Die Aufgabenbereiche von Betriebsrät:innen sind vielfältig und anspruchsvoll. Betriebliche Mitbestimmung nimmt aber durch die Veränderungen in der Arbeitswelt an Komplexität weiter zu. Dies macht es schwieriger, Lösungen zu finden, die allen zugutekommen. Dennoch bringt betriebliche Mitbestimmung nicht nur bessere Arbeitsbedingungen für Beschäftigte, sondern auch wirtschaftlichen Erfolg für Unternehmen, wie eine ganze Reihe von Studien belegt.
Homeoffice, Teilzeit, künstliche Intelligenz – trotz neuer Herausforderungen große Wertschätzung für Betriebsratsarbeit
Die Aufgabenbereiche der Betriebsräte sind vielfältig und anspruchsvoll. Durch die Veränderungen der Arbeitswelt im vergangenen Jahrzehnt sind die Anforderungen an die Betriebsratsmitglieder gestiegen. Eine Befragung der Betriebsratsmitglieder im Rahmen der Mitbestimmungsstudie 2022 zeigt, dass die Themen, zu denen betriebsrätliches Know-how gefragt ist, mehr werden. Disloziertes Arbeiten (u. a. in Form von Homeoffice) und atypische Beschäftigungsformen, wie Teilzeitarbeit, freie Dienstverträge etc., erschweren die Kommunikation der Betriebsratsmitglieder mit den Beschäftigten; in Zeiten zunehmender Individualisierung wird Betriebsratsarbeit aufwendiger und es wird schwerer, Lösungen zu finden, die – wenn nicht für alle, zumindest für viele – vorteilhaft sind.
Auf der anderen Seite stehen Arbeitnehmer:innen der betrieblichen Mitbestimmung grundsätzlich sehr positiv gegenüber: 84 Prozent finden es (sehr) gut, dass es eine betriebliche Vertretung ihrer Interessen gibt. Arbeitnehmer:innen, die einen Betriebsrat im Betrieb haben, schätzen diesen als noch wichtiger ein als Beschäftigte, bei denen dies nicht der Fall ist. Aber auch Letztere wünschen sich häufig einen Betriebsrat, v. a. in größeren Betrieben bzw. wenn es Probleme gibt.
Mitbestimmte Unternehmen sind wirtschaftlich erfolgreicher
Mittlerweile gibt es eine Reihe von wissenschaftlichen Befunden über die positiven Wirkungen der betrieblichen Mitbestimmung. Entgegen landläufigen Anschauungen profitieren nicht nur die Beschäftigten, sondern auch die Betriebe bzw. Unternehmen. Die positive Wirkung der Mitbestimmung belegt etwa eine Untersuchung der 100 größten Unternehmen in der EU: (Aufsichtsrats-)mitbestimmte Unternehmen performen nicht nur wirtschaftlich besser, indem sie u. a. höhere Marktwerte erzielen. Sie zeichnen sich auch durch eine geringe Lohnspreizung sowie geringere Ausgaben für Manager:innengehälter aus. Darüber hinaus zeigen empirische Befunde eine höhere Resilienz (aufsichtsrats-)mitbestimmter Unternehmen: Sie bewältigen Krisenzeiten besser und erholen sich schneller wieder davon.
Auch im Hinblick auf nachhaltiges Wirtschaften sind mitbestimmte Unternehmen vorne und spielen damit eine wichtige Rolle im sozialen und ökologischen Umbau, wie u. a. eine Untersuchung von 200 börsennotierten Unternehmen in Deutschland zeigt.
Betriebsrat bringt höhere Einkommen und mehr Weiterbildung für Beschäftigte
Wissenschaftliche Studien belegen auch für Österreich die positiven Wirkungen der betrieblichen Mitbestimmung. Eine Sonderauswertung des European Working Conditions Survey kommt zum Ergebnis, dass Beschäftigte in Unternehmen mit Betriebsrat über ein höheres monatliches Nettoeinkommen verfügen und sie häufiger in den Genuss einer von der/dem Arbeitgeber:in bezahlten Weiterbildung kommen. Dass Arbeitnehmer:innen mit Betriebsrat über höhere Einkommen verfügen und (etwas) leichter mit dem Einkommen auskommen, zeigt auch der vergleichende Teilbericht aus der Mitbestimmungsstudie 2022. Die stärkere Einbindung der Beschäftigten in betriebliche Qualifizierungsmaßnahmen zeigt auch eine Studie für Deutschland, wobei insbesondere Beschäftigte mit einfachen Tätigkeiten profitieren.
Dass die Mitbestimmung der Beschäftigten am Arbeitsplatz neben wirtschaftlicher Performanz und Resilienz auch „gute Arbeit“ fördert und stärkt, zeigt der deutsche Mitbestimmungs-Index: Demnach zeichnen sich mitbestimmte börsennotierte Unternehmen in Deutschland durch höhere Investitionen in die Belegschaft (u. a. in Form von Personalabteilungen), höhere Quoten in der dualen Ausbildung und höhere Beschäftigungsquoten von älteren Arbeitnehmer:innen aus.
