„Prosit Neujahr“: Stopp für die Beschäftigungsaktion 20.000 – arbeitsmarktpolitisch wäre eine Fortführung sinnvoll und notwendig

03. Januar 2018

Im Lichte der Neujahrs-Feierlichkeiten wäre es beinahe untergegangen, aber die neue Regierung hat zwei große Projekte mittels Umlaufbeschluss ruhend gestellt: Den Beschäftigungsbonus und die Beschäftigungsaktion 20.000 für ältere ArbeitnehmerInnen. Die Arbeitsmarktdaten entwickeln sich gut, die Beschäftigung steigt und die Arbeitslosigkeit geht zurück. Jedoch profitieren ältere ArbeitnehmerInnen kaum vom Aufschwung, besonders dann, wenn sie bereits länger als ein Jahr arbeitslos sind.

Hier hat die Beschäftigungsaktion 20.000 angesetzt und auch bereits erste Erfolge eingefahren. Die Einstellung dieser Aktion ist derzeit eine arbeitsmarktpolitische Fehlentscheidung.

Gute Arbeitsmarktlage: Ja, aber nicht für alle!

Trotz deutlich verbesserter Arbeitsmarktsituation können Menschen der Altersgruppe 50+ nur kaum von diesem Aufschwung profitieren: Während die gesamte Arbeitslosigkeit im Jahr 2017 im Vergleich zum Vorjahr um -4,9% zurückging, stieg die Arbeitslosigkeit bei der Gruppe 50+ um 2,7% an.

Die Zahl der 50- bis 64-jährigen arbeitslos vorgemerkten Personen ist von 43.445 im Jahr 2008 auf rund 101.770 im Jahr 2017 gestiegen. Sie ist um rund 134% und damit erheblich stärker gestiegen als bei Jugendlichen (+11%) und bei Personen zwischen 25 und 49 Jahren (+49%). Die unselbstständige Beschäftigung der 50- bis 64-Jährigen ist im Vergleich von 2008 bis 2016 (da Werte von 2017 noch nicht vorliegen) um 49% gestiegen.

Eine Auswertung des AMS vom November 2017 zeigt: Personen ab 50 Jahren sind überproportional häufig von längerer Arbeitslosigkeit betroffen, die sich auch bei einer Verbesserung der Konjunktur nur schwer überwinden lässt. Sie sind zwar häufiger stabil beschäftigt, bei einer einmal eingetretenen Arbeitslosigkeit finden sie aber relativ schwer eine neue Arbeitsstelle. Dies wird anhand einer überdurchschnittlich langen Verweildauer in Arbeitslosigkeit (169 Tage gegenüber einem Gesamtdurchschnitt von 126 Tagen im Jahr 2016) und einer hohen Betroffenheit von Langzeitbeschäftigungslosigkeit sichtbar. Die Zahl der arbeitslos vorgemerkten Langzeitbeschäftigungslosen im Alter von 50 bis 64 Jahren hat sich von 10.450 im Jahr 2008 auf 43.990 im Jahr 2016 mehr als vervierfacht. Rund 46% dieser Zielgruppe weisen gesundheitliche Einschränkungen auf.

Beschäftigungsaktion 20.000 –  um was geht es eigentlich?

Aufgrund dieser Arbeitsmarktsituation braucht es eine Aktion 20.000, da die auf dem Arbeitsmarkt verfügbaren Beschäftigungsmöglichkeiten für ältere Personen nicht ausreichen und die Unternehmen diese bei der Einstellung aufgrund ihres Alters diskriminieren.

Mit der Beschäftigungsaktion 20.000 wurden seit Mitte 2017 zusätzliche und längerdauernde Arbeitsmöglichkeiten für ältere Langzeitbeschäftigungslose in Gemeinden oder im gemeinnützigen Bereich geschaffen. Das ist eine sinnvolle und notwendige Weiterentwicklung der Arbeitsmarktpolitik. Denn da mit den sonst üblichen angebotsseitigen Aktivitäten die Ausweitung der Langzeitbeschäftigungslosigkeit nicht erfolgreich bekämpft werden konnte, braucht es auch nachfrageseitige Maßnahmen. Mehr zur Beschäftigungsaktion im Blogartikel von Judith Pühringer.

