Der kräftige Konjunkturaufschwung hat seinen Höhepunkt erreicht. Das noch immer starke Produktions- und Beschäftigungswachstum muss jetzt für wohlstandsfördernde Strukturreformen genutzt werden, die Arbeitssuchende und prekär Beschäftigte in gute Jobs bringen.
Kräftige Industrie- und Investitionskonjunktur
Österreichs Wirtschaft zeigt sich auch in den ersten Monaten des Jahres 2018 von ihrer außerordentlich kräftigen Seite. Das Bruttoinlandsprodukt stieg im I. Quartal 2018 real um mehr als 3 % gegenüber dem Vorjahr, angetrieben von Export (+5 %), Industrieproduktion (+9 %) und Ausrüstungsinvestitionen (+8 %).
Politik sorgt für zunehmende Unsicherheit
Gleichzeitig zeigt sich in diesen drei besonders dynamischen, im internationalen Wettbewerb stehenden Bereichen der Beginn einer leichten Abschwächung der Wachstumsraten. So betrug etwa der reale Anstieg der Ausrüstungsinvestitionen im I. Quartal 2018 kräftige 1,2 % gegenüber dem vorhergehenden Quartal, was aber doch nur noch halb so hoch war als im II. und III. Quartal 2017.
Das ist vor allem das Ergebnis zunehmender Unsicherheiten auf dem wirtschaftlichen Parkett Europas: Das aggressive Vorgehen der Trump-Regierung in Richtung Handelskrieg, das Fehlen von Fortschritten auf dem Weg zu einem geordneten Brexit, die Stärke des Euro gegenüber dem Dollar, die politischen Differenzen zwischen Frankreich und Deutschland über die weitere Integration – das alles trägt nicht zu optimistischen Erwartungen der Unternehmen bei, was aber die wichtigste Determinante einer stärkeren Ausweitung der Investitionen wäre.
Keine Hinweise auf Rezession
Derzeit mehren sich die Hinweise für eine Verlangsamung des Wirtschaftswachstums, nicht aber für einen Konjunktureinbruch. Schwächere Konjunktur im exponierten Sektor lässt die Binnennachfrage noch wichtiger werden.
Nach einer langen durch Finanzkrise und Budgetkonsolidierung geprägten Durststrecke steigt die Konsumnachfrage der privaten Haushalte seit 2016 wieder nennenswert (real +1,5 % gegenüber dem Vorjahr): Dafür gab die Senkung der Einkommensteuer den Anstoß; die Ausweitung der Beschäftigung, die Lohnabschlüsse und der Rückgang der Arbeitslosigkeit bilden aber die entscheidende Basis.
Gute Konjunktur für Strukturreformen nutzen
Im Konjunkturaufschwung fällt Wirtschaftspolitik leicht, alles läuft fast von selbst. Doch gerade in diesen Phasen werden wohlstandsfördernde Strukturreformen oft nicht angegangen. Dafür gibt es eine lange Liste: Etwa die notwendigen Zukunftsinvestitionen in öffentlichen Verkehr, ins soziale Wohnungs- und Pflegesystem, die überständige Föderalismusreform oder der Umbau des Abgabensystems weg von der Belastung der Arbeitseinkommen hin zur Besteuerung von Vermögen und ökologisch schädlicher Produktion bzw. eines solchen Konsums. Am dringlichsten erscheinen aber die Strukturreformen auf dem Arbeitsmarkt.
Viele neue, gut bezahlte Vollzeitjobs entstehen
Auch hier ist die Ausgangslage sehr gut, auch wenn die Zahl der Arbeitslosen um mehr als 100.000 über dem Tiefstand vor Beginn der Finanzkrise 2008 liegt.
In den ersten Monaten des Jahres stieg die Zahl der Jobs in Österreich um 90.000 gegenüber dem Vorjahr. Das ist der stärkste Beschäftigungsanstieg seit vielen Jahren. Entgegen weitverbreiteten Vorurteilen handelt es sich dabei auch nicht mehr – wie in der Vergangenheit – primär um prekäre Anstellungen für neu auf dem Arbeitsmarkt auftretende ausländische StaatsbürgerInnen. Es entstehen viele neue Vollzeitjobs, auch in gut zahlenden Branchen wie der Industrie oder modernen Dienstleistungsbereichen.
Auch das Phänomen gleichzeitig steigender Beschäftigung und Arbeitslosigkeit zwischen 2011 und 2015 ist derzeit nicht zu beobachten: Die Zahl der Arbeitslosen geht markant zurück, in den ersten Monaten 2018 um durchschnittlich 30.000 gegenüber dem Vorjahr. Dabei sinkt die Arbeitslosigkeit von österreichischen StaatsbürgerInnen besonders stark. Gleichzeitig ist die Zahl der beim AMS gemeldeten offenen Stellen mit über 60.000 auf neue Rekordwerte gestiegen. Ebenso lässt die Dynamik des Zustroms an Arbeitskräften aus den Nachbarländern etwas nach, weil in manchen Regionen Deutschlands, Tschechiens und Ungarns die Arbeitskräfte knapper werden und die Löhne merklich steigen.
Integrationsmaßnahmen ausbauen
Kräftig steigende Nachfrage nach Arbeitskräften, viele offene Stellen, schwächerer Zustrom ausländischer Arbeitskräfte: Selten gibt es einen so guten Zeitpunkt, neu auf den Arbeitsmarkt kommende Gruppen wie Jugendliche oder Geflüchtete, aber auch ungenügend Ausgebildete und gering Qualifizierte, prekär und temporär Beschäftigte in gute Jobs zu bringen, die eine längerfristige Arbeitsmarktintegration ermöglichen.
Was die Wirtschaftspolitik derzeit nicht verstehen will, ist, dass es dafür mehr Investitionen in Vermittlung, Qualifizierung und Integration für diese Gruppen braucht. Allgemeine Fördermaßnahmen für Zusatzbeschäftigung wie den Beschäftigungsbonus kann man angesichts der Konjunktur guten Gewissens streichen. Aber nicht spezifische Maßnahmen wie die Aktion 20.000 für ältere Langzeitarbeitslose oder das Integrationsjahr für Geflüchtete. Dafür gibt es keine sachliche Begründung.