Ein schneller Blick in die E-Mails, ein kurzer Anruf bei der Kollegin – und all das in der Freizeit. Auch der Urlaub wird lieber nicht verbraucht, da die anstehenden Aufgaben nur von einem selbst erledigt werden können. Sogar krank arbeiten zu gehen ist für die Mehrheit nichts Ungewöhnliches. Dieser Beitrag präsentiert auf Basis der Ergebnisse einer Studie, wie sich die Entgrenzung der Arbeit auf die Neigung zur Mehrleistung durch Erwerbstätige auswirkt. Die Analyse zeigt, dass die betrieblichen Rahmenbedingungen, unter denen gearbeitet wird, maßgeblich dafür verantwortlich sind, wie intensiv die Erwerbstätigen bereit sind, ihren Arbeitseinsatz zu steigern.
Herausforderungen durch selbst organisierte Arbeit und Eigenverantwortlichkeit
Zwar hat die Bedeutung von Homeoffice schon in den letzten Jahren zugenommen, allerdings wurde erst durch die jüngsten Erfahrungen in der COVID-19-Pandemie eine Notwendigkeit dazu geschaffen. Viele Tätigkeiten in Unternehmen waren plötzlich durch die Zurverfügungstellung von Softwarelösungen telearbeitsfähig, was ortsungebundenes Arbeiten ermöglichte. Dadurch waren viele Arbeitnehmer*innen einer völlig neuen Situation gegenübergestellt. Doch auch für Beschäftigte, deren Arbeitsabläufe schon vor der COVID-19-Pandemie – und damit unabhängig vom Arbeitsort – von selbst organisierten Abläufen, Eigenverantwortlichkeit und Abstimmungsprozessen geprägt waren, stellen diese Merkmale eine Herausforderung in Bezug auf die Work-Life-Balance dar.
Denn nicht nur vonseiten der Arbeitgeber bestehen hohe Erwartungen, die sich etwa in eingeforderter Flexibilität ausdrücken, sondern auch vonseiten der Beschäftigten, sich verstärkt in Arbeitsprozessen zu engagieren. Dadurch bringen Arbeitnehmer*innen immer mehr persönliche Eigenschaften, wie Kreativität oder Interpretationsfähigkeit, ein und sind darüber hinaus bereit, stärker in ihre Arbeit involviert zu sein. Durch eine starke Identifikation mit der ausgeübten Tätigkeit kann es zu einem ausgedehnten Zugriff auf das Leben und somit zu einem verstärkten Arbeitseinsatz der Erwerbstätigen kommen.
Die Studie zeigt, dass die betrieblichen Rahmenbedingungen einen großen Einfluss darauf haben, inwieweit die Erwerbstätigen bereit sind, ihren Arbeitseinsatz zu steigern. Die Ergebnisse variieren nicht nach dem Bildungsstand, Alter sowie Geschlecht. Einerseits beziehen sich diese Bedingungen auf zeitliche Entgrenzung, die sich in ausufernden Arbeitszeiten aufgrund von Zeitdruck und hohem Arbeitsvolumen ergeben; andererseits auf den Bedarf der inhaltlichen, fachlichen und bereichsübergreifenden Koordinierung, um Aufgaben erledigen zu können. Weiters führen auch die Möglichkeit des externen Zugriffs auf Unternehmensinhalte, Homeoffice und mobiles Arbeiten dazu, dass Erwerbstätige bereit sind, ihren Arbeitseinsatz zu erhöhen.
Diese Mehrarbeit kann sich nicht nur als Erreichbarkeit außerhalb der Arbeitszeit ausdrücken, sondern auch durch Vermeidung von Krankenständen, Ansammlung offener Urlaubsansprüche, starkes Arbeitsengagement sowie Weiterbildung außerhalb der Arbeitszeit entstehen. All diese Handlungen können zum Teil von der/dem Arbeitnehmer*in selbst gesteuert werden.