Für die Aktion 20.000 wurden bis Mitte 2019 insgesamt 778 Mio. Euro budgetiert, davon sind 578 Mio. Euro Kosten, die dem Bund sowieso durch die Auszahlung von Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe in diesem Zeitraum entstanden wären. Daher entstehen zusätzliche Kosten in der Höhe von 200 Mio. Euro. Aber statt Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung werden Löhne ausbezahlt, gleichzeitig entsprechende Sozialleistungen reduziert und die Kaufkraft der TeilnehmerInnen erhöht, was sich gerade im unteren Einkommensspektrum zum größten Teil in zusätzlichen Konsumausgaben niederschlägt. Alle Arbeitsstellen in der Aktion 20.000 werden nach kollektivvertraglichen Regeln bezahlt.

Bisherige Umsetzung

Mit Anfang Juli 2017 ist die Beschäftigungsaktion 20.000 in elf ausgewählten Modellregionen in jedem Bundeland gestartet. Bis zum Stichtag 15.11.2017 wurden im Rahmen der Aktion bereits 1.537 zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen bzw. befanden sich in Vorbereitung. Weitere knapp 1.000 Stellen wurden dem Arbeitsmarktservice (AMS) darüber hinaus bereits gemeldet.

851 Personen wurden mittels Eingliederungsbeihilfe (EB) direkt beim Arbeitgeber angestellt (das sind 55%), und 686 Personen wurden in einem Sozialen Unternehmen (SÖB bzw. GBP) angestellt bzw. an einen Beschäftigungsbetrieb überlassen. Die meisten Jobs im Rahmen der Aktion 20.000 wurden in Kärnten (349), der Steiermark (335) und Oberösterreich (330) eingerichtet. Die Bandbreite der vermittelten Berufe reicht dabei von Dienstleistungen wie Hausarbeit über kaufmännische Sachbearbeitung bis hin zu juristischen Tätigkeiten.

Es zeigte sich bereits nach kurzer Zeit eine Auswirkung auf die Entwicklung der Langzeitbeschäftigungslosigkeit: Die Anzahl der arbeitslos vorgemerkten Langzeitbeschäftigungslosen über 50 Jahre sank im Durchschnitt der Modellregionen um -1,4%. In den übrigen Regionen Österreichs, in denen die Aktion 20.000 noch nicht angelaufen ist, stieg dieser Wert Ende Oktober 2017 noch um 6,1%.

Sistierung der Aktion 20.000

Am Neujahrstag konnte man den Medien entnehmen, dass die Aktion nun mittels „Umlaufbeschluss“ ruhend gestellt wird, also nur mehr Beschäftigungsverhältnisse über die Aktion 20.000 begründet werden, die bis 31.12.2017 beim AMS gemeldet wurden. Begründet wurde dies mit der guten Arbeitsmarktlage (siehe oben), den Kosten und der vermeintlich fehlenden Nachhaltigkeit der Arbeitsplätze.

VertreterInnen der Wirtschaft begrüßen den Stopp der Aktion 20.000, es fehle an der Nachhaltigkeit der Beschäftigungsverhältnisse. Man solle die Mittel besser in Unternehmen investieren, die für Arbeitsplätze sorgen würden. Leider übersieht man dabei, dass die länger arbeitslosen älteren Personen bis dato eben nicht von den Unternehmen eingestellt wurden, selbst mit großzügigen Förderungen (wie über die Eingliederungsbeihilfe des AMS), die schon jahrelang für diese Zielgruppe bestehen. Auch die verbesserte Arbeitsmarktlage änderte bis dato noch nichts daran.

