Multinationale Konzerne nutzen teils hochkomplexe Strukturen, um ihre Steuerleistungen zu minimieren. Immer wieder machen weltbekannte Großkonzerne Schlagzeilen mit ihren Steuervermeidungspraktiken. Die Methoden, wie Gewinne in Steueroasen verlagert werden, um sie der Besteuerung zu entziehen oder durch undurchsichtige Ausnahmebestimmungen und Lücken an den Schnittstellen nationaler Steuerjurisdiktionen anderwärtig kleingerechnet werden, sind vielfältig. Das Ergebnis ist jedoch immer das gleiche: den Nationalstaaten, in denen die Wertschöpfung stattfindet und deren Infrastruktur Grundlage der Wirtschaftstätigkeiten dieser Konzerne ist, werden wichtige Steuerbeiträge vorenthalten. Weite Teile dieser Praktiken mögen zwar legal sein, legitim sind sie jedoch nicht; sie unterlaufen immer häufiger die Intentionen der Gesetzgeber.
Die Beispiele sind ebenso zahlreich wie erschreckend: Troost bezeichnet Apple als Vorreiter. Der Konzern hat seinen Sitz in Kalifornien und macht sich neben den US-amerikanischen auch Lücken im Steuerrecht von Irland und den Niederlanden zu Nutze, um die Konzerngewinne in die Karibik zu verfrachten, wo auf die Auslandsgewinne nur ein Satz von 1,9 % anfällt. Im Vergleich zu den 35 %, die für Gewinne im US-Inland anfallen würden, eine deutliche Ersparnis. Im Jahr 2011 zum Beispiel machte Apple einen Gewinn von 22 Milliarden Dollar und bezahlte dafür nur zehn Millionen Dollar an Unternehmenssteuern. Ein weiteres Beispiel ist Amazon: Der Versandhandelsriese bezahlt 2012 in Deutschland trotz eines Umsatzes von 8,7 Mrd. Euro nur 3,2 Mio. Euro Unternehmenssteuer. Möglich ist dies durch Abwicklungen über Luxemburg. Auch Google hat der Financial Times zufolge im Jahr 2012 über Irland und die Niederlande 8,8 Milliarden Euro an Lizenzeinnahmen auf die Bermudas „verschoben“ und seinen durchschnittlichen Auslandsteuersatz auf ca. fünf Prozent gesenkt. Und Starbucks hat in Deutschland seit 2002 überhaupt noch nie Ertragssteuern gezahlt – völlig legal. Insgesamt zahlte Starbucks 2011 einen Auslandssteuersatz von 13 Prozent.
IKEA als Paradebeispiel
Das IKEA-Konglomerat ist ein hervorragendes Beispiel um zu zeigen, wie komplex manche Konzernstrukturen sich tatsächlich darstellen und zur Steuervermeidung genutzt werden. Es reicht eben nicht aus, eine einzelne Tochter auf einer Karibikinsel zu installieren. Im Gegenteil: Es ist die Kombination verschiedener Konzerngruppen und Stiftungen in zahlreichen Ländern, die ein ausgeklügeltes Steuervermeidungsregime ausmacht. Ein Papier von ATTAC hat sich den Strukturen des Möbelherstellers gewidmet, das Ergebnis ist schockierend, das System ist auch für Finanzbeamte nur beschränkt zu durchblicken (die folgenden Ausführungen basieren alle auf der Studie von ATTAC).
Das IKEA Konglomerat besteht aus drei formell unabhängigen Konzerngruppen, die zwar ineinander verwoben sind was ihre Geschäftstätigkeit anbelangt, rechtlich jedoch nicht zu einer einzelnen Konzerngruppe zusammengefasst sind. Verbunden sind die drei Teile jedoch neben dem operativen Geschäft auch über deren Eigentümer. Alle drei Gruppen werden von der Familie Kamprad kontrolliert. Die drei Gruppen des Konglomerats sind die IKEA-Gruppe (ehemals INGKA Gruppe), die Inter IKEA Gruppe und die IKANO Gruppe. Erstere ist im Besitz der Stiftung Stichting INGKA Foundation mit Sitz in den Niederlanden, zweitere ist im Besitz der Stiftung Interogo Foundation mit Sitz in Liechtenstein und drittere ist im Besitz der IKANO S.A. mit Sitz in Luxemburg. Zudem gibt es noch die Stiftung Familjen Kamprads stiftelse mit Sitz in Schweden. Diese ist von den drei Gruppen unabhängig und dient vor allem der Image-Pflege von IKEA. Das Familienoberhaupt der Familie Kamprad, Ingvar Kamprad, lebt seit den 70er Jahren in der Schweiz, hat jedoch 2013 die Rückkehr nach Schweden angekündigt. Viele Länder ergeben eben auch viele steuerliche Möglichkeiten und Vorteile. Dass sich unter den Ansässigkeitsländern Steueroasen wie die Schweiz oder Liechtenstein befinden, ist mit Sicherheit kein Zufall. Doch wie funktioniert das System genau?
