Gekommen, um zu bleiben: Homeoffice

06. Dezember 2023

Viele Arbeitnehmer:innen greifen gerne auf die Möglichkeit zurück, von zu Hause arbeiten zu können. Geht es nach den Beschäftigten, darf es sogar noch ein bisschen mehr sein. Für die interessenpolitische Arbeit bringt das Phänomen Homeoffice aber auch Herausforderung mit sich. Das zeigt eine IFES-Studie für die AK Oberösterreich, für die Betriebsratsvorsitzende und Beschäftigte in Oberösterreich befragt wurden.

Beschäftigte schätzen Homeoffice-Option

Vor der COVID-Pandemie war Homeoffice eine Randerscheinung in der Arbeitswelt. Als Schutzmaßnahme hat sich das Arbeiten in den eigenen vier Wänden dann disruptiv über alle Branchen hinweg ausgeweitet. Und nun hat es sich – unabhängig von epidemiologischen Erwägungen – nachhaltig etabliert. Rund ein Drittel aller Beschäftigten in Oberösterreich arbeitet zumindest ab und zu remote. Das sind fast drei Viertel derjenigen, die von ihrer Tätigkeit her zumindest theoretisch im Homeoffice arbeiten könnten.

27 Prozent derjenigen, die eine grundsätzlich Homeoffice-taugliche Tätigkeit ausüben, arbeiten nie von zu Hause aus. Gut ein Viertel davon gibt an, dass dies im Betrieb nicht möglich ist. Die Betroffenen führen dies am häufigsten auf mangelndes Vertrauen und fehlende IT-Infrastruktur des Unternehmens zurück. Betriebsratsvorsitzende, in deren Unternehmen Homeoffice genutzt wird, berichten, der Wunsch gehe überwiegend von den Beschäftigten (66 Prozent) oder zumindest von beiden Seiten aus (30 Prozent). Geht es nach den Beschäftigten, dürfte der Anteil an Arbeitszeit im Homeoffice ruhig etwas höher ausfallen: Aktuell arbeiten Vollzeitbeschäftigte im Schnitt 14 Stunden bzw. etwas mehr als anderthalb Tage nicht im Firmenbüro. Die Wunscharbeitszeit im Homeoffice beträgt in dieser Gruppe mit 17 Stunden rund zwei Arbeitstage.

Grafik: Homeoffice-Ausmaß © A&W Blog
© A&W Blog

Lange Anfahrtswege zur Betriebsstätte begünstigen das Arbeiten im Homeoffice bzw. den Wunsch danach: 55 Prozent der Arbeitnehmer:innen, die eine halbe Stunde oder länger für ihren täglichen Arbeitsweg benötigen, nutzen regelmäßig Homeoffice. 37 Prozent beträgt der Anteil in der Gruppe derjenigen, die weniger lang pendeln müssen. Damit berührt das Thema Homeoffice auch Fragen der Infrastruktur und des (öffentlichen) Verkehrsnetzes und ist letztlich nicht nur ökonomisch, sondern auch ökologisch relevant.

Betriebsrät:innen wünschen sich Bestimmungen zu Kostenersatz

Das Thema Homeoffice ist auch in den Betriebsvereinbarungen angekommen: Sechs von zehn der organisierten Betriebe haben Bestimmungen zu Homeoffice vereinbart. In weiteren 10 Prozent gibt es zumindest Gespräche. Damit gehört Homeoffice, auch wenn es erst seit Kurzem ein Thema ist, zu jenen Materien, die relativ häufig in Betriebsvereinbarungen verankert sind. Fragen der Arbeitszeit und des Datenschutzes werden im Gros der Betriebsvereinbarungen zu Homeoffice berücksichtigt. In jedem zweiten Betrieb gibt es auch Regelungen für einen Kostenersatz der Internetverbindung. Regelungen für eine klare Trennung zwischen Arbeit und Freizeit sowie zu Kostenersatzleistungen wären aus Sicht der Betriebsratsvorsitzenden besonders wichtig.

In puncto Ausstattung zeigen sich die Homeoffice-Nutzer:innen in Oberösterreich zwar recht zufrieden. Oftmals müssen dennoch private Geräte genutzt oder angeschafft werden: Jede:r Fünfte arbeitet mit dem eigenen Computer. Ein Drittel nutzt private Eingabegeräte. Der überwiegende Teil greift auf die private Internetverbindung und das eigene Mobiliar zurück. Gerade bei der Internetverbindung kann man also feststellen, dass der hohe Anteil der Verwendung von privaten Mitteln und der relativ niedrigere Anteil an Regelungen für den Kostenersatz eine Lücke offenlässt.

