Geld allein ist keine Lösung: Änderungen der Erwerbsbeteiligung von Müttern

27. Oktober 2022

Insbesondere für Mütter, die häufig geringere Erwerbsintensitäten als Väter aufweisen, werden Anpassungen von familienpolitischen Instrumenten im Steuer- und Transfersystem als Chancen für eine stärkere Integration am Arbeitsmarkt gesehen. Ein Vergleich der Erhöhung des „Familienbonus Plus“ mit einer aliquoten Anhebung der Familienbeihilfe zeigt jedoch, dass beide Instrumente nicht die erwünschte Wirkung zeigen: Geld allein ist keine Lösung.

In der ökonomischen und politischen Diskussion um die Ausgestaltung des Steuer- und Abgabensystems sind Erleichterungen für spezifische sozioökonomische Gruppen, wie etwa Familien mit Kindern, wichtige Ziele. Familienpolitische Instrumente stellen in diesem Kontext vor allem Geldleistungen in den Mittelpunkt, um Haushalte mit Kindern zu entlasten, und sind somit ein wesentlicher Bestandteil der Förderung von Familien. Neben der monetären Entlastung sind auch die Vermeidung von Armutsbetroffenheit und eine bessere Gleichstellung zwischen Elternteilen mögliche Ziele dieser Maßnahmen. Die Verteilung von bezahlter Erwerbsarbeit und unbezahlter Sorgearbeit spielt dabei eine wesentliche Rolle. Das Arbeitsangebot von Frauen, speziell von Müttern, ist ein Indikator für die Ungleichheit zwischen den Geschlechtern am Arbeitsmarkt. In Österreich ist die Teilzeitquote für Frauen mit knapp 50 Prozent (2021) auch im internationalen Vergleich anhaltend hoch. Bei Frauen mit Kindern zwischen drei und fünf Jahren erhöht sich dieser Anteil nochmals auf knapp 80 Prozent.

Mehr Einkommen ist nicht gleich mehr Erwerbsbeteiligung von Müttern

Wie Einkommensänderungen auf das Arbeitsangebot von Individuen wirken, wird in einschlägigen Analysen geschätzt. Internationale Studien zeigen sowohl positive als auch negative Reaktionen des Arbeitsangebots, je nachdem wie die Maßnahme ausgestaltet ist und welche Personengruppe davon betroffen ist. Zudem gibt es aufgrund unterschiedlicher institutioneller und normativer Rahmenbedingungen teils substanzielle Länderunterschiede. Bei einer Einkommenserhöhung werden besonders zwei Wirkmechanismen diskutiert: der Einkommenseffekt (erhöht das Arbeitsangebot) und der Substitutionseffekt (verringert das Arbeitsangebot). Welcher Effekt überwiegt, kann besonders vor der Einführung einer Maßnahme nur durch empirische modellbasierte Berechnungen abgeschätzt werden. Für Österreich fallen Schätzungen der Arbeitsangebotselastizität tendenziell eher gering aus.

Trotz dieser Ergebnisse werden familienpolitische Maßnahmen im Steuer- und Transferbereich heute noch dazu verwendet, um das Arbeitsangebot von Frauen, besonders Müttern, zu erhöhen. Der „Familienbonus Plus“ wurde im Jahr 2018 als Absetzbetrag eingeführt, und seine positiven Effekte auf die Erwerbsarbeit von Frauen wurden thematisiert. Ein aktuelles Projekt des Forschungsinstitutes INEQ (WU Wien) beschäftigt sich mit der Frage, welche Erhöhung von familienpolitischen Geldleistungen – entweder als Steuererleichterung oder als Transferleistung – eine potenzielle Veränderung des Arbeitsangebots von Müttern erzielt. Konkret werden dabei eine Erhöhung des „Familienbonus Plus“ und eine Erhöhung der Familienbeihilfe einander gegenübergestellt. Erste Ergebnisse lassen auf ein wenig optimistisches Resultat schließen: Mehr Geld allein hat nahezu keine Auswirkungen darauf, ob und wie lange Mütter in Österreich arbeiten.

Wie sieht das Arbeitsangebot von Frauen in Österreich aus?

