Quelle: OECD Consumption Tax Trends 2012 © A&W Blog
Quelle: OECD Consumption Tax Trends 2012Zweifelhafte ökonomische Argumente erschweren gesellschaftliches Umdenken
Negative ökonomische Effekte steuerlicher Umverteilung werden häufig argumentativ überhöht. Dabei basieren sie zumeist auf sehr engen ökonomischen Annahmen, und ihre tatsächliche Bedeutsamkeit ist empirisch umstritten. Neuere Schätzungen der optimalen Spitzensteuersätze durch den IWF räumen beispielsweise einigen OECD-Ländern noch deutlich Luft nach oben ein. Auch bei der Besteuerung von Unternehmensgewinnen bestimmen in der Realität nicht allein die Kapitalkosten die Investitionsentscheidungen. Auch andere Faktoren wie die zukünftig zu erwartenden Umsätze (also die gesamtwirtschaftliche Nachfrage) und neue technologische Entwicklungen spielen eine Rolle.
“Lieber 25 Prozent von x, als 45 Prozent von nix”? Auch diese alte ‘Weisheit’ zur Besteuerung von Kapitalerträgen dürfte sich demnächst erübrigen. Durch den 2017 in Kraft tretenden internationalen Standard zum automatischen Informationsaustausch verringern sich die Möglichkeiten der Steuerumgehung und verbessern sich damit die nationalen Spielräume für die Besteuerung persönlicher Kapitaleinkommen.
Die Krise holt die makroökonomische Betrachtung der Steuerpolitik zurück aufs Parkett
Angesichts der Dauerschleife aus wirtschaftlicher Stagnation und Sparpolitik, in der sich viele Länder derzeit befinden, wird der häufig unterstellte Trade-Off zwischen Umverteilung und Wirtschaftswachstum nun auch von offizieller Seite infrage gestellt. Die Auswirkungen der Einkommensverteilung auf die gesamtwirtschaftliche Nachfrage finden wieder mehr wissenschaftliche Beachtung. Aus keynesianischer Perspektive kann Umverteilung die ökonomische Dynamik einer Volkswirtschaft steigern. In einer Situation, in der Geringverdienende gezwungen sind ihre Ausgaben für Konsum und Ausbildung einzuschränken, während Wohlhabende große Teile ihres Einkommens gar nicht mehr ausgeben, kann eine Umverteilung zu den unteren Einkommensgruppen positive Effekte auf die private Nachfrage haben.
Alternativ könnte der Staat höhere Einnahmen aus der Besteuerung von hohen Einkommen und Vermögen für Investitionen in technische Infrastruktur und öffentliche Daseinsvorsorge nutzen. In diesem Fall wird der Multiplikatoreffekt noch höher eingeschätzt. Jüngere Studien kommen zu dem Ergebnis, dass gerade in Zeiten wirtschaftlicher Rezession der Multiplikatoreffekt staatlicher Ausgaben denjenigen Ausgaben-hemmender Steuererhöhungen übersteigt. Diesen Effekt könnte sich die Fiskalpolitik gerade in Zeiten der Schuldenbremse zunutze machen.
Es ist Zeit umzusteuern
Seit der internationalen Finanz- und Wirtschaftskrise hat der Konsolidierungsdruck auf die öffentlichen Haushalte den Abwärtstrend bei der Besteuerung hoher Lohn- und Kapitaleinkommen vorerst gestoppt. Eine Trendwende hin zu mehr steuerlicher Umverteilung ist bisher aber nicht erkennbar. Dabei könnten Staaten die bestehenden Spielräume nutzen, um der steigenden Einkommensungleichheit in den OECD-Ländern etwas entgegenzusetzen. Eine Stärkung der unteren Einkommen oder der öffentlichen Ausgaben würde auch die wirtschaftliche Erholung beschleunigen.
Dieser Beitrag basiert auf dem IMK Working Paper zu Spielräumen für progressive Steuerreformen in der OECD im Allgemeinen und Deutschland im Speziellen.