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Der Boom des Online-Handels bleibt für die Beschäftigten im stationären Einzelhandel nicht ohne Folgen – Arbeitsplätze sind in Gefahr, und auch Job-Profile werden sich ändern.
Beschäftigungseffekte
Eine Trendanalyse, die das Forschungsinstitut FORBA im Auftrag der AK erstellt hat, zeigt, dass durch Online-Shopping bis 2020 im stationären Einzelhandel 4% bis 6% der traditionellen Arbeitsplätze gefährdet sind. Durch innerbetriebliche Neuverteilung von Aufgaben bzw. neu entstehende Geschäftsbereiche (z.B. IT-Fachkräfte für „Multi-Channeling“, Erweiterung der Logistik) kommt es zweifelsohne zu einer gewissen Entlastung, sodass letztlich im Einzelhandel 7.000 bis 14.000 (das entspricht 2% bis 4%) der Arbeitsplätze akut bedroht sind.
Knapp drei Viertel der rund 288.000 unselbständig Beschäftigten im Einzelhandel (ohne Kfz-Handel) sind Frauen. Sie sind es daher auch, die von den Umbrüchen im Handel besonders betroffen sind. Verschärft wird die Situation dadurch, dass die in den vergangenen Jahren neu geschaffenen Einzelhandels-Stellen meist in traditionell männlich dominierten Tätigkeitsbereichen (IT-Dienstleistungen, Transport und Logistik) entstanden sind.
Zudem kommt es zu einer zunehmenden Polarisierung zwischen Höherqualifizierung/Spezialisierung auf der einen und Dequalifizierung/Automatisierung auf der anderen Seite. So erfordert der verstärkte Einsatz von Informationstechnologie neue Fähigkeiten – auch vom Verkaufspersonal. Gleichzeitig wird der Logistikbereich zunehmend automatisiert. Im Zuge des Digitalen Wandels gilt es daher, Ausbildung, Weiterbildung und Schulungen hohe Priorität einzuräumen – vor allem auch in den Unternehmen selbst.
Qualifikation, Technologien und Zusammenarbeit als Chance
Der stationäre Einzelhandel muss seine Vorteile gegenüber dem Online-Handel nutzen und dabei verstärkt auf neue Technologien setzen. Motivierte und gut qualifizierte MitarbeiterInnen sind der entscheidende Faktor, damit der traditionelle Einzelhandel im Wettbewerb mit dem Online-Handel bestehen kann.
Innerbetriebliche Aus- und Weiterbildungsprogramme müssen die MitarbeiterInnen für beide Welten – online und offline – fit machen. Während fast alle großen, in Österreich tätigen Einzelhändler bereits so genanntes „Multi-Channeling“ betreiben und damit beide Vertriebskanäle verbinden, haben kleine und mittlere Einzelhändler hier noch erheblichen Aufholbedarf.
Der Zugang zu Bildungskarenz und Bildungsteilzeit muss einfacher werden. Bei entsprechenden Versicherungszeiten muss es einen Rechtsanspruch auf ein Qualifizierungsgeld in Höhe der Mindestsicherung geben, damit sich gerade ArbeitnehmerInnen mit geringeren Einkommen auch eine längere Ausbildung leisten können. Vor allem Frauen könnten so ihre Chancen verbessern bzw. neue Jobchancen erhalten.
Einen wichtigen Schritt, um den aktuellen Herausforderungen von Multimedia und IT begegnen zu können, haben die Sozialpartner vergangenen Sommer mit der Schaffung des neuen Einzelhandel-Lehrberufs „Medienfachfrau/-mann“ gesetzt. Unternehmen sollten jetzt verstärkt Lehrplätze in diesem neuen Einzelhandels-Lehrberuf anbieten und die Fachkräfte von morgen ausbilden.
Neben Aus- und Weiterbildung für die ArbeitnehmerInnen braucht es aber auch neue Kooperationen, damit kleine und mittlere Händler das Internet als Vertriebsweg nützen können. Am Beispiel der Initiative „Shöpping.at“, einer österreichischen Online-Plattform, zeigt sich allerdings, dass der Aufbau und die Betreuung von regionalen und nationalen Plattformen entsprechende finanzielle Mittel und Know-how erfordert. Hier braucht es einerseits die Zusammenarbeit von Einzelhandelsunternehmen, andererseits eine Unterstützung durch die öffentliche Hand bzw. regionaler, öffentlicher Einrichtungen. Die Wirtschaftsagentur Wien hat nun in Kooperation mit der Wirtschaftskammer Wien und der österreichischen Post ein Maßnahmenpaket („City Supporter“) vereinbart, das dabei helfen soll, positive Synergien zwischen „online“ und „offline“ zu schaffen. (Siehe dazu „Wirtschaftspolitik–Standpunkte“ Nr. 28/2017, ab Seite 12).
Faire Rahmenbedingungen für Beschäftigte und Unternehmen
Wichtig für die positive Weiterentwicklung des österreichischen Einzelhandels sind aber vor allem faire Arbeitsbedingungen für alle ArbeitnehmerInnen (im Verkauf, in der Logistik und im IT-Bereich) sowie mehr Fairness für Unternehmen im Bereich der Steuerpolitik. Prekäre Arbeitsbedingungen in großen Online-Unternehmen, unterschiedliche Gewinnsteuern in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union und unzureichende Kontrolle durch Finanzbehörden führen zu Wettbewerbsverzerrungen zwischen stationärem und Online-Handel, gefährden tausende Arbeitsplätze und haben Steuerausfälle in Millionenhöhe zur Folge.
Es muss daher das Steuersystem angepasst werden, um die Steuervermeidung großer, internationaler Online-Handels-Unternehmen zu unterbinden. Der Betriebsstättenbegriff ist entsprechend zu erweitern, damit Gewinne dort versteuert werden, wo sie anfallen. Österreich darf sich hierbei den internationalen Bemühungen, wie etwa dem so genannten „Country-by-Country-Reporting“ nicht entgegenstellen, sondern muss sich aktiv für eine faire Besteuerung aller Unternehmen einsetzen.
Weiters müssen Plattformbetreiber (wie z.B. Amazon oder Ebay) stärker in die Pflicht genommen werden, denn immer mehr Händler aus dem Nicht-EU-Raum nützen die großen Plattformen, um ihre Waren in Europa zu vertreiben, ohne die Umsatzsteuer ordnungsgemäß zu entrichten. Marktplatzbetreiber sollten deshalb für die ordnungsgemäße Abführung der Umsatzsteuer durch die Händler, die auf ihren Plattformen Waren verkaufen, haften.
Kontrolldefizite bei der Mehrwertsteuer bestehen aber auch im Handel innerhalb der Europäischen Union. Es gibt weder Zahlen noch Schätzungen über mögliche Steuerausfälle durch den Online-Handel. Um Licht in diesen höchst intransparenten Bereich zu bringen, ist es wichtig, eine „Task-Force Online-Handel“ in der österreichischen Finanzverwaltung einzurichten. Und auch die EU-Kommission muss hier stärker in die Pflicht genommen werden. Denn grenzüberschreitender Online-Handel braucht faire Spielregeln zwischen den Mitgliedstaaten – und diese können nur auf EU-Ebene vereinbart werden.
Die Langfassung dieses Beitrags ist in Wirtschaftspolitik-Standpunkte 3/2017 erschienen.