Für die weitere Analyse wird eine Stichprobe von 1.359 Beobachtungen des EU-SILC (Erhebung über die Einkommens- und Lebensbedingungen in der Europäischen Union) herangezogen, welche ca. 915.000 in Österreich lebende Frauen zwischen 18 und 65 Jahren repräsentieren. Im Jahr 2019 arbeiteten diese Frauen rund 28 Stunden pro Woche. Der Durchschnitt verbirgt jedoch die breite Variation der tatsächlichen Arbeitsstunden: Frauen, die mit ihrem Partner in einem Haushalt leben, weisen eine breitere Streuung an wöchentlichen Arbeitsstunden auf als jene, die allein (bzw. allein mit Kindern) wohnen. Zudem ist der Anteil an Personen, die keiner Erwerbsarbeit nachgehen, bei Frauen in Paarbeziehungen beinahe doppelt so hoch wie in Einpersonenhaushalten (bzw. bei Alleinerzieherinnen).

Was beeinflusst die Entscheidung (und das Ausmaß), erwerbstätig zu sein? Neben den Gegebenheiten am Arbeitsmarkt („Wie viele Arbeitsstunden werden nachgefragt“) spielen auf Arbeitnehmerinnenseite individuelle Präferenzen eine Rolle. In der empirischen Forschung werden hierzu sogenannte Nutzenfunktionen geschätzt, also Modelle, die versuchen, anhand unterschiedlicher Faktoren (wie zum Beispiel Alter, Bildung, Kinder im Haushalt) zu schätzen, warum bestimmte Arbeitszeiten gewählt wurden und andere nicht.

Individuelle Arbeitsangebotsentscheidungen schätzen – wie geht das?

In unserem Modell wird angenommen, dass Arbeitnehmer:innen zwischen Stellenangeboten mit unterschiedlichen Kategorien von Arbeitsstunden (0, 15, 20, 30 und 40 Wochenarbeitsstunden) wählen können, welche anhand der tatsächlich angegebenen Arbeitsstunden ausgewählt und zusammengefasst wurden.

Für jede dieser Kategorien wird nun für alle Personen ein entsprechendes individuelles Einkommen mithilfe des Mikrosimulationsmodells EUROMOD simuliert. Mittels dieser fünf Kategorien mit unterschiedlichen Wochenarbeitsstunden und verfügbaren Einkommen wird ein Modell geschätzt, das für jede Beobachtung angibt, wie wahrscheinlich es ist, dass genau „X Stunden pro Woche“ mit entsprechendem Einkommen gearbeitet werden. Dabei spielt das jeweilige Ausmaß an Arbeitsstunden und das damit verbundene Einkommen eine erhebliche Rolle. Darüber hinaus werden weitere erklärende Faktoren aus dem EU-SILC, wie Alter, Bildung, Anzahl an (jungen) Kindern oder der Urbanisierungsgrad, in das Modell inkludiert, um gruppenspezifische Präferenzen abzubilden. Unbeobachtbare Faktoren, wie individuelle Werte- und Normvorstellungen, machen eine exakte Berechnung der Wahrscheinlichkeiten unmöglich. Es wird jedoch versucht, diese Art von Verzerrungen weitestgehend zu minimieren.

Familienbeihilfe vs. Familienbonus Plus: Welche Erhöhung ist „besser“?

Mittels der oben beschriebenen Modelle können nun die Effekte von zwei unterschiedlichen Erhöhungen für das Jahr 2019 simuliert werden: die der (a) Familienbeihilfe bzw. des (b) „Familienbonus Plus“ um jeweils ungefähr 600 Mio. Euro an aggregiertem Abgabenvolumen. Konkret bedeutet das für den „Familienbonus Plus“ eine Aufstockung des Absetzbetrages von jährlich 1.500 auf 2.000 Euro und des Kindermehrbetrages von 250 auf 450 Euro. Dies entspricht der tatsächlich beschlossenen Erhöhung, die seit 2022 in Österreich gilt. Als Vergleich wurde im Ausmaß desselben Abgabenvolumens der Grundbetrag der Familienbeihilfe für Kinder unter drei Jahren von monatlich rund 114 Euro (2019) auf 138 Euro erhöht. Die Familienbeihilfe für ältere Kinder wurde aliquot angepasst. Offensichtliche Unterschiede zwischen den beiden Maßnahmen sind neben dem Kreis an Bezugnehmer:innen auch die Ausgestaltung der Förderung als Absetzbetrag oder universelle Transferleistung.

