansehen.
Nichtsdestotrotz prägt das politökonomische Umfeld, in dem die Neustrukturierung der Energieproduktion stattfindet, insbesondere die Möglichkeiten und Spielräume in denen ArbeitnehmerInnenvertretungen aktiv werden können um diesen Prozess zu gestalten.
Energiepolitik unter neo-liberalen Vorzeichen
Energiepolitik wird in der Europäischen Union und in ihren Mitgliedstaaten zusehends marktorientiert betrieben. Die aktive Förderung und politische Forcierung marktbasierter Lösungen in der Energieerzeugung kreierte in den letzten Jahren ein politökonomisches Umfeld, welches neben den Anforderungen an den Umbau des Energiesystems die Gewerkschaften vor wachsende Herausforderungen in der Sicherung der von ihnen vertretenen Interessen stellt.
Deregulierung, Liberalisierung und Privatisierungstendenzen ließen in den letzten Jahren den Druck auf Löhne, Gehälter, Arbeitsstandards und die arbeitsrechtliche Stellung der Branchenbeschäftigten stetig ansteigen. Das Outsourcing von Beschäftigung mit dem Ziel der Lohnkostensenkung durch die Anwendung anderer und oftmals für die Beschäftigten nachteiligere Branchenkollektivverträge ist nur ein Ausdruck dieser Entwicklungen.
Des Weiteren führte der verstärkte Einsatz marktbasierter Steuerungsmechanismen im Energiesektor zu einer zunehmenden Ausbreitung einer Profitmaximierungslogik. Die Gewerkschaften kritisieren in diesem Zusammenhang den kontinuierlichen Verlust von Systemverantwortung unter den einzelnen Energieerzeugern und die dadurch wachsende Gefahr des Verlustes von Versorgungssicherheit.
Eine Frage der fairen Kosten- und Nutzenverteilung
Neben den negativen Entwicklungen für die Beschäftigten und dem Rückgang an Systemverantwortung orten die ArbeitnehmerInnenvertretungen zunehmende Verteilungsprobleme im Energiebereich. Sie argumentieren, dass ein substantieller Teil der Energiekosten und der Kosten des systemischen Umbaus auf erneuerbare Energieträger über die Energiepreise auf den Schultern der Haushalte lastet. Im Gegensatz dazu sehen sich Großabnehmer und Industrie tendenziell sinkenden Energiepreisen gegenüber. Eine verstärkte Bekämpfung von Energiearmut und eine faire Verteilung der Kosten sind in diesem Kontext Eckpunkte gewerkschaftlicher Positionen.
In Summe führen diese sich durch den politökonomischen Rahmen ergebende Entwicklungen dazu, dass die Gewerkschaften und Arbeiterkammern zwar den Umbau der Energieerzeugung in Österreich positiv sehen und ihn auch unterstützen, sie die politische Ausgestaltung des Restrukturierungsprozesses jedoch als kritisch erachten. Aus diesem Grund versuchen sie, den Prozess der Neustrukturierung strategisch und konzeptionell zu begleiten und jene Rahmenbedingungen herzustellen, die einen fairen und sozialverträglichen Umbau ermöglichen.
Erste Schritte hin zu einer sozial-ökologischen Energieversorgung
Im Gegensatz zu dem von Umwelt-NGOs oder den Interessenvertretern der Erneuerbaren Energiebranche noch immer oft vorgebrachten Vorurteil, Gewerkschaften wären Förderer fossiler Energieträger, zeigt sich in jüngster Vergangenheit ein anderes Bild. Das Thema erneuerbare Energien und Klimapolitik wurde auch in den österreichischen ArbeitnehmerInnenvertretungen aufgegriffen. Ihr zentrales Argument ist jedoch, dass die Transformation der Energieproduktion nicht nur ökologisch, sondern auch sozial verträglich gestaltet werden muss. Aus diesem Grund engagieren sich sie zusehends und insbesondere in der Energieerzeugung für eine Gestaltung dieses Prozesses.
Energie als gesellschaftliches Gut
Besondere Bedeutung sprechen sie dabei, neben dem Erhalt von Arbeitsplätzen und der Qualität der Beschäftigung, der Entwicklung eines neuen Verständnisses von Energie als zentrales gesellschaftliches Gut zu. Obwohl die soziale Dimension überwiegt, sind hierbei erste Ansätze der Verknüpfung sozialer und ökologischer Aspekte zu erkennen. Demokratische Kontrolle, öffentliche Investitionen und öffentliches Eigentum sollen eine gerechte Kostenverteilung des Umbaus der Energiewirtschaft auf erneuerbare Energieträger ermöglichen und Versorgungssicherheit durch die Förderung von Systemverantwortung bei allen betroffenen Akteuren stärken. Aus einer solchen Perspektive eröffnen sich für die österreichischen ArbeitnehmerInnenvertretungen neue Spielräume und Wege hin zu einem demokratisch kontrollierten Energiesystem, welches ökologischen Anforderungen und einer sozial gerechten Versorgung mit Energiedienstleistungen entspricht.
Erste Ansätze in Richtung einer solchen thematischen Verschränkung sozialer und ökologischer Fragen äußern sich bereits in ihren Strategien und Positionen. Auch wenn diese Verschränkung nur implizit vorherrscht und noch nicht von den ArbeitnehmerInnenvertretungen selbst aktiv kommuniziert wird, bietet sie das Potenzial für eine zukünftige sozial-ökologische Neupositionierung der ArbeitnehmerInnenvetretung als wichtige Player im anstehenden Transformationsprozess.