IKEA Gruppe (ehemals INGKA Gruppe)
Die IKEA Gruppe ist die eigentliche Cash-Cow im IKEA Konglomerat. Zu ihr zählen unter anderem die meisten Möbelmärkte und sie betreibt die gesamte Wertschöpfungskette. Die operative Führung liegt in der Hand der INGKA Holding B.V. (Sitz: Niederlande). Seit 1982 ist die INGKA Holding B.V. im Besitz der Stichting INGKA Foundation, einer Stiftung nach niederländischem Recht. Als wohltätige Stiftung ist diese steuerbefreit, zudem muss sie keine Unternehmensdaten veröffentlichen. Der Jahresbericht der Gruppe ist eine freiwillige Veröffentlichung ohne jegliche Kontrolle. Mit rund 36 Mrd. Euro ist die Stiftung die reichste wohltätige Stiftung der Welt.
Die meisten der IKEA-Möbelmärkte werden als Franchiseunternehmen betrieben. Franchisegeber ist die Inter IKEA Systems B.V. aus der Inter IKEA Gruppe. Im Normalfall haben die Töchter so gut wie kein Eigenkapital. Das Fremdkapital kommt von den internationalen Finanzmärkten und nicht von der Holding, denn diese müsste voll versteuern. In welcher Form die IKANO-Bank aus der der IKANO Gruppe oder die Finanzierungstochter der Inter IKEA Gruppe involviert sind, ist leider nicht bekannt. Jedenfalls werden die Kredite von der Muttergesellschaft garantiert, um die Zinssätze niedrig zu halten. Der Vorteil: in Deutschland beispielsweise sind Zinsen als Betriebsausgaben (bis zur Zinsschranke) steuerlich abzugsfähig. Außerdem wird der Gewinn der Möbelhäuser durch die Lizenzzahlungen für alle Rechte und den Namen an die Inter IKEA Systems B.V. erheblich vermindert. Weitere Gewinnverschiebungen ergeben sich durch den Einkauf bei der IKEA Trading GmbH und der Auslieferung über die Distribution GmbH. Diese sind selbstverständlich ebenfalls steuergünstig untergebracht. Neben den eben diskutierten Konzernteilen gibt es in der IKEA Gruppe noch weitere, wie die IKEA Industrie, IKEA Food oder IKEA Service B.V., die ebenfalls weitere Steuervermeidungskonstruktionen ermöglichen.
Inter IKEA Gruppe
Die Muttergesellschaft der Inter IKEA Gruppe ist die Inter IKEA Holding SA. Ihr obliegt die operative Steuerung. Die Unternehmensgruppe umfasst wieder vier Divisionen, jede mit unterschiedlichen Geschäftsfeldern. Die genauen Gründe für die rechtliche Trennung der Inter IKEA Gruppe von der IKEA Gruppe ist nicht bekannt. Es lässt sich jedoch vermuten, dass mehrere Aspekte dafür Anlass gegeben haben. Einerseits wird durch die Trennung eine Konsolidierung des Gesamtkonglomerats vermieden, andererseits ermöglicht sie die optimale steuerliche Ansiedlung von unterschiedlichen Unternehmensaktivitäten. Sicherlich auch ein Grund war die getrennte steuerliche Behandlung der Gewinne aus dem Franchise-Geschäft.
Die Franchise Division besteht aus der Inter IKEA Systems B.V., der das IKEA Konzept gehört und die das Franchise-System vermarktet. Die Tatsache, dass die Möbelmärkte rechtlich von der Inter IKEA Gruppe unabhängig sind, ermöglicht in den Niederlanden eine begünstigte Besteuerung der Inter IKEA Systems B.V. in der Höhe von nur 5 % der Gewinne, weil diese als Forschungs- und Entwicklungsfirma geführt wird. Die Zahlungen der Möbelhäuser (die meisten von ihnen zählen wie erwähnt zur IKEA Gruppe) in der Höhe von 3 % des Umsatzes an die Inter IKEA Systems B.V. werden so der Regelbesteuerung in den Heimatstaaten der Möbelmärkte entzogen. Der Status als Entwicklungsfirma gebührt der Inter IKEA Systems B.V., weil das Franchising sich nicht auf den Namen, sondern auf das „Konzept“ von IKEA bezieht, das von der Inter IKEA Systems B.V. ständig weiter entwickelt wird.
