Am 23. Juni war der internationale Tag der öffentlichen Dienste. Schon mal davon gehört? Dabei ist die Bereitstellung dieser Dienstleistungen – etwa im Bereich Wasser, für Spitäler, Schulen, Kultur, Energie, Straßen, öffentlichen Verkehr oder für eine gute Verwaltung – wichtig für jede Bürgerin und jeden Bürger sowie das Funktionieren eines Staates. Doch die Finanzierung dieser Dienstleistungen wird immer schwieriger! Denn jedes Jahr verlieren Staaten Milliarden an Steuereinnahmen durch die aggressiven Steuervermeidungspraktiken internationaler Konzerne. Gleichzeitig profitieren Konzerne gerade von diesen öffentlichen Dienstleitungen, deren Finanzierung sie den BürgerInnen überlassen.
Standortentscheidungen aufgrund der Steuerbelastung? Die Realität ist kompelxer
Denn wenn es um die Standortentscheidung geht, spielen vielfach Fragen wie öffentliche Sicherheit, medizinische Versorgung, Qualifikation der ArbeitnehmerInnen, unabhängige Rechtssysteme, öffentlicher Verkehr oder eine gut funktionierende Verwaltung eine entscheidende Rolle. Die Steuertricks von Amazon, Google, Ikea, oder McDonalds haben daher aufgrund ihrer gesellschaftsschädigenden Wirkung zu Recht eine internationale Welle der Empörung ausgelöst.
In Österreich wird derzeit hauptsächlich über die Finanzierung der geplanten Lohnsteuerreform gestritten. Nebenbei bemerkt, ist diese Lohnsteuerreform mit einem Entlastungsvolumen von fünf Milliarden Euro für ArbeitnehmerInnen, ein massives Aufbäumen gegen die europaweit fast religiös geführte Sparpolitik, um die Kaufkraft zu steigern und die Wirtschaft in Gang zu bringen. Darüber hinaus sollte es aber auch generell um eine faire Aufteilung der Steuerlast gehen. Denn unser Steuersystem bevorzugt nicht nur Vermögende sondern auch international tätige Firmen. Sieht man sich etwa die Steuerleistung der US-Konzerne an, so führten diese seit 2005 gerade einmal zwischen 1,8 und 9,4 Prozent ihrer Gewinne an den hiesigen Fiskus ab.[1]
Steuerbetrug und vor allem Steuervermeidung von Unternehmen nehmen immense Ausmaße an
Durch Steuerbetrug und legale Steuervermeidung entgehen den europäischen öffentlichen Haushalten laut EU-Kommission geschätzte 1.000 Milliarden Euro pro Jahr. Das Problem ist nicht auf Europa beschränkt: Jedes Jahr werden 50 Milliarden Dollar aus Afrika geschleust – mehr als der Kontinent an Entwicklungsgeldern erhält. Über 60 % davon gehen auf Steuerflucht und -vermeidung von Firmen zurück. Möglich wird das nicht nur durch ein globales Netz an Steueroasen (wie etwa Luxemburg) und einer Industrie von Beratungsunternehmen, die ihren KlientInnen Steuer(spar)modelle maßschneidern kann. Schuld trägt auch ein internationales Steuersystem, das dies erst ermöglicht.
Was müsste getan werden?
Nun soll es endlich Maßnahmen gegen die steuerschonenden Gewinnverschiebungspraktiken der Multis geben. Die Verhandlungen darüber finden aber in der OECD, des „Klubs der reichen Länder“, statt. Der UNO wird nur eine Expertenfunktion zuerkannt. Die bisher vorgelegten Reformansätze kratzen dementsprechend an der Oberfläche – die Eigeninteressen der OECD-Regierungen und das Lobbying der großen Unternehmen und ihrer Steuerberatungsfirmen sind einfach zu groß. Insbesondere der Steuerwettbewerb zwischen den Ländern, der die Steuereinnahmen global immer weiter sinken lässt, wird dadurch nicht aufgehalten.
Für ein gerechtes Steuersystem braucht es dagegen:
– Globale Lösungen: Alle Länder, auch ärmere Entwicklungsländer, müssen über faire, globale Steuerregeln gleichberechtigt mitbestimmen können, am besten im Rahmen der UNO.
– Mehr Kooperation: Der desaströse internationale Steuerwettbewerb muss aufhören.
– Besteuerung nach wirtschaftlicher Tätigkeit: Internationale Konzerne mit ihrer komplexen, undurchsichtigen Struktur müssen steuerlich als Einheit angesehen werden. Die Besteuerung muss dann dort erfolgen, wo die Gewinne tatsächlich erwirtschaftet werden – und nicht dort, wo es steuerlich am günstigsten ist. Deshalb sollten Unternehmen künftig für jedes Land separat Umsatz, Gewinn und abgeführte Steuern ausweisen (länderweise Berichterstattung). Diese Informationen sollten nicht nur den Steuerbehörden sondern auch der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen. Nur so können Angaben überprüft und Sondervereinbarungen zwischen einzelnen Konzernen und Finanzministerien auf Kosten der BürgerInnen (siehe Luxemburg) ein Riegel vorgeschoben werden. Bisher müssen in der EU nur Banken und große Rohstoffkonzerne solche Angaben machen, nur Banken müssen diese auch veröffentlichen.
– Mehr Transparenz: Der automatische Informationsaustausch der Steuerbehörden muss ein wirklich globaler sein. Lücken befördern Steuerschlupflöcher. Mehr Informationen über internationale Firmen müssen, etwa über öffentliche zugängliche Unternehmensregister, auch einer breiteren Öffentlichkeit zur Verfügung stehen. Damit erschwert man die Nutzung von Scheinkonstruktionen zur Steuerumgehung.
UN Konferenz als möglicher „Hoffnungsschimmer“
Weltweit setzen sich Gewerkschaften und Nichtregierungsorganisationen auf nationaler wie auch OECD-, EU- und UNO-Ebene für die Umsetzung dieser Forderungen ein. Der nächste Testfall wird die UN-Entwicklungsfinanzierungskonferenz sein, die vom 13. bis zum 16. Juli in Addis Abeba (Äthiopien) stattfinden wird. Seit Monaten verhandeln die UN-Mitgliedstaaten, ob man die Ausgestaltung des internationalen Steuersystems weiterhin vor allem der OECD überlässt, oder ob nicht die UNO das bessere Forum wäre, um darüber zu entscheiden. Doch viele Industrieländer, insbesondere die USA, sind strikt gegen den Vorschlag einer UN-Steuerorganisation. Bisher konnte keine Einigung erreicht werden. Ob die UN-Staaten in Addis mit der Stärkung der UNO die Weichen für ein faires internationales Steuersystem stellen, das diesen Namen verdient?
[1] Unveröffentlichte Berechnungen der Wissenschaftler Alex Cobham und Petr Jansky auf Grundlage von US-Daten.