Diskriminierung in der Arbeitswelt ist gesetzlich untersagt. Doch die Realität sieht oft ganz anders aus. Menschen mit Migrationsgeschichte, Frauen, ältere Personen und Menschen mit Behinderungen stehen besonders häufig vor oft subtilen, unsichtbaren, aber dennoch unüberwindbaren Hürden, um am Arbeitsmarkt teilzuhaben.
Diskriminierung im Arbeitsmarkt ist nicht nur moralisch verwerflich, sondern auch gesetzlich untersagt. Das österreichische Gleichbehandlungsgesetz (GlBG) formuliert in § 17 Absatz 1 Ziffer 1 unmissverständlich:
„Aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit, der Religion oder Weltanschauung, des Alters oder der sexuellen Orientierung darf im Zusammenhang mit einem Arbeitsverhältnis niemand unmittelbar oder mittelbar diskriminiert werden, insbesondere nicht bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses.“
Doch was auf dem Papier klar geregelt ist, sieht in der Realität oft ganz anders aus. Diskriminierung bleibt in beruflichen Bewerbungsverfahren erschreckend alltäglich – subtil und oft unbemerkt, aber mit tiefgreifenden Konsequenzen für die Betroffenen. Menschen mit Migrationsgeschichte, Frauen, ältere Personen und Menschen mit Behinderungen stehen dabei besonders häufig vor unsichtbaren Hürden.
Manchmal genügt ein Name, der nicht „österreichisch“ klingt, oder ein Bewerbungsfoto, das nicht in ein vorgefasstes Bild passt, um Vorurteile zu wecken und Chancen zu verwehren. Diese Diskriminierungen wirken sich nicht nur auf die Karrieren, berufliche Entwicklungschancen sowie die finanzielle Lage der Betroffenen aus, sondern schaden auch Unternehmen und der Gesellschaft, die das Potenzial und die Vielfalt dieser Menschen verlieren.
Ursachen und Mechanismen struktureller Diskriminierung in Rekrutierungsprozessen verstehen und überwinden
Diskriminierung am Arbeitsmarkt bleibt trotz gesetzlicher Regelungen ein tief verwurzeltes Problem. Verschiedene Studien haben gezeigt, dass Vorurteile und strukturelle Hürden in Rekrutierungsprozessen und Arbeitsverhältnissen eine entscheidende Rolle spielen. Die folgenden Untersuchungen geben Einblicke in die Mechanismen und Auswirkungen von Diskriminierung und bieten Denkanstöße, wie diese überwunden werden können.
Die Studie von Biffl, Pfeffer und Altenburg (2013) zeigt, wie organisationale Strukturen Diskriminierung fördern und aufrechterhalten können. Eine Perspektive dabei ist die arbeitsökonomische Betrachtung, in der Diskriminierung oft mit ökonomischen Argumenten gerechtfertigt wird. Gruppen, die als „weniger produktiv“ wahrgenommen werden, werden systematisch benachteiligt. Beispielsweise könnten Arbeitgeber:innen aufgrund stereotypischer Annahmen davon ausgehen, dass bestimmte Gruppen häufiger ausfallen oder geringere Leistungen erbringen. Diese Annahmen basieren jedoch meist auf Vorurteilen und nicht auf Fakten.
Ein weiterer zentraler Aspekt ist die arbeitssoziologische Perspektive, die zeigt, dass Personalentscheidungen häufig von organisationalen und gesellschaftlichen Normen und Werten geprägt sind. Bewerber:innen, die von diesen Normen abweichen, beispielsweise durch kulturelle Unterschiede oder unkonventionelle Lebensläufe, werden oft als „Risiko“ eingestuft. Die soziale Wirkmacht von Normen führt dazu, dass innovative oder diverse Perspektiven ausgeschlossen und bestehende Machtstrukturen reproduziert werden. Durch spezielle Maßnahmen der Bewusstseinsbildung können Normen und Stereotypen fassbar gemacht und verändert werden.
Zusätzlich beleuchtet die Studie Ergebnisse einer Online-Befragung, die aufzeigt, dass viele Arbeitgeber:innen die Bedeutung von Diversität und Maßnahmen zur Diskriminierungsvermeidung zwar anerkennen, diese jedoch selten in die Praxis umsetzen. Häufig fehlt es an klaren Strategien, um Diversität zu fördern und Diskriminierung aktiv zu bekämpfen.
In der Studie von Hofer et al. (2013) wird anhand von kontrollierten Experimenten und Datenanalysen die systematische Benachteiligung von Migrant:innen nachgewiesen. Eine Analysemethode, bei der auf eine Stellenausschreibung (fiktive) Bewerbungsschreiben von zwei Personen geschickt werden, die sich nur durch das Diskriminierungsmerkmal unterscheiden, hinsichtlich aller anderen arbeitsmarktrelevanten Merkmale aber gleich bzw. vergleichbar sind, ist „Correspondence Testing“. Dieses Verfahren wird angewandt, um Diskriminierung bei der Einstellungspolitik von Unternehmen sichtbar zu machen. Das Ergebnis: Bewerber:innen mit nicht-österreichischen Namen werden deutlich seltener zu Vorstellungsgesprächen eingeladen, selbst wenn ihre Qualifikationen identisch mit denen österreichischer Mitbewerber:innen sind. Dieses Ergebnis verdeutlicht die tief verwurzelte Diskriminierung auf Grundlage ethnischer Herkunft, die sich bereits in frühen Phasen des Bewerbungsprozesses manifestiert, beispielsweise bei der Ausschreibung von Stellen.
