Ortsungebundene Plattformarbeit nimmt immer mehr zu. Cloud- und Clickworker:innen sehen sich dabei aber mit einer Vielzahl an Problemen am traditionellen Arbeitsmarkt und auf Plattformmärkten konfrontiert. Unzureichendem Arbeits- und Sozialschutz, globaler Lohnkonkurrenz und Arbeitsumfeldern mit starkem Managementeinsatz von Algorithmen wird nun jedoch erstmals mit einer EU-Richtlinie zu den Arbeitsbedingungen bei der Plattformarbeit entgegengewirkt. Doch wer sind die Beschäftigten der ortsungebundenen Plattformökonomie eigentlich? Und was denken sie über Plattformarbeit? Diese Antworten finden sich in einer neuen Studie von Forschenden der Wirtschaftsuniversität Wien.
Das heterogene Feld der Plattformarbeiter:innen
Als Forschungsgebiet hat die Plattformökonomie noch immer Hochkonjunktur. Meist sind es aber ortsgebundene Tätigkeiten, wie etwa Taxiunternehmen oder die Essenszustellung, die im Stadtbild gut sichtbar sind und erforscht werden. Über eine Plattform von zu Hause aus zu arbeiten ist hingegen im öffentlichen Raum unsichtbar und in der Forschung bislang ein Randthema. Dabei gibt es inzwischen eine enorme Bandbreite an Tätigkeiten, die digital über Arbeitsplattformen vermittelt und von Cloudworker:innen erbracht werden. Diese reichen vom Trainieren künstlicher Intelligenzen über das Schreiben von Werbetexten und das Entwerfen von Logos bis hin zu Softwareentwicklung oder Rechtsberatung. In der gesamten EU sind fast 28 Millionen Menschen in der Plattformökonomie tätig.
Da es für rein online abgehandelte Tätigkeiten abgesehen vom Sprachraum keine nationalen Grenzen gibt, können sich Kund:innen oft globale Lohnunterschiede zunutze machen. Das war zwar schon vor dem Aufstieg der Plattformökonomie möglich, allerdings noch mit enormen Suchkosten verbunden und daher allenfalls für größere Projekte relevant. Zudem gestalten die Plattformen die Geschäftsbedingungen zugunsten der Kund:innen, womit viele Risiken wie etwa Zahlungsausfälle auf die Plattformarbeiter:innen abgewälzt werden. Deren Flexibilität, im Sinne einer selbstbestimmten Arbeitsweise, ist auf den zweiten Blick daher oft kleiner als gedacht. Sie können die Rahmenbedingungen der Auftragserledigung nicht mitgestalten und müssen mit dem leben, was die Plattformen vorgeben. Es ist auch nicht leicht möglich, die Plattform zu wechseln, denn die hart erarbeiteten positiven Reviews und hohen Rankings können nicht auf andere Plattformen übertragen werden.
Während auf rechtlicher Seite schon lange darüber diskutiert wird, ob die Plattformarbeiter:innen formal als Selbstständige zu betrachten sind oder eine dritte Position als Solo-Selbstständige einnehmen, ähneln die Handlungsmöglichkeiten vieler Plattformbeschäftigten über ihre Tätigkeiten jenen von Arbeitnehmer:innen. Diese rechtlichen Grauzonen werden von den Betreiber:innen der Plattformen bewusst ausgenutzt. Die Europäische Union hat sich nun mit einer Einigung über eine EU-Richtlinie zur Plattformarbeit für Verbesserungen der Arbeitsbedingungen von Plattformbeschäftigten ausgesprochen. Darin wird unter anderem das Recht der Beschäftigten von Plattformen gestärkt, als Arbeitnehmer:in zu gelten, wenn bestimmte Umstände (etwa externe Kontrolle und Steuerung) vorliegen. Dieser Statuszuspruch würde es den Plattformbeschäftigten erleichtern, ihre Rechtsansprüche als Arbeitnehmer:innen klar durchzusetzen, jedoch bleibt ein genauer Kriterienkatalog aus.
Die Sicht der Beschäftigten im Mittelpunkt
Empirische Untersuchungen zur Perspektive der Worker:innen selbst sind noch rar. Einen Beitrag zur Füllung dieser Forschungslücke liefert das Projekt „Prekäre Bedingungen und Gesundheit von Cloudworker:innen“, durchgeführt von Mitarbeiter:innen der WU Wien. In einem ersten Artikel zur Abhängigkeit und Sozialen Inklusion von Plattformarbeiter:innen wurde untersucht, wer die Personen sind, die online von zu Hause arbeiten. Die Umfrage mit knapp 2.000 Auftragnehmer:innen auf vier verschiedenen Plattformen im deutschsprachigen Raum gibt weitreichende Einblicke in die Situation dieser Menschen. Wie sie zeigt, ist es eine äußerst heterogene Gruppe mit unterschiedlichen Motiven (siehe Grafik).