Beim Pensionsgipfel am 29. Februar 2016 wurden auch Ruhensbestimmungen bei Bezug einer Alterspension (60/65) und einem Erwerbseinkommen vereinbart. Mehr hat man nicht gebraucht: Die Aufregung in den Medien war groß. Arbeiten in der Pension werde bestraft. Bernd Marin sprach in einem Trend-Interview gar von Vertrauensbruch und „Pensionsraub“. Gerade jene ExpertInnen und JournalistInnen, die immer für Pensionsreformen sind, waren nun plötzlich vehement gegen die Anrechnung von Einkommen auf die Pension. Sie sind zwar für eine Pensionsautomatik und für die Anhebung des Regelpensionsalters, sie fordern regelmäßig eine Begrenzung des Bundesbeitrages zu den Pensionen, aber zu moderaten Ruhensbestimmungen bei einem Zuverdienst zur Alterspension, sagen sie nein. Das passt nicht zusammen.
Der unwirksame und unbekannte Aufschubbonus
Mit der Einführung des Pensionskontos im Jahr 2005 wurde zugleich auch ein Anreiz geschaffen, den Antritt der Alterspension aufzuschieben. Dieser Bonus wirkt für maximal drei Jahre (Bonusphase), also für Frauen vom 60. bis zum 63. Lebensjahr und für Männer vom 65. bis zum 68. Lebensjahr. Er führt zu einer Pensionserhöhung von rund 10 % pro Jahr des Aufschubs. Hat demnach eine Frau zum 60. Lebensjahr einen monatlichen Pensionsanspruch von rund € 2.000,- erworben, erhöht sich diese Pension bei einem Pensionsaufschub um ein Jahr um rund € 200,- und bei einem Aufschub von drei Jahren um rund € 600,- auf € 2.600,-.
Dieser Erhöhungseffekt ist wenig bekannt, und selbst wenn, dann wird die Bonusphase kaum genützt, weil man zur Alterspension ohnehin unbegrenzt dazuverdienen kann. So entscheiden sich die meisten, die weiterarbeiten können und wollen, gegen den Bonus und für ein Doppeleinkommen aus Pension und Erwerbstätigkeit. Rund 34.000 Personen beziehen ein derartiges Doppeleinkommen, davon sind zwei Drittel Selbstständige. Im restlichen Drittel der Unselbständigen sind großteils Angestellte und sehr wenige Arbeiter (2,8 %).
Was wurde beim Pensionsgipfel vereinbart?
Insgesamt konnten am Pensionsgipfel die Forderungen von ÖVP und Wirtschaftskammer nach einer vorzeitigen Anhebung des Frauenpensionsalters, der sonstigen Altersgrenzen, die Forderung nach einem Pensionsautomatismus oder dem Einfrieren des Bundesbeitrages abgewehrt werden.
Vereinbart wurden aber Maßnahmen zur Anhebung des faktischen Pensionsalters. Eine dieser Maßnahmen ist es, den Zuverdienst zur Alterspension zu beschränken und gleichzeitig den freiwilligen Pensionsaufschub attraktiver zu machen. Zum einen sollen in der Bonusphase die Pensionsbeiträge halbiert, zum anderen der Doppelbezug von Erwerbseinkommen und Alterspension in der Bonusphase durch ein Anrechnungsmodell weniger attraktiv werden.
Konkret sieht das Modell nun so aus, dass ein Zuverdienst bis rund € 900,- (Ausgleichszulagenrichtsatz für Alleinstehende) frei bleibt. Zudem wird nur die Hälfte des Betrages, der über € 900,- liegt, angerechnet. Dabei kann die Pension bis maximal auf die Hälfte vermindert werden. Sollte also jemand € 1.200,- zu seiner Alterspension dazu verdienen – also € 300,- mehr als € 900,- wird von diesem Betrag die Hälfte (rund € 150,-) auf die Pension angerechnet und die Pension um diesen Betrag vermindert. Die Anrechnung findet überdies nur in der Bonusphase (60 bis 63 bei Frauen und 65 bis 68 bei Männern) statt, danach ist ein unbeschränkter Zuverdienst möglich. Das Modell gilt nur für künftige Pensionsantritte.
