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Ein berufsbegleitendes öffentliches Bildungswesen gibt es nicht!
Es gelingt nicht, junge Menschen mit geringem formalem Bildungsniveau berufsbegleitend zu qualifizieren. Hier fehlen vielfach die Instrumente für berufsbegleitende Qualifizierung. Natürlich gibt es mit dem Fachkräftestipendium, der Bildungskarenz oder der Bildungsteilzeit Möglichkeiten, sich auch im Erwerbsleben weiter zu qualifizieren. Die sind aber allesamt auf die individuelle Initiative aufgebaut und erfordern entweder das Aufgeben der Berufstätigkeit (Fachkräftestipendium) oder die Zustimmung des Arbeitgebers zur Weiterbildung. Für viele Menschen, vor allem wenn auch familiäre Verpflichtungen bestehen, stellen diese Möglichkeiten keine Grundlage der Existenzsicherung dar.
Im internationalen Vergleich der Weiterbildungsbeteiligung liegt Österreich mit 11,7 Prozent fast genau im Schnitt der EU-Staaten (11,4 Prozent), befindet sich aber deutlich hinter der Spitze (Schweden 28,6 Prozent, Finnland 27,3 Prozent).
Vor allem ist aber deutlich, dass alle Modelle, die auf Privatinitiative beruhen, jene Menschen nicht erreichen können, die über Benachteiligungen verfügen, die für eine kurze Bildungslaufbahn und Probleme am Arbeitsmarkt verantwortlich sind. Die Bildungsbeteiligung nach dem Bildungsniveau spricht eine deutliche Sprache. Mit 4,5 Prozent Beteiligung an beruflicher Weiterbildung in der Gruppe der Pflichtschüler:innen beträgt dieser Anteil nur etwa ein Viertel der Weiterbildungsbeteiligung der Universitätsabsolvent:innen mit 18 Prozent.
Um Menschen mit geringem formalem Bildungsniveau zu qualifizieren, braucht es Modelle mit einem Zugang, der auf Kompetenzen anstatt Defiziten aufbaut. Beispiele dafür gibt es z. B. mit dem Anerkennungsmodell für Kompetenzen „Du kannst was“. Mittlerweile werden in 25 Berufen non-formal sowie informell erworbene Kompetenzen für einen Berufsabschluss angerechnet. Diese Abkehr von Defizitperspektiven und die Forcierung vorhandener Kompetenzen beeinflusst das Selbstbild der betroffenen Personen positiv und trägt zur Steigerung der (Lern-)Motivation bei.
Das Bildungswesen neu denken – eine dringend nötige Kraftanstrengung
In der heutigen Gesellschaft muss Bildung als öffentliche Aufgabe gesehen werden, die den gesamten Lebenszyklus der Menschen umfasst. Dabei ist die bisherige Strategie zum lebensbegleitenden Lernen, die auf Freiwilligkeit und Privatinitiative beruht, nicht ausreichend. Das bedeutet vor allem, es muss ein öffentliches Erwachsenenbildungswesen als 4. Säule im Bildungssystem etabliert werden, das den Menschen neben einem ausreichenden Bildungsangebot, Bildungszeit samt existenzsicherndem Einkommen zur Verfügung stellt. Wesentlich ist dabei, den präventiven Charakter auf individueller Ebene zu sehen (Vermeidung von brüchigen Erwerbskarrieren) als auch den gesamtwirtschaftlichen Wohlstandsgewinn von höheren Einkommen und vermiedenen Kosten in den Systemen der sozialen Sicherung.
Das Bildungswesen neu zu denken umfasst natürlich auch das Schulwesen, mit vielfältigem dringendem Erneuerungsbedarf, weil mangelnde soziale Durchlässigkeit und fehlende Förderung die Verantwortung für den Schulerfolg zunehmend an die Eltern delegieren – ein Rückzug der Verantwortung des Staates, verbunden mit hohen Folgekosten in den Reparatursystemen für junge Menschen nach der Schulpflicht.
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