Zwei wichtige Erwartungen haben die in der Arbeitslosenversicherung Versicherten an diesen Bereich der sozialen Absicherung in Österreich: Das sind zunächst Geldleistungen in einer Höhe, die nicht sofort zu empfindlichen Einschränkungen in der Lebenshaltung führt – besonders wichtig für AlleinerzieherInnen und für Mehrkindfamilien. Und dann geht es den Versicherten auch darum, auf eine gute Unterstützung beim beruflichen Neustart durch die Arbeitslosenversicherung bauen zu können. Damit sind zwei Wegmarken für die von der Bundesregierung angekündigte Reform der Arbeitslosenversicherung und damit verbunden auch der Arbeitsmarktförderung gezeichnet. Die Ankündigungen der Bundesregierung setzen sich davon aber deutlich ab: Mehr existenzieller Druck in der Arbeitslosenversicherung und eine Arbeitsmarktförderung, die sich weitestgehend an kurzfristigen Bedarfen der Unternehmen orientiert.
Sonderauswertung des Arbeitsklima-Index bildet Erwartungen an die Arbeitslosenversicherung ab
Im Rahmen der regelmäßigen Befragungen für den Arbeitsklima-Index wurden 2017 3.902 aktuell beschäftigte und repräsentativ ausgewählte ArbeitnehmerInnen zu ihren Erwartungen an die Arbeitslosenversicherung befragt. Zum Zeitpunkt der Beauftragung war die hohe Arbeitsmarktdynamik in Österreich das Kernmotiv für diese Zusatzfragen, die ja auch von einer hohen Betroffenheit von Arbeitslosigkeit begleitet ist. 2017 wechselten rund 523.000 ArbeitnehmerInnen – das sind rund 14 Prozent der unselbstständig Beschäftigten des Jahres 2017 – zumindest einmal von unselbstständiger Aktivbeschäftigung in AMS-Vormerkung, wurden also arbeitslos und waren zur Absicherung ihrer Existenz im Durchschnitt etwas mehr als vier Monate auf die Leistungen der Arbeitslosenversicherung angewiesen.
Mit dem Arbeitsprogramm der neuen Bundesregierung hat diese Erhebung aber zusätzliche Bedeutung und Aktualität gewonnen – denn noch heuer sollen ja die Vorstellungen hinter dem Vorhaben eines „Arbeitslosengeldes neu“ präzisiert werden. Umso wichtiger ist es, die Erwartungen von Beschäftigten an die Sozialversicherung genauer zu kennen, die sie vor den individuellen Folgen der Arbeitslosigkeit und bei deren Bewältigung so gut wie möglich schützen bzw. unterstützen soll.
Realistisches Bild über die Leistungskraft der Geldleistungen der Arbeitslosenversicherung
Die Beschäftigten haben zunächst ein recht realistisches Bild von der Leistungskraft der Arbeitslosenversicherung. Die Ersatzrate von 55 % des Nettoeinkommens vor der Arbeitslosigkeit beim Arbeitslosengeld lässt wohl niemanden wirklich Milch und Honig beim Verlust des Arbeitsplatzes erwarten. So rechnen 51 % der Befragten mit einem starken Absinken ihres Lebensstandards, weitere 34 % meinen, ihr Lebensstandard würde merklich sinken. Nur acht Prozent der Befragten meinen, sie würden ihren Lebensstandard halten können. Niemanden wird es wundern, dass 92 % der GeringverdienerInnen (Einkommen bis € 1.550,- brutto) und Beschäftigten mit Kindern ein merkliches oder starkes Absinken ihres Lebensstandards befürchten. Interessant ist, dass es kaum Unterschiede bei dieser Erwartung nach dem Bildungsstand gibt: 93 % der Beschäftigten mit Pflichtschulabschluss als höchstem Bildungsabschluss, 91 % derjenigen mit Lehrausbildung und 91 % der AkademikerInnen erwarten deutliche Einschnitte in der Lebenshaltung bei Arbeitslosigkeit.
Diese Befunde decken sich mit den Ergebnissen einer qualitativen Studie, in der Wiener ArbeitnehmerInnen über ihre Erfahrungen mit der Höhe der Leistungen der Arbeitslosenversicherung und ihre Strategien beim Umgang damit befragt wurden – Aufbrauchen der Ersparnisse, so überhaupt vorhanden, höhere Abhängigkeit vom Partner, Geldausleihen bei Verwandten und drastische Ausgabenreduktionen im Lebensalltag gerade für AlleinerzieherInnen und für Mehrkindfamilien prägen die Lebensrealität von Arbeitslosen.