Mit einer Freigrenze von rund € 900,- ist es weiterhin möglich, die Pension durch einen Zuverdienst aufzubessern. Das gilt vor allem für Menschen mit niedrigem Einkommen und einer kleinen Pension, die den Pensionsantritt mangels eines Arbeitsplatzes nicht aufschieben können.
Die Zwecke der Alterspension und des Bundesbeitrages rechtfertigen Ruhensbestimmungen
Zweck der Pensionsversicherung ist es, einen Ersatz für den durch das Absinken der Arbeitskraft bedingten Entfall des Arbeitseinkommens zu schaffen. Dieser Einkommensersatz soll die Fortsetzung des in der Erwerbsphase erworbenen Lebensstandards ohne größere Einbußen ermöglichen. Dieses Lebensstandardprinzip ist eine Errungenschaft des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG), zu dessen Finanzierung über die Beitragseinnahmen der Pensionsversicherung hinaus ein Zuschuss aus dem Steueraufkommen (Bundesbeitrag) erforderlich ist, der im ASVG 15 %, bei den gewerblich Selbstständigen 50 % und bei den Bauern sogar 80 % der Pensionsaufwendungen abdeckt.
Das bedeutet, dass das Versicherungsprinzip bei der Finanzierung der Pensionen nur eingeschränkt gilt und in hohem Maße ein sozialer und solidarischer Ausgleich aus allgemeinen Steuermitteln stattfindet. Aus diesem Grund waren seit jeher unter den verschiedensten Namen „Ruhensbestimmungen“ vorgesehen. Sie regeln, dass bei einem Bezug eines Erwerbseinkommens die Pension zum Teil oder auch zur Gänze ruht, also nicht ausbezahlt wird.
Auch derzeit gibt es bei Invaliditätspensionen eine strenge Regel, wie viel an Pension parallel zu einem Erwerbseinkommen bezogen werden kann (Teilpensionsregelung). Eine vorzeitige Alterspensionen kann sogar ganz wegfallen (Wegfallsbestimmungen), wenn das Erwerbseinkommen über dem Betrag der Geringfügigkeitsgrenze (rund 415,- Euro/Monat) liegt.
Doppelbezüge werden mit Bundesmittel gefördert
Bei der Alterspension wurde im Jahr 2000 von der ÖVP/FPÖ-Regierung eine Teilpensionsregelung für Alterspensionen (60/65) abgeschafft. Seither nützen vor allem Selbstständige die Möglichkeit ihre Erwerbstätigkeit fortzusetzen und gleichzeitig eine Alterspension zu beziehen. Es gibt auch Angestellte, eher in guten Jobs, die über 60 oder 65 hinaus beschäftigt bleiben, oder eine Firma gründen und selbstständig werden, oder freiberuflich weiter tätig sind oder weiter bestimmte Funktionen ausüben (zB Nationalratsabgeordnete).
Gegen all diese Tätigkeiten ist nichts einzuwenden. Aber ist es wirklich fair, zu diesen gut honorierten Tätigkeiten ungeschmälert eine Alterspension zu beziehen, die noch dazu bei den Selbstständigen zur Hälfte aus Bundesmitteln finanziert wird? Wäre es fair, anstelle von moderaten Ruhensbestimmungen eine „Pensionsautomatik“ einzuführen, die Altersgrenzen anzuheben oder Pensionen zu kürzen?
Das wäre es nicht, denn alle diese Maßnahmen würden auch die Jungen treffen. Ihnen wird man schwer erklären können, dass man die Altersgrenzen anhebt und Pensionen kürzt, aber erhebliche Bundesmittel für Pensionen, die zusätzlich zu einem Erwerbseinkommen bezogen werden, verwendet. Der Zweck der Alterspension ist die Sicherung des Lebensstandards, nicht mehr und nicht weniger.
Um den Anreiz für den freiwilligen Pensionsaufschub zu verstärken, sind moderate Anrechnungsbestimmungen erforderlich und aus den genannten Gründen auch fair, sofern sie für alle gelten, und zwar einschließlich der BeamtInnen und Politikerinnen.