Homeoffice: Arbeiten zwischen Auto­nomie und Kon­trolle

10. Juli 2024

Arbeiten von zu Hause wurde auch in Österreich zur neuen Normalität für viele Beschäftigte. Für manche bedeutet das mehr Flexibilität und Selbstständigkeit; für andere wurden zusätzliche Mechanismen eingeführt, damit auch im Homeoffice die Arbeitsleistung überwacht werden kann. Doch wie sind die Arbeitnehmer:innen mit diesen neuen Herausforderungen im Homeoffice umgegangen?

Homeoffice steigert die Selbstständigkeit – aber auch die Kontrolle

In den vergangenen Jahren – und verstärkt durch die Pandemie – verändert sich die Art und Weise, wie wir unsere Arbeit verrichten: Digitale Heimarbeit wird zur neuen Normalität für viele Beschäftigungsgruppen, dies trifft insbesondere auf gut ausgebildete Personen in Bürojobs zu. Mit der neuen Nutzung von mehr Homeoffice wird von Arbeitnehmer:innen aber gleichzeitig sowohl mehr autonomes Handeln eingefordert als auch ihre Arbeitsleistung stärker als bisher kontrolliert. Diesem Widerspruch widmen wir uns im Rahmen unseres Projekts „Remote Work = The New Normal“, gefördert vom Digifonds der AK Wien.

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Wunsch und Wirklichkeit: Die Wahrnehmung von Autonomie und Kontrolle im Homeoffice

Auf Basis von 33 problemzentrierten Interviews geht dieses Projekt der Frage nach, wie Arbeitnehmer:innen mit dem Widerspruch von mehr Autonomie bei gleichzeitig steigender Kontrolle umgehen. Aus der Analyse gehen acht Subkategorien hervor, die ein diverses Bild von unterschiedlichen Arbeitsrealitäten zeichnen. Für viele Arbeitnehmer:innen bietet Homeoffice mehr und zusätzliche Freiheiten sowie den großen Vorteil, ihren Arbeitsalltag flexibler einzuteilen und zu gestalten. Allerdings kann für andere Arbeitnehmer:innen genau diese Unabhängigkeit erzwungen und auch überfordernd wirken und im Ergebnis auch zu weniger Produktivität führen. Dies trifft besonders auf jene zu, die neu im Job sind und noch wenig Routinen entwickeln konnten. Ihnen fehlen klare Strukturen, Anleitungen bzw. Anweisungen, und sie beschreiben die Notwendigkeit zur überwiegenden Selbstständigkeit im Homeoffice als zusätzliche Stresssituation. Wieder andere Arbeitnehmer:innen sprechen von einer erzwungenen Abhängigkeit, in der stärker als bisher die tägliche Leistung kontrolliert und überprüft wird. Hier spielt vor allem der Einsatz von neuen digitalen Tools eine große Rolle: Zum einen wird oft die Arbeitszeit und damit auch die Produktivität an den MS-Teams-Status gekoppelt, zum anderen wird eine ständige Erreichbarkeit und Verfügbarkeit durch Chat-Funktionen vorausgesetzt.

Zwischen Unsichtbarkeit und Überwachung: Vertrauen als Schlüsselfaktor bei Kontrolle

Durch den verstärkten Einsatz von Homeoffice sind Arbeitnehmer:innen auch aus dem unmittelbaren Sichtfeld der Vorgesetzten „verschwunden“, wodurch der altbekannte visuelle Kontrollmechanismus „Wer im Büro sitzt, arbeitet auch“ an Relevanz verliert. Wenn sich bereits vor dem Einsatz von Homeoffice eine gegenseitige Vertrauensbasis etabliert hat, ist das Ausmaß von Homeoffice nicht entscheidend: Die Vorgesetzten vertrauen darauf, dass die Arbeitnehmer:innen ihre Aufgaben erledigen; die Arbeitnehmer:innen vertrauen darauf, dass die Vorgesetzten ihre Arbeit wertschätzend anerkennen. Ist dieses gegenseitige Vertrauen (noch) nicht vorhanden, dann kann es zu Situationen führen, in denen mit übermäßiger Kontrolle auf die neue Situation reagiert wird, was von Arbeitnehmer:innen als Misstrauen empfunden wird. Als übermäßige Kontrollen werden beispielsweise tägliche Meetings, Kontrollanrufe oder das Schreiben von Listen thematisiert. Im Gegensatz dazu gibt es auch Situationen, wo durch das Fehlen genau dieser Kontrollmechanismen bei den Arbeitnehmer:innen ein Gefühl der Unsichtbarkeit entsteht; sie fühlen sich und ihre Arbeitsleistung nicht wahrgenommen. Daher werden Kontrollmechanismen nicht automatisch nur negativ bewertet, sondern können vielmehr auch als „Werkzeug“ verstanden werden, das Anerkennung erzeugt.

Fazit: Es gibt kein „One fits all“

Auch wenn mehr Autonomie und weniger Kontrolle grundsätzlich positiv klingen, ist dies nicht für alle Arbeitnehmer:innen in allen Situationen die beste Lösung. Insbesondere wenn viel im Homeoffice gearbeitet wird. Die Präferenzen der Arbeitnehmer:innen bezüglich Autonomie und Kontrolle sind schlicht und einfach unterschiedlich. Daher können auch die Konsequenzen von Homeoffice nicht pauschal beschrieben werden. Während von manchen Arbeitnehmer:innen der Zuwachs von Autonomie positiv bewertet wird, fühlen sich andere allein gelassen. Gleiches gilt für Kontrolle: Was für die eine zum beruhigenden Wissen führt, auch im Homeoffice gesehen zu werden, führt beim anderen zum Gefühl ständiger Überwachung und Beobachtung.

Es gibt damit aber auch keine Best-Practice-Regel, wie viel Autonomie oder Kontrolle in einem angenehmen Arbeitsumfeld gebraucht wird. Je nach Präferenzen der Arbeitnehmer:innen kann es immer auch ein Zuviel oder Zuwenig sein. Es kann und sollte aber dafür gesorgt werden, dass auf die unterschiedlichen Bedürfnisse der Arbeitnehmer:innen eingegangen wird. Gleichzeitig geht aus der Studie hervor, dass vor allem neue Mitarbeiter:innen nicht zu sehr allein gelassen werden sollten und auch im Homeoffice in bestehende Kommunikationsstrukturen eingebettet werden müssen. Darüber hinaus kann das Dokumentieren der eigenen Arbeit(sleistung) eine sinnvolle und individuelle Strategie sein, um die eigene Arbeit (für sich selbst und andere) sichtbar zu machen.

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