Mit Beteiligung zu Gegenmacht: Kollektivvertragsverhandlungen der Buslenker:innen und „Wir Fahren Gemeinsam“

15. April 2025

Die jüngste Runde der Kollektivvertragsverhandlungen für Buslenker:innen in privaten Unternehmen war nicht nur aufgrund des Warnstreiks in der medialen Berichterstattung präsent. Der Zusammenschluss zwischen der Arbeitnehmer:innen- und der Klimabewegung im Bündnis „Wir Fahren Gemeinsam“ zeigt, wie die Bildung von Gegenmacht im Kampf für bessere Arbeitsbedingungen und eine sozial gerechte Mobilitätswende flächendeckend gelingen können.

In den vergangenen Monaten rückten die unzumutbaren Arbeitsbedingungen von Buslenker:innen in privaten Unternehmen verstärkt ins Rampenlicht. Diese gesteigerte Aufmerksamkeit für die Missstände in der Branche ist dem Einsatz des Bündnisses „Wir Fahren Gemeinsam“ zu verdanken. Im Jahr 2023 schlossen sich die Gewerkschaft vida, die Arbeiterkammer und die Klimabewegung zusammen, um gemeinsam mit den Buslenker:innen für bessere Arbeitsbedingungen und eine sozial gerechte Mobilitätswende zu kämpfen. Nun, nach über einem Jahr und einem erfolgreichen Abschluss der Kollektivvertragsverhandlungen, ist es Zeit, zurückzublicken und die Erkenntnisse aus dieser Zusammenarbeit zu reflektieren. Das Fazit: Mit Beteiligung und starken Bündnissen lässt sich echte Gegenmacht im Betrieb aufbauen.

Wie alles begann

Ein Großteil des Busverkehrs in Österreich wird von privaten Unternehmen wie Postbus und Dr. Richard betrieben. Obwohl diese Unternehmen bereits jetzt verzweifelt nach Lenker:innen suchen, bleiben die Arbeitsbedingungen in der Branche mangelhaft. Mit dem notwendigen Ausbau des öffentlichen Busliniennetzes wird der Bedarf an Buslenker:innen weiter steigen. Die Klimafrage und die Frage der Arbeitsbedingungen hängen hier direkt zusammen.

Auf der Akademie für sozialen und ökologischen Umbau 2023 entstanden erste Kontakte zwischen Vertreter:innen der Gewerkschaft vida und Aktivist:innen aus der Klimabewegung. Nachdem „Fridays for Future“ und „System Change not Climate Change“ bereits 2022 Solidarität mit streikenden Eisenbahnbeschäftigten bekundeten, gründeten sie gemeinsam mit vida und der Arbeiterkammer Anfang 2024 das Bündnis „Wir Fahren Gemeinsam“. Die zentrale Botschaft lautet dabei: Die Mobilitätswende kann nur mit guten Arbeitsbedingungen im Verkehrssektor gelingen.

Strukturaufbau durch Organizing

Die gewerkschaftliche Organisierung von Buslenker:innen stellt sich aus mehreren Gründen als Herausforderung dar. Die Betriebsstruktur in der Busbranche ist stark fragmentiert, mit mehreren Garagen pro Betrieb, in denen die Beschäftigten ihre Dienste beginnen und beenden. Oft fehlen Sozial- und Pausenräume zur Erholung der Fahrer:innen. Selbst bei vorhandenen Räumen erschweren unterschiedliche Dienstpläne den regelmäßigen Kontakt unter Kolleg:innen. Betriebsrät:innen haben daher oft Schwierigkeiten, ihre Belegschaften zu mobilisieren und regelmäßig zu erreichen.

Das Bündnis setzte mit den Kollektivvertragsverhandlungen 2024/25 auf Organizing-Methoden, um diesen Herausforderungen zu begegnen. Durch viele persönliche Eins-zu-eins-Gespräche gelang es der Gewerkschaft vida zusammen mit den Aktivist:innen, ein bundesweites Netzwerk aktiver Busfahrer:innen in enger Zusammenarbeit mit Betriebsrät:innen aufzubauen. Gewerkschaftliche Kernmethoden wurden hier durch das freiwillige Engagement von Klimaaktivist:innen unterstützt. Ein zentraler Bestandteil des Beteiligungsansatzes war die Einführung von Garagenverantwortlichen (GVs), die als Bindeglied zwischen dem KV-Team und den Garagen fungierten.

Aufgabe der GVs war es, ihre Teams zunächst über den Stand der KV-Verhandlungen zu informieren und sie anschließend zu organisieren. Zudem wurde ein großer WhatsApp-Infokanal eingerichtet, über den Tausende Fahrer:innen schnell und unkompliziert mit wichtigen Informationen versorgt werden konnten. Die GVs, die nach und nach Verantwortung übernahmen, brauchten einen Raum, um sich auszutauschen und Mut zu schöpfen. Dieser Ort waren die meist wöchentlich stattfindenden digitalen Aktiventreffen der GVs. Neben den Aktiventreffen, den gewählten Gewerkschafts- und Betriebsratsstrukturen etablierten sich die Verhandlungs-Rückkopplungen als wichtiges Beteiligungsinstrument.

Noch am Abend der Verhandlungsrunden (oder am darauffolgenden Abend, wenn diese länger dauerten) kam das Verhandlungsteam mit den GVs online zusammen, um direkt aus den Verhandlungen zu berichten. Diese transparenten Berichte wurden von den GVs als sehr wichtig aufgefasst, da sie dadurch in der Lage waren, ihre Kolleg:innen in den Garagen ab dem nächsten Tag umfassend zu informieren.

Mit Warnstreik zum Erfolg

Der Beteiligungsansatz schuf mit dem Netzwerk an GVs echte Durchsetzungskraft in den einzelnen Garagen. Durch die vielen persönlichen Eins-zu-eins-Gespräche rund um die Forderungen und den aktuellen Stand der KV-Verhandlungen war es den Lenker:innen möglich, in die Offensive zu gehen. Als sich die WKO, die Verhandlungspartei der Arbeitgeberseite, auch nach vier Verhandlungsrunden und mehreren kleineren Protestmaßnahmen immer noch nicht substanziell bewegt hatte, waren die Kolleg:innen folglich in der Lage, am 20. Februar an über 100 Standorten in ganz Österreich den ersten Warnstreik der privaten Autobusbranche zu organisieren. Über 700 Lenker:innen streikten, viele von ihnen das erste Mal – und spürten so direkt ihren Einfluss auf die Verhandlungen.

Bündnisse als wichtiger Baustein für den Umbau

Aufgrund der drohenden Klimakatastrophe und der steigenden Ungleichheit werden wir in den nächsten Jahren zivilgesellschaftliche Bündnisse mit Schlagkraft benötigen. Gemeinsame Bündnisse von Klima- und Arbeitnehmer:innenbewegung zeigen Wege für eine sozial gerechte Klimapolitik auf, die dem neoliberalen Modell des grünen Kapitalismus eine solidarische Alternative entgegenstellt. Beteiligungsmechanismen wie in der KV-Runde der privaten Buslenker:innen sind dabei der entscheidende Hebel, um betriebliche Gegenmacht zu entwickeln. Reden wir MIT den Beschäftigten statt ÜBER sie.

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