Neben der Franchise Division gehören auch noch die Retail Centre Division, die Property und die Finance Division zur Inter IKEA Gruppe. Die Finance Division unterhält angeblich Töchter in aller Welt, darunter bekannte Steueroasen wie Curacao, die Virgin Islands und Zypern. Sowohl die Property als auch die Finance Division sind dazu da, die Gewinne und das Vermögen der Gruppe profitabel und eben auch steueroptimierend anzulegen und zu verwalten.
Die gesamte Inter IKEA Gruppe ist im Besitz der Stiftung Interogo Foundation (Sitz: Liechtenstein). Die Stiftung dient unter anderem dem Unterhalt der Familie Kamprad und sie ermöglicht Kamprad praktisch das gesamte IKEA Konglomerat zu steuern. Zudem führt auch sie zu erheblichen Steuereinsparungen, denn eine Unternehmensstiftung in Liechtenstein bietet mehrere Vorteile: (1) Gewinnabführungen an eine Unternehmensstiftung, die selbst nicht operativ tätig ist, sind in Liechtenstein steuerfrei, (2) es fallen in Liechtenstein, bis auf einen Pauschalbetrag von 1200 Schweizer Franken, keine Vermögenssteuern an und (3) es gibt in Liechtenstein keine Erbersatzsteuern für Stiftungen (Äquivalent zu Erbschaftssteuern, die periodisch eingehoben werden). Nach Recherchen des schwedischen Fernsehsenders STV hat Kamprad durch die Interogo Foundation in 20 Jahren insgesamt 2,3 bis 3,2 Mrd. Euro an Steuern gespart.
Ein besonderer Coup gelang dem IKEA Konglomerat als 2012 die IKEA-Rechte von der Interogo Foundation an deren Tochtergesellschaft Inter IKEA Systems BV verkauft wurden. Vorher waren die Rechte nirgends buchhalterisch ausgewiesen, de facto hatte die Inter IKEA Systems diese Rechte auch vorher schon, da das Franchise Geschäft bereits über die Inter IKEA Systems abgewickelt wurde. Der Preis des Transfers waren 9 Mrd. Euro. Für den Verkauf wurde der Inter IKEA Systems zudem eine Kapitalaufstockung von der Interogo Foundation in der Höhe von 3,6 Mrd. Euro und ein Kredit über die restlichen 5,4 Mrd. mitgeliefert. Woher das Geld aus der Interogo genau gekommen ist, nachdem ihr Besitz offiziell nur aus dem Besitz der Inter IKEA Gruppe selbst bestand, ist unklar. Scheinbar war noch irgendwo Kapital versteckt. Jedenfalls ergaben sich durch die Transaktion einige Effekte: (1) Das Gesamtvermögen der Inter IKEA Gruppe wird nun mit 15 Mrd. Euro, anstatt mit vormals 5,8 Mrd. Euro, ausgewiesen, (2) die Inter IKEA Gruppe hat jetzt eine Schuld bei der Interogo Foundation in der Höhe von 5,4 Mrd. Euro, was – weil die Interogo dafür keine wirklichen Ausgaben hatte – einer steuerfreien Ausschüttung an die Stiftung gleich kommt, (3) die Inter IKEA Gruppe bezahlt fortan hohe Beiträge an Zinsen und Gebühren, vermutlich überwiegend an die Interogo. Im Jahr 2012 wurde so die Hälfte des Jahresgewinns steuerfrei nach Liechtenstein überwiesen.
IKANO Gruppe
Die IKANO Gruppe ist die undurchsichtigste der drei Gruppen. Sie ist im Besitz der drei Söhne von Kamprad und hat ihren Hauptsitz in Luxemburg. Auch sie besteht aus einer Vielzahl an Konzernteilen mit unterschiedlichsten Tätigkeitsfeldern. Ein wesentlicher Player in der Gruppe ist die IKANO Bank, die vor allem Kundenkredite vergibt. Durch die Subventionierung der Kredite durch die Möbelhäuser fließen so weitere Gewinne aus den Möbelhäusern in die Steueroase Luxemburg ab. Aber auch die eigene Insurance Unit der Gruppe hilft Gewinne durch Rückversicherungen der Märkte und Warentransporte zu verlagern.
Die folgende Abbildung stellt das gesamte IKEA Konglomerat mit seinen drei Konzerngruppen und deren ausgeklügelten Verbindungen grafisch dar.
Abbildung: Das IKEA Konglomerat und seine drei Konzerngruppen