Die Ergebnisse unserer Simulationen deuten darauf hin, dass keine der beiden Maßnahmen eine substanzielle Änderung des Arbeitsangebotes von Müttern zur Folge hat. Da bereits die berechneten Arbeitsangebotselastizitäten sehr klein sind (eine Erhöhung des Bruttoeinkommens von 1 Prozent führt zu einer Ausweitung der mittleren Wochenarbeitsstunden um 0,13 Prozent für Frauen in Paarhaushalten und 0 Prozent für Alleinerzieherinnen), führt keine der ausgeweiteten Geldleistungen zu einer nennenswerten Bewegung zwischen den Arbeitszeitkategorien. Es ist demnach nicht wahrscheinlich, dass Mütter ihre wöchentliche Arbeitszeit reduzieren (Substitutionseffekt) oder aufstocken (Einkommenseffekt), noch sind wesentliche Partizipationseffekte (Ein- bzw. Ausstieg aus der Erwerbstätigkeit) erkenntlich. Das bedeutet, dass neben der Erhöhung des Einkommens andere Faktoren wichtiger zu sein scheinen, wie zum Beispiel die Art der verfügbaren Kinderbetreuung, deren Qualität und Leistbarkeit sowie Norm- und Wertvorstellungen über geeignete Arbeitszeiten.

Auch wenn aus Sicht der Arbeitsangebotsfunktionen beide Familienleistungen gleich unbedeutend sind, können die Maßnahmen anhand von Veränderungen der Einkommensungleichheit beurteilt werden. Das verhältnismäßig geringe Volumen der simulierten Reformen trägt nur marginal zur Änderung der allgemeinen Einkommensungleichheit in Österreich bei. Der Gini-Koeffizient reduziert sich minimal, jedoch etwas stärker bei der Erhöhung der Familienbeihilfe. Die Grafik zeigt die durchschnittliche Veränderung des monatlichen Einkommens: Die Entlastung durch die Familienbeihilfe, welche als universelle Transferleistung tendenziell den Müttern ausgezahlt wird, bewirkt einen etwas stärker angleichenden Effekt als die Änderung des Absetzbetrages. Zudem hängen die Einkommenszuwächse durch die erhöhte Familienbeihilfe primär von der durchschnittlichen Anzahl der Kinder im jeweiligen Quintil (Einkommensfünftel) ab, während beim Familienbonus auch die Höhe des Einkommens eine wichtige Rolle spielt.

Dekoratives Bild © A&W Blog
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Kinderbetreuung und Gleichstellungspolitik als zentrale Elemente einer modernen Familienpolitik

Wie aus dieser Simulation ersichtlich wird, bewirken Geldleistungen keine automatischen Änderungen im Arbeitsangebot von Frauen. Die Entscheidung, selbst Sorgearbeit zu übernehmen oder (mehr) arbeiten zu gehen, ist sehr vielschichtig und hängt nicht primär von (relativ geringen) Geldleistungen ab. Diese müssten unrealistisch hoch sein, um substanzielle Arbeitsangebotsänderungen zu bewirken. Trotzdem werden sie gerne vorschnell als Gleichstellungsinstrument propagiert. Besonders für Mütter scheinen jedoch andere Maßnahmen der Familienpolitik stärkere Auswirkungen auf das Arbeitsangebot zu haben. Qualitativ hochwertige und leistbare institutionelle Kinderbetreuung, insbesondere außerhalb von Großstädten, sind neben Einflüssen wie der Wertvorstellungen über die Verteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeit, potenziell wichtige Determinanten, die sich durch bloße Einkommensänderungen nicht allzu leicht ändern lassen. Eine stärkere Gleichstellung in der Aufteilung der Karenzzeit, der Elternteilzeit und in privaten Pflege- und Betreuungsaufgaben, wären familienpolitische Zielsetzungen mit möglicherweise stärkerem Einfluss auf das Arbeitsangebot von Frauen (und Männern).

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