Der öffentliche und politische Diskurs in Österreich wird von Themen wie Fachkräftemangel, Defizite der heutigen Jugend und Jugendkriminalität geprägt. Dagegen bekommen das Wohlbefinden der Jugendlichen und ihre Positionierung am Arbeitsmarkt kaum Aufmerksamkeit. Eine detaillierte Analyse zeigt, dass in den Phasen der ÖVP-FPÖ-Koalition im Bereich der Arbeitsmarktförderung für Jugendliche primär Klientelpolitik für Unternehmen betrieben wurde. Zuletzt stieg die Jugendarbeitslosigkeit deutlich. Die nächste Regierung muss Fehlentwicklungen korrigieren und für die Jugendlichen eine Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik „von unten“ einleiten.
Von Sozialinvestitionen zur Klientelpolitik für Unternehmen
Österreich war lange Zeit international Vorbild im Bereich der Ausbildung und Beschäftigung von Jugendlichen. Die Koalition von SPÖ und ÖVP erhielt mit der Einführung der Ausbildungsgarantie und später mit der Ausbildungspflicht international viel Aufmerksamkeit: Die Ausbildungsgarantie für Jugendliche, die auf dem Sozialinvestitions-Ansatz fußt, wurde sogar Vorbild für die Jugendpolitik auf europäischer Ebene. Einen Paradigmenwechsel stellten allerdings die ÖVP-FPÖ-Koalitionen dar: Sowohl in der Zeit von 2000 bis 2006 als auch ab 2017 verfolgten sie eine Politik, die stark an den Interessen der Unternehmen ausgerichtet war. Die Unternehmenssubventionen (Lehrstellenförderung) stiegen in diesen Zeiträumen deutlich, obwohl das den Jugendlichen nicht nutzt, wenn damit nicht auch die Anzahl an angebotenen Lehrstellen nachhaltig zunimmt.
Während der ersten ÖVP-FPÖ-Koalition wurde der umstrittene Blum-Bonus eingeführt, für die Lehrlings-Dienstgeber wurde der Beitrag zu der Krankenversicherung der Lehrlinge gekürzt und der Beitrag zur Unfallversicherung abgeschafft. Während der zweiten ÖVP-FPÖ-Koalition wurden Maßnahmen für benachteiligte Jugendliche zur Integration in Ausbildung und Arbeitsmarkt reduziert und unattraktiv gemacht: Die Anzahl an Plätzen in der überbetrieblichen Ausbildung (ÜBA) wurde gekürzt, die Entlohnung durch die Ausbildungsbeihilfe für über 18-Jährige reduziert und Jugendliche dazu verpflichtet, sich permanent aus der ÜBA wegzubewerben.
Zusätzlich waren alle volljährigen Lehrlinge von der Änderung der Arbeitszeitregelung im Ar-beitszeit- und Arbeitsruhegesetz betroffen, die überlange Arbeitszeiten von Arbeitnehmer:innen bis zu zwölf Stunden am Tag (statt wie bisher zehn) und bis zu 60 Stunden pro Woche (statt wie bisher 48 Stunden) möglich machten. Weiters kommt eine Verschlechterung für Lehrlinge über 18 Jahre in Gast-, Schank- und Beherbergungsbetrieben zum Tragen. Hier wurde für Arbeitnehmer:innen in Küche und Service bei geteilten Diensten die tägliche Ruhezeit auf mindestens acht Stunden verkürzt. Für Lehrlinge im Tourismus ist somit nicht einmal mehr gewährleistet, ausreichend Schlaf zu bekommen. Paradoxerweise steht diese Arbeitsmarktpolitik im Widerspruch zum proklamierten Anspruch der FPÖ, Politik für „die kleinen Leute“ zu machen. Diese ineffiziente Strategie hat die die ÖVP-Grüne-Regierung nicht vermocht, rückgängig zu machen.
Kurzarbeit als Erfolgsmodell, aber weitere Unternehmenssubventionen
Die ÖVP-Grüne-Regierung war mit der Corona-Pandemie und einer der schwersten Wirtschaftskrisen der 2. Republik konfrontiert. Im Kampf gegen die Jugendarbeitslosigkeit wurden im Rahmen der Taskforce Jugendbeschäftigung eine Reihe von Maßnahmen gesetzt. Allen voran ist hier die Corona-Kurzarbeit zu nennen. Am Höhepunkt im April 2020 waren fast 150.000 Jugendliche in Kurzarbeit. Dadurch wurden während der Pandemie Hunderttausende Jobs von Jugendlichen und jungen Erwachsenen gesichert. Mit den neuen zusätzlichen betrieblichen Lehrstellenförderungen des Lehrlingsbonus‘ ist der Weg der Unternehmenssubventionierung allerdings weiter beschritten worden – bei einer weiterhin rückläufigen Anzahl an Lehrstellen. Bescheiden war auch der Ausbau von Schulungen für Jugendliche und der überbetrieblichen Lehrausbildung angesichts der tiefen Rezession.
Rückgang der überbetrieblichen Lehrausbildung
Während der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008 wurde in Österreich unter Einbindung der Sozialpartner die Ausbildungsgarantie bis 18 Jahren etabliert, die positive gesellschaftliche und ökonomische Effekte erzielt. Herzstück dabei war und ist die ÜBA, die Jugendlichen, die keine betriebliche Lehrstelle finden, ebenfalls zu einer Berufsausbildung verhelfen soll. Durch den Ausbau der ÜBA ist es gelungen, die rückläufige Zahl der betrieblichen Ausbildungsplätze zu kompensieren. In den Ausläufen der Finanzkrise waren mehr als 9000 Jugendliche in einer ÜBA. Seit 2017 ist die Anzahl der ÜBA-Teilnehmer:innen deutlich rückläufig, was politisch ein erklärtes Ziel war. Dabei ist gleichzeitig die Anzahl der Jugendlichen in einer betrieblichen Lehre von 124.256 im Jahr 2009 auf 102.397 im Jahr 2023 zurückgegangen. Im gleichen Zeitraum hat sich die Anzahl an Lehrbetrieben von 36.986 im Jahr 2009 auf 28.249 reduziert. Dies bedeutet, dass die betriebliche Ausbildungsbereitschaft trotz hoher Unternehmenssubventionen zurückgeht und die Kürzungen in der ÜBA vor allem dazu führen, dass Jugendliche auf der Strecke bleiben.