Herausforderung für betrieblichen Zusammenhalt

Beschäftigte und Betriebsrät:innen kommen zu ähnlichen Befunden, wenn es um die Frage geht, welche Aspekte der Arbeitswelt im Betrieb oder im Homeoffice besser sind: Vereinbarkeit mit Betreuungspflichten, selbstbestimmtes Arbeiten sowie Kreativität und weniger Arbeitsdruck werden am Arbeiten von zu Hause geschätzt.

Grafik: Betrieb oder Homeoffice © A&W Blog
© A&W Blog

Soziale Aspekte wie Kommunikation, Zusammenarbeit oder das Arbeitsklima werden am Arbeiten im Betrieb geschätzt. Mehr als die Hälfte der Beschäftigten meint zudem, die Trennung von Arbeit und Freizeit falle leichter, wenn im Betrieb gearbeitet wird. Gerade das Verschwimmen von Arbeitszeit und Freizeit ist brisant, zumal die Arbeitnehmer:innen gerade die bessere Vereinbarkeit von Beruf und Betreuungspflichten als positiv bewerten. Hier muss hinterfragt werden, inwieweit Homeoffice die ungleiche Verteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeit noch befeuert.

Darüber hinaus ergeben sich auch Spannungsfelder für die interessenpolitische Arbeit: Einerseits ist der Wunsch nach einer Homeoffice-Option sehr ausgeprägt unter den Beschäftigten. Andererseits scheint die Homeoffice-Nutzung selbst nicht immer positive Auswirkungen auf das Betriebsklima zu haben. Hinzu kommen Fragen der Erreichbarkeit und der interessenpolitischen Mobilisierung von jenen Kolleg:innen, die überwiegend im Homeoffice arbeiten.

Wie Mitbestimmung im Homeoffice gewährleisten?

Der direkte Kontakt zu den im Homeoffice befindlichen Kolleg:innen kann sich herausfordernder gestalten als jener zu den Mitarbeiter:innen, die sich vor Ort im Betrieb befinden. Betriebsrät:innen orten hier die Gefahr der Fragmentierung der Belegschaft, unter der der (informelle) Austausch mit Kolleg:innen und zum Betriebsrat leiden kann. Hier braucht es kreative Überlegungen zu neuen Austauschmöglichkeiten, wie Betriebsratsarbeit und Mitbestimmung weiterhin gut funktionieren können. Konkret bedeutet dies etwa, alte Kommunikationswege (Betriebsversammlungen in Präsenz) durch neue zu ergänzen und/oder durch hybride Kommunikationsmittel (Online- und Präsenzmeetings) zu verschränken.

Doch Homeoffice bietet auch hier Chancen: Der vertrauliche Austausch von Kolleg:innen zum Betriebsrat zu sensiblen Themen ist durch Homeoffice einfacher möglich als vor Ort im Betrieb. Dies sehen sowohl Betriebsrät:innen als auch Beschäftigte als Vorteil. Beschäftigten fällt es leichter, im Homeoffice den Betriebsrat zu vertraulichen Themen zu konsultieren als den Weg im Betrieb zu ihm zu gehen.

Ein zusätzliches Polarisierungspotenzial ist in Betrieben zu beachten, in denen der Zugang zum Homeoffice ungleich verteilt ist, weil es Arbeiter:innen eher unmöglich ist, Homeoffice zu nutzen, Angestellten jedoch sehr wohl. Es darf hier zu keiner Entsolidarisierung innerhalb der Belegschaft und auch nicht zwischen Arbeiter:innen- und Angestellten-Betriebsratskörperschaften kommen.

Homeoffice stellt die Betriebsratsarbeit vor neue Herausforderungen und bedeutet definitiv mehr Kommunikationsaufwand.

Über die Studie

Im Auftrag der AK Oberösterreich hat das Institut für empirische Sozialforschung (IFES) 365 Betriebsratsvorsitzende und 1.900 Beschäftigte in Oberösterreich – davon 610 aktive Homeoffice-Nutzer:innen – im Frühjahr 2023 zum Thema Homeoffice befragt.

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