Wenn man die Finanzierung der Aktion 20.000 längerfristig angelegt und Modelle überlegt hätte, wie man die Gemeinden dabei unterstützen kann, die Menschen auch dauerhaft anzustellen, wäre auch die Nachhaltigkeit hoch.

Übrigens: Behaltefrist nach Ablauf der Förderung gibt es bei der eben angesprochenen Eingliederungsbeihilfe keine, also sind Unternehmen hier nicht zur Nachhaltigkeit verpflichtet. Auswertungen des AMS zeigen, dass 51% der Personen über 50, die mittels Eingliederungsbeihilfe gefördert wurden auch nach Ende der Förderung noch beim selben Unternehmen beschäftigt sind. Am 92. Tag nach Ablauf der Förderung waren (beim selben oder einem anderen Unternehmen) 54% beschäftigt. In 46% der Fälle war die Förderung damit nicht „nachhaltig“.

Das Ruhendstellen der Aktion ist jedenfalls eine herbe Enttäuschung für jene Arbeitsuchenden, die im neuen Jahr eine sinnvolle Beschäftigung über die Aktion 20.000 aufgenommen und wieder ein Einkommen erzielt hätten und denen diese Perspektive nun genommen wurde. Es trifft Personen über 50 Jahre, die bereits über ein Jahr arbeitslos sind und die damit seit mehr als einem Jahr von Unternehmen – trotz großzügiger Lohnkostenförderungen – nicht eingestellt werden. Nach Durchsicht des Regierungsprogramms muss man sich fragen, ob die Strategie der neuen Bundesregierung bei der Beschäftigung von länger arbeitslosen Personen nicht in Richtung Niedriglohn- bzw. Null-Lohn-Beschäftigung gehen wird (Vorbild der gemeinnützigen Beschäftigung bei Mindestsicherungsbezug in Niederösterreich).

Auch die Gemeinden bzw. gemeinnützigen Träger werden vor den Kopf gestoßen. Sie müssen nun auf Arbeitskräfte für Tätigkeiten, die dem Gemeinwohl dienen, verzichten. Gerade kommunale Einrichtungen können sich oft nicht alle Arbeitskräfte, die sie brauchen würden, auch leisten. Die Aktion 20.000 hätte hier Abhilfe schaffen können.

Auch der engagierte Einsatz der KollegInnen im AMS, bei den Gemeinden und arbeitsmarkpolitischen Trägern, um den Menschen eine sinnvolle berufliche Perspektive zu schaffen, bleibt mit dem Einstellen der Aktion unbelohnt.

Fazit

Die neue Regierung findet eine gute Arbeitsmarktlage vor, dass man jetzt vermehrt in Richtung Qualifizierung von Arbeitsuchenden gehen möchte, ist prinzipiell zu begrüßen.

Aber gerade jene Beschäftigungsförderung zu stoppen, die sich an über 50-jährige Langzeitarbeitslose, wo mit Qualifizierung oft kaum Erfolge erzielt werden können, da sie aufgrund ihres Alters für Betriebe vermeintlich „unattraktiv“ sind, und kommunale Einrichtungen, die nicht gewinnorientiert arbeiten, richtet, ist arbeitsmarktpolitisch nicht sinnvoll.

Stattdessen könnte man überlegen, die in den letzten Jahren sehr stark ausgeweiteten budgetären Mittel für die Eingliederungsbeihilfe einzuschränken, damit diese Förderung wieder zielgerichteter – und nicht nach dem Gießkannenprinzip – eingesetzt werden kann.

Arbeitsmarktpolitik hat die wichtige Aufgabe, Chancen auf eine adäquate Beschäftigung für am Arbeitsmarkt benachteiligte Personen zu schaffen. Entsprechende Aktionen sollten selbstverständlich evaluiert werden, aber nicht aus rein politischem Kalkül vorzeitig gestoppt werden, solange sich an der Arbeitsmarktsituation der Menschen nichts verbessert hat.