Ein weiterer zentraler Befund betrifft Lohnunterschiede. Migrant:innen verdienen im Durchschnitt weniger als ihre österreichischen Kolleg:innen. Auch wenn ein Teil dieser Unterschiede durch produktivitätsrelevante Merkmale erklärt werden kann, bleibt ein signifikanter Anteil, der ausschließlich auf Diskriminierung zurückzuführen ist.
Die Studie von Schönherr et al. (2019) zeigt, dass Diskriminierung in Österreich nicht nur auf den Arbeitsmarkt beschränkt ist, sondern sich auf viele Lebensbereiche erstreckt. Dennoch ist die Arbeitswelt besonders stark betroffen. Fast die Hälfte der Befragten gab an, in den letzten drei Jahren Diskriminierung erlebt zu haben. Besonders häufig sind Benachteiligungen in Bereichen wie Jobvergabe, Einkommen und Aufstiegschancen.
Besonders betroffen sind Frauen mit Migrationshintergrund, die einer doppelten (und mehrfachen) Diskriminierung ausgesetzt sind. Einerseits erleben sie geschlechtsspezifische Benachteiligungen, andererseits werden sie aufgrund ihrer Herkunft diskriminiert. Diese Mehrfachbelastung schränkt ihre beruflichen Aufstiegschancen zusätzlich ein und macht deutlich, wie unterschiedlich Diskriminierung auf verschiedene Gruppen wirkt.
Vorurteile Einzelner prägen institutionelle Strukturen und schreiben Diskriminierung fort
Die drei Studien verdeutlichen, dass Diskriminierung ein vielschichtiges und tief in gesellschaftlichen Strukturen verankertes Problem ist. Es zeigt sich auf verschiedenen Ebenen – von der individuellen Wahrnehmung und Behandlung, etwa in Bewerbungsprozessen, über organisationale Normen und Praktiken bis hin zu gesamtgesellschaftlichen Dynamiken.
Ein entscheidender Zusammenhang, der aus den Studien hervorgeht, ist die Erkenntnis, dass Vorurteile und Stereotype nicht nur das Verhalten einzelner Personen prägen, sondern auch institutionelle Strukturen und Prozesse nachhaltig beeinflussen. Während Biffl, Pfeffer und Altenburg (2013) vor allem die Rolle organisationaler Normen und Werte hervorheben, beleuchten Hofer et al. (2013) und Schönherr et al. (2019), wie diese Strukturen konkrete Auswirkungen auf benachteiligte Gruppen haben – insbesondere auf Migrant:innen und Frauen mit Migrationshintergrund.
Die Ergebnisse zeigen deutlich, dass Diskriminierung aus einer komplexen Mischung aus bewussten Vorurteilen, unbewussten Biases und fehlendem Engagement für die Umsetzung von Diversität resultiert. Besonders problematisch ist, dass diese Mechanismen sich gegenseitig verstärken und bestehende Ungleichheiten reproduzieren.
Ein zentraler Ansatzpunkt ist die Bewusstseinsbildung. Durch Sensibilisierungsmaßnahmen können Entscheidungsträger:innen ihre eigenen Vorurteile erkennen und abbauen. Ergänzend dazu bieten standardisierte und transparente Rekrutierungsprozesse eine Möglichkeit, das Risiko unbewusster Diskriminierung zu minimieren.
Auch die Sprache in Stellenanzeigen spielt eine wichtige Rolle: Inklusive und diskriminierungsfreie Formulierungen ermöglichen es, eine vielfältigere Bewerber:innenschaft anzusprechen. Unternehmen sollten Diversität nicht nur tolerieren, sondern aktiv fördern, indem sie kulturelle Vielfalt als Bereicherung begreifen und ihre Diversitätsstrategien glaubwürdig umsetzen.
Praktische Lösungsansätze: das Tool JADE
Ein konkretes Instrument zur Förderung von Chancengleichheit ist das von der Universität Innsbruck entwickelte Tool JADE (Job Ad Decoder). Es wurde mit Unterstützung des AK Digitalisierungsfonds ins Leben gerufen und hilft Unternehmen, diskriminierende Formulierungen in Stellenanzeigen zu identifizieren und zu optimieren.
JADE berücksichtigt neben geschlechtsspezifischen und altersbezogenen Aspekten auch kulturelle Dimensionen und stellt sicher, dass Stellenanzeigen den Vorgaben des österreichischen Gleichbehandlungsgesetzes entsprechen. Mit wissenschaftlich fundierten Verbesserungsvorschlägen ermöglicht das Tool eine breitere und diversere Zielgruppenansprache.
Durch den Einsatz von JADE können Unternehmen nicht nur Barrieren abbauen, sondern auch die Bewerbungsqualität steigern und eine vielfältige Belegschaft aufbauen. Dies stärkt nicht nur die Wettbewerbsfähigkeit, sondern leistet auch einen Beitrag zu einer gerechteren Gesellschaft.