Stabile Beschäftigung und mehr informelle Mitbestimmung
Im Hinblick auf die Qualität der Beschäftigung verweist die Mitbestimmungsstudie auf weitere wesentliche Vorteile der Mitbestimmung: Zum einen sind Arbeitnehmer:innen mit Betriebsrat seltener von sogenannten instabilen Beschäftigungsformen betroffen. Als solche werden Beschäftigungsformen definiert, die durch mangelnde sozial- und arbeitsrechtliche Sicherung und Einbindung in den Betrieb charakterisiert sind, wie Befristungen, Geringfügigkeit, Leiharbeit, Teilzeitarbeit etc.
Zum anderen sind Beschäftigte mit Betriebsrat auch häufiger und stärker in diverse Formen der informellen Mitwirkung (abseits der Mitbestimmung) eingebunden. Informelle Mitwirkung ist folglich eine Ergänzung der betrieblichen Mitbestimmung, die in mitbestimmten Betrieben häufiger angewandt wird. Auf diesen Sachverhalt hat bereits die Sonderauswertung des ECS 2019 für Österreich aufmerksam gemacht.
Arbeitnehmer:innen mit Betriebsrat sind auch besser über die Institutionen der Arbeitnehmer:innenvertretung – also Arbeiterkammern und Gewerkschaften – informiert. Sie können daher deren (Beratungs-)Angebote besser nutzen und sich nötigenfalls wirkungsvoller zur Wehr setzen.
Führungskräfte sehen bessere Arbeitsleistung und mehr Engagement durch Betriebsräte
Die Einstellung von Führungskräften in Österreich zur betrieblichen Mitbestimmung ist bisher nur in Sonderauswertungen des European Company Survey (ECS) dokumentiert. Er wird in mehrjährigen Abständen durchgeführt, zuletzt 2013 und 2019. Darin stellen Führungskräfte in Österreich der betrieblichen Mitbestimmung ein grundsätzlich gutes Zeugnis aus: Die weit überwiegende Mehrzahl der Befragten vertraut dem Betriebsrat und ist der Auffassung, dass der Betriebsrat zu mehr Engagement und einer verbesserten Arbeitsleistung beiträgt. Vier von fünf Befragten sind zudem davon überzeugt, dass die Einbindung von Betriebsräten keine größeren Verzögerungen nach sich ziehen würde.
Ähnlich positiv bewerteten Führungskräfte in Österreich die betriebliche Mitbestimmung auch im darauffolgenden ECS 2019. Die Auswertung des gesamteuropäischen Datensatzes des ECS kommt zum Ergebnis, dass mitbestimmte Unternehmen/Betriebe in jeder Hinsicht besser performen. Sie erzielen bessere wirtschaftliche Ergebnisse und gewährleisten höheres Wohlbefinden am Arbeitsplatz. Betriebsräte tragen damit dazu bei, mehr und stärkere Indikatoren von Guter Arbeit zu generieren. Am besten funktioniert dies in jenen Unternehmen, in denen Arbeitnehmer:innenvertretungen nicht nur informiert werden, sondern das auch frühzeitig und ausreichend.
Entsprechend deutlich empfiehlt Eurofound die Stärkung der Mitbestimmung der Beschäftigten sowie der Verhandlungsmechanismen zwischen Arbeitgeber:innen und Arbeitnehmer:innen auf zentraler – sprich: nationaler bzw. kollektivvertraglicher und nicht betrieblicher – Ebene. Sogar die oft sehr wirtschaftsliberale OECD kommt zu den gleichen Empfehlungen. Hintergrund dieser bemerkenswerten Positionierung war die groß angelegte Studie Negotiating our way up. Sie zeigt in einem Vergleich der OECD-Länder evidenzbasiert, dass Tarifpartnerschaft und Mitbestimmung/Mitwirkung die Qualität der Beschäftigung, den (wirtschaftlichen) Erfolg der Unternehmen sowie auch die Performanz der Arbeitsmärkte verbessern.
Mitbestimmung als Leerstelle im Regierungsprogram
Ein Blick ins aktuelle österreichische Regierungsprogramm zeigt, dass der betrieblichen Mitbestimmung leider kein großer Stellenwert beigemessen wird. Zumindest wird der „Betriebsrat“ im Zusammenhang mit der Gestaltung der Arbeitszeit und des sozial-ökologischen Umbaus erwähnt. Mitbestimmung im Aufsichtsrat und Jugendvertrauensräte fehlen aber ebenso wie ein stringentes Konzept zur Förderung und Stärkung der betrieblichen Mitbestimmung.
Vor dem Hintergrund der folgenschweren Auswirkungen des Abbaus von Mitbestimmung und Kollektivverhandlungssystemen in Europa in den vergangenen Jahrzehnten – von einer sich verschärfenden Ungleichheit über sinkende Lohnquoten bis hin zu Lohnentwicklungen unter dem Produktivitätswachstum – und angesichts des zunehmenden Erstarkens antidemokratischer Kräfte ist dies eine bemerkenswerte Leerstelle des